Rheinische Post - Xanten and Moers
Flexen in Miami
Rapper der Hamburger 187 Straßenbande haben am Samstag am Herrenhaus Elverich ein Musikvideo aufgenommen, als wären sie in Südflorida. Das bizarre Treiben war ein Magnet für Schaulustige. Ein paar ästhetische Anmerkungen.
Der Zirkus ist in der Stadt. Er hat keine Zelte aufgebaut, sondern vorübergehend ein stattliches Anwesen bezogen: auf der Grenze zwischen Wesel-Büderich und Rheinberg. Der Zirkus hat keine Kamele dabei, keine Artisten, keine Zauberer. Manch einer dürfte aber behaupten, ein paar Clowns, die waren schon da.
Der Zirkus, das war die Hamburger Rap-Gruppe 187 Straßenbande, die am Samstag gemeinsam mit dem Berliner Rapper Frauenarzt ein neues Musikvideo aufgenommen hat. Sie haben eine ordentliche Show gemacht und für Aufsehen gesorgt, ganz so, wie es sich für einen Zirkus gehört.
Das Ganze hat ein paar verschiedene Seiten, von denen aus man das bizarre Treiben am Rhein betrachten kann. Da wäre zunächst, preußisch-zeitgemäß, die Frage nach dem Infektionsschutz. Da wäre weiter, in ähnlicher Richtung, die Frage nach der ordnungsbehördlichen Genehmigung dieser Veranstaltung. Und schließlich, das sei gestattet, bleibt die Verwunderung. Was, zum Teufel, haben die da gemacht?
Zunächst kurz zu den Fragen der Zulässigkeit. Die Stadt Rheinberg hat angemerkt, dass es für den Dreh keiner Genehmigung ihrerseits bedurfte. Die Polizei hat bekundet, dass alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Nicht einmal die sich tummelnden Schaulustigen auf dem Deich haben Anzeigen wegen Verstößen gegen die Corona-Schutzverordnung erhalten. Ordnungsamt und Polizei hätten aber auf die Einhaltung der Regeln gedrängt, teilte die Stadt Rheinberg mit. Fans, die mit dem Auto zum Drehort wollten, seien von einer Straßensperre aufgehalten worden.
Kein Abstand, keine Masken, da bleibt also bloß die Hoffnung, dass in der Genehmigung des Drehs die bei Filmsets üblichen vorherigen Corona-Tests verlangt und durchgeführt wurden. Schließlich dürfte sich der ein oder andere gefragt haben, warum die dürfen, was einem selbst versagt bleibt. Eine Art Party feiern. Man müsste aber wohl entgegnen, dass es sich bei dieser Veranstaltung um eine berufliche Zusammenkunft handelte. Und damit wäre man auch schon beim interessanteren Teil, der Verwunderung.
Die 187 Straßenbande ist eine zwischenzeitlich recht lose Vereinigung von selbsternannten Gangster-Rappern. Die prominentesten Mitglieder der Hamburger Gruppe sind Gzuz (eine Abkürzung für „Ghettozeug
unzensiert“) und Bonez MC. Vertraut man ihren Aufnahmen bei Instagram, dann waren sie beide am Samstag am Herrenhaus Elverich. Auf den Fotos, die Bonez MC, 35, auf der Fotoplattform veröffentlicht hat, sieht man den Rapper Frauenarzt auf einem Golfcart sitzen, umringt von drei, nun, sommerlich bekleideten Frauen mit rotem Becher. Als Aufnahmeort ist standesgemäß Miami angegeben. Büderich, das Miami des Niederrheins.
Es ist eine groteske Szenerie: Männer, die im Hauptberuf prollige Autos fahren, mit ihrem Drogenkonsum kokettieren, und Songs veröffentlichen, deren Texte man mitunter als gewaltverherrlichend, frauenverachtend und homophob verstehen kann, reisen aus ihrem Hamburger Kiez nach Büderich, um so zu tun als wären sie in Miami. Das ist entweder armselig oder genial.
Videos von Rappern sind selten von großer Bürgerlichkeit geprägt. Insbesondere die Vertreter von 187 Straßenbande lassen sich gerne von leicht bekleideten jungen Frauen anhimmeln, sie wedeln gern mit Waffen herum, oder fahren einfach nur in einem teuren Sportwagen durch die Gegend. Der Grundton: aggressiv. Der Gesichtsausdruck: unfreundlich. Gelacht wird hier eher nicht. Nicht selten geraten die Mitglieder der Straßenbande mit dem Gesetz in Konflikt – 187 ist der kalifornische Paragraf für Mord. Florida oder Kalifornien – Hauptsache Niederrhein.
Wer Sorge hat, dass die Jugend nur noch aus gendernden, feministischen Öko-Vorkämpfern besteht, der besuche ein Konzert etwa von Gzuz. Zu einer Zeit, als das noch ging, trat selbiger in Köln auf. Vor der Halle warteten Eltern darauf, dass die Generation Greta wieder herauskam. Nachdem sie zu Songtexten getanzt hat, die hier besser nicht zitiert werden. An der Wand, hinter der Bühne, hingen übrigens zwei gekreuzte Maschinengewehre. Gzuz sagte, es gehe um Gewalt.
Die Herren sind überaus erfolgreich mit ihrer Musik. Mehrere Millionen Mal wurden ihre Songs gehört. Einen guten Grund dafür kennt man nicht, außer, dass die Beats eingängig sind, und sich ein paar Studenten ironisch von ihrem spießbürgerlichen Fach abgrenzen wollen.
In dieser sprachsensiblen Zeