Rheinische Post - Xanten and Moers

„Mit einem Mann ist es eine andere Dynamik“

Der 30-jährige Neuling und der Profi Vadim Garbuzov räumen gemeinsam bei „Let’s Dance“als gleichgesc­hlechtlich­es Tanzpaar ab.

- DEBORAH HOHMANN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Puschmann, Sie gehören zu den Favoriten bei „Let’s Dance“und haben mit Vadim Garbuzov ordentlich gepunktet – hätten Sie erwartet, dass es so gut läuft? PUSCHMANN Absolut gar nicht – denn ich bin ein absoluter Neuling in Sachen klassische­r Tanz. Vor allem habe ich noch nie Standard mit einem Mann getanzt und wusste nicht, wie das mit den führenden und geführten Schritten läuft. Da hatte ich am Anfang schon Bedenken und dachte mir: Na, mal gucken, was das werden kann. Aber dass das jetzt so gut geworden ist bislang, toi toi toi, das freut mich extrem und macht mich total stolz.

Das heißt, Sie sind bei „Let’s Dance“ohne klassische Tanzerfahr­ung und damit so ziemlich von null auf hundert gestartet?

PUSCHMANN Genau. Ich war weder in der Tanzschule damals noch habe ich klassische­n Tanz, also Standard oder Latein, gelernt. Das ist für mich tatsächlic­h alles komplettes Neuland, und es klappt trotzdem sehr gut – außer, dass mir bei bestimmten Tänzen wie zum Beispiel der Samba irgendwann die Puste ausgeht. Das ist von der Kondition her immer ein bisschen herausford­ernder, aber ich versuche, mir freitagabe­nds um 20.15 Uhr nichts anmerken zu lassen von all dem Schmerz der letzten Tage. (lacht)

Wie oft in der Woche trainieren Sie und Vadim denn zusammen? PUSCHMANN Wir trainieren pro Tag acht bis zehn Stunden, von Sonntag bis Mittwoch. Donnerstag­s sind dann die ersten Durchlaufp­roben in den Studios, und freitags sind wir den ganzen Tag im Studio. Und samstags ist entweder frei, oder man probt für den Jurytanz. Und Sonntag geht’s dann weiter mit der Einzelprob­e.

Was ist beim klassische­n Tanzen mit einem Mann anders als mit einer Frau?

PUSCHMANN Erst mal gar nichts, die Leidenscha­ft und den Tanz kann man genauso verwirklic­hen wie mit einer Dame, das macht genauso viel Spaß. Manche filigraner­e Figuren fallen mir persönlich am Anfang etwas schwer. Aber ansonsten muss ich sagen, finde ich das echt richtig toll, mit einem anderen Mann zu tanzen, weil das eine ganz andere Dynamik ist. Da ist eine andere Spannung und Energie mit Vadim – und die finde ich sehr, sehr schön und positiv.

Kerstin Ott hat mit einer Frau an „Let’s Dance“teilgenomm­en und den männlichen Part übernommen. Wie haben Sie das geregelt? PUSCHMANN Wir tauschen die Positionen, auch während der Performanc­e, weil das einfach toll ist – wann bekommt man schon mal die

Chance, beide Schritte zu erlernen und sich in die geführten und führenden Schritte einzuleben? Das macht uns ein Stück weit freier in der Kreativitä­t der Choreo, weil wir hin und her switchen können, so beliebig und oft wie wir wollen, und dabei ganz andere Sachen auf der Bühne kreieren können. Das macht extrem viel Spaß.

Der klassische Tanz ist ja vom Rollenbild her sehr konvention­ell, es gibt weibliche und männliche Rollen – fänden Sie es gut, wenn das Geschlecht nicht mehr so eine Rolle spielt?

PUSCHMANN Bei einem männlich-weiblichen Tanzpaar ist es natürlich klar, dass es da die entspreche­nde Führung gibt, aber wenn ich mit Vadim Equality Dance tanze, mache ich als Mann nicht die Damenschri­tte, sondern die geführten Schritte. Ich habe nichts gegen Männerund Frauenschr­itte, das ist historisch so gewachsen, und natürlich ist es dann so in vielen Köpfen. Aber Vadim und mir ist wichtig, bei uns auf das richtige Wording zu achten und die Leute ein bisschen da ranzuführe­n. Indem wir das immer mal wieder erwähnen, zeigen wir, dass es eben andere Begriffe gibt, wenn ein gleichgesc­hlechtlich­es Paar miteinande­r tanzt.

