Rheinische Post - Xanten and Moers

Mehr Impfstoff für die Hausärzte, weniger für das Impfzentru­m

Knapp 2500 Dosen weniger laufen in den nächsten Wochen im Impfzentru­m Wesel ein, dafür sollen die Hausärzte mehr bekommen. Sie haben der Kampagne einen Schub verpasst.

- VON JULIA HAGENACKER UND HENNING RASCHE

KREIS WESEL Fachärzte bilden in der Impfkampag­ne bisher noch eher die Ausnahme. Während rund 90 Prozent aller Hausarztpr­axen gegen Covid-19 impfen, sind es laut der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein (KV) bei den Facharztpr­axen lediglich 16 Prozent. Das liegt aber weniger daran, dass diese nicht impfen wollen, sondern daran, dass sie sich noch nicht so lange beteiligen können. Frank Olbrich, Facharzt für Frauenheil­kunde und Geburtshil­fe, mit Praxis in Moers, ist dabei. Aber er findet, es könnte besser laufen.

Olbrich impft in seiner Praxis Kontaktper­sonen schwangere­r Patientinn­en. Zwei Personen kann jede werdende Mutter benennen, unabhängig von einer Priorisier­ung. „Die Nachfrage ist groß“, sagt der Mediziner. Und der Gang zum niedergela­ssenen Impfarzt ergibt aus seiner Sicht für auch Sinn. „Im Impfzentru­m müssen sich Kontaktper­sonen über ein Attest des behandelnd­en Frauenarzt­es der Schwangere­n ausweisen“, sagt Olbrich. Der Vorteil in den Arztpraxen: „Dieser bürokratis­che Aufwand entfällt bei uns, denn wir kennen ja unsere Patientinn­en“, erklärt der Frauenarzt. „Wir wollen und könnten viel, viel mehr impfen, der einzige Bremser ist nach wie vor der fehlende Impfstoff.“

Der Impfstoff. Glaubt man den Worten von Frank Bergmann, Vorsitzend­er

der KV Nordrhein, dann befindet sich die Impfkampag­ne gerade in einer Art Übergangsp­hase: von knappem Impfstoff zu viel Impfstoff. Und jedenfalls die Hausärzte sollen auch in den kommenden Wochen immer mehr Impfdosen bekommen. In dieser Woche sollte es maximal 48 Dosen pro Hausarzt geben, in der kommenden Woche könnten es maximal 36 Dosen Biontech und maximal 50 Dosen Astrazenec­a sein. In der Realität sind es aber oft weniger.

Das weiß auch Christiane Weineck. Zuletzt, erzählt die Allgemeinm­edizinerin mit Gemeinscha­ftspraxis in Wesel, sei es zweimal passiert, dass sie 50 Patienten zu Impfungen eingeladen hätten – und sie kurzfristi­g wieder ausladen mussten, weil der Impfstoff nicht gekommen ist. „Das war schon aufwändig“, sagt Weineck. Aber das soll nun besser werden, wenn es mehr Impfstoff gibt.

Doch noch sind die Impfstoffl­ieferungen überschaub­ar. Jede Woche schickt die Kassenärzt­liche Vereinigun­g eine E-Mail an die Impfarztpr­axen, in der der zur Verfügung stehende Impfstoff für die folgende Woche angekündig­t wird. „Diese Woche hatte ich Glück“, sagt der Moerser Frank Olbrich. „Wir haben 30 Dosen bekommen. Wohlgemerk­t: Nicht 30 Fläschchen a sechs Spritzen, sondern 30 Dosen.“

Dass nach wie vor so wenig Impfstoff in den Arztpraxen ankommt, ärgert Olbrich. Er ist sich sicher: Wenn es anders wäre, könnte alles viel schneller gehen. Über die Hintergrün­de kann auch er nur spekuliere­n.

„Es scheint aber eine gewisse Konkurrenz zwischen den Impfzentre­n und den Niedergela­ssenen zu geben, was meines Erachtens auch an der Finanzieru­ng liegt“, sagt er. „Impfzentre­n bekommen pro Impfung zwischen 120 und 250 Euro, die niedergela­ssenen Ärzte 20 Euro. Die Impfzentre­n sind deshalb natürlich in hohem Maße daran interessie­rt, dass die Impflinge nicht abwandern“, sagt Frank Olbrich.

Im Mai bekommt das Impfzentru­m in Wesel jedenfalls deutlich weniger Impfstoff als in den Wochen zuvor. Wie das NRW-Gesundheit­sministeri­um in Düsseldorf auf Anfrage mitteilt, kommen in der laufenden Kalenderwo­che knapp 7800 Dosen in der Niederrhei­nhalle an, ab Montag sollen es dann bloß noch

5368 Dosen sein: 3108 von Biontech/Pfizer und 2260 von Moderna. Woran das liegt, teilte das Ministeriu­m nicht mit. Wie Frank Bergmann von der KV Nordrhein sagte, seien bei den über 70- und über 80-Jährigen mittlerwei­le die meisten geimpft. Ab Freitag können chronisch Kranke Impftermin­e im Impfzentru­m buchen.

Offensicht­lich aber ist, dass die Hausärzte der Impfkampag­ne einen deutlichen Schub verpasst haben. Seit sie am 6. April eingestieg­en sind, ist die Zahl der Impfungen nach oben geschnellt. KV-Chef Bergmann geht davon aus, dass die Impfzentre­n sich in Richtung Sommer „ausschleic­hen“, sie also nicht mehr gebraucht werden. Weil dann Betriebsär­zte, Fachärzte und Hausärzte impfen.

Christiane Weineck betreibt mit ihrer Praxis einen ziemlich großen Aufwand, um die Impfungen durchzufüh­ren. Patienten müssen zur Beobachtun­g draußen warten, weil die Räumlichke­iten zu klein sind. Weineck, die auch im Vorstand der KV Kreisstell­e Wesel sitzt, hält es für sinnvoll, dass die Impfzentre­n auch weiter voll impfen – auch nachts. „Hauptsache, es wird geimpft“, sagt sie. Die zusätzlich­e Arbeit ihres Teams lohnt sich: „Wir haben mit glückliche­n Menschen zu tun“, sagt sie.

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FOTO: JENS KALAENE/DPA Laut KV sind bei den über 70- und über 80-Jährigen mittlerwei­le die meisten geimpft.

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