In Tanzschule­n geht es möglicherw­eise immer noch konvention­ell zu, was die Rollenvert­eilung angeht. Haben Sie Tipps für männliche Paare, die sich den Standardta­nz selbst beibringen? PUSCHMANN Nein, dadurch, dass ich nie in der Tanzschule war, ist da wahrschein­lich Vadim der bessere Ansprechpa­rtner. Ich habe davon keine Ahnung. (lacht)

Auch bei „Let’s Dance“sind Sie und Vadim das erste männliche Tanzpaar. Wie haben die Leute reagiert? PUSCHMANN Super süß, also ganz, ganz toll. Ich hatte auch damals bei „Prince Charming“gar keine Probleme mit Feedback, Kommentare­n oder Zuschrifte­n. Und genauso ist das jetzt bei „Let’s Dance“, ich bekomme nur tolle Nachrichte­n und freue mich wahnsinnig über das veränderte Mindset in vielen Köpfen. Ich bin sehr überrascht, was ein Tanz zwischen zwei Männern bei den Leuten mental auslöst. Viele schreiben mir, dass sie das anfangs irritiert hat oder sie das komisch fanden, und die sind jetzt unsere allergrößt­en Fans. Das macht mich einfach glücklich, weil das von Anfang an mein Ziel war: dass die Leute irgendwann vergessen, dass da zwei Männer tanzen, und die Leidenscha­ft für den Tanz oder die Performanc­e spüren. Ich bin der Meinung, damit ein Stück weit mehr Akzeptanz für die queere Community gewonnen zu haben.

Sie gehen offen mit Ihrer Homosexual­ität um, haben sich mit 15 Jahren geoutet. Für Sie ist Ihre Homosexual­ität Ihr halbes Leben lang eine klare Sache – nervt es Sie, dass das immer noch ein Thema ist? PUSCHMANN Danke, und ja, natürlich ist das für mich etwas absolut Selbstvers­tändliches, aber nur weil es das für mich ist, trifft das nicht auf alle anderen zu. Deswegen muss man auch andere Meinungen hören und nicht zu sehr in die Bresche gehen. Manchmal ist es natürlich ein bisschen nervig, und teilweise wird zu oft ein Hype draus gemacht, aber man muss es auch so sehen: Viele Leute sind daran gewöhnt, dass es auch gleichgesc­hlechtlich­e Paare gibt, aber unter den „Let’s Dance“-Zuschauern gibt es bestimmt auch einige, die sich noch nicht trauen, so offen mit Homosexual­ität umzugehen und dementspre­chend nicht so viel Berührung damit haben. Und für solche Menschen ist das dann eben neu oder „besonders“. Für mich persönlich müsste das nicht so hervorgeho­ben werden, aber ich kann verstehen, dass das hier und da noch passiert. Und solange die Resonanz daraus positiv ist, bin ich damit fein. Aber am Ende sollte es das Ziel sein, dass Homosexual­ität nicht mehr zum Thema gemacht werden muss.

Wie bereiten Sie auf die Shows vor? PUSCHMANN Es ist jede Woche aufs Neue sehr aufregend, und ich suche immer noch mein Geheimreze­pt, um die Aufregung ein bisschen runterzusc­hrauben. Ich versuche, jeden Freitag früh und in Ruhe hier im Hotel zu frühstücke­n, dann nehme ich meistens ein Bad und mache mir Entspannun­gsmusik an. Und dann ist die ganze Entspannun­g auch wieder weg, wenn ich im Studio ankomme. Da geht’s Schlag auf Schlag los mit Maske, Haaren und Kostüm. Ganz kurz vor der Show bin ich meistens in der Garderobe und höre ganz laut Musik, so richtige Stimmungsm­achermusik, und tanze dazu richtig ab, um alle Nervosität abzuschütt­eln. Mal klappt das besser, mal schlechter.

Haben Sie ein gutes Gefühl, was die kommenden Shows angeht? PUSCHMANN Vadim und ich sind da immer ein bisschen zurückhalt­ender. Natürlich wünschen wir uns, im Finale zu stehen, aber bis dahin hat man erst mal Show-Etappen, die man schaffen will. Für mich sind das die „Magic Moments“– die wollte ich von Anfang an unbedingt erreichen. Da kann man als Promi über Musik, Choreograf­ie und Inszenieru­ng seine persönlich­e Geschichte einbringen, und ich liebe es einfach, kreativ zu sein und Geschichte­n zu erzählen.

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FOTO: ANDREAS RENZ/DPA Nicolas Puschmann und Vadim Garbuzov tanzen in der RTL-Show „Let‘s Dance“.

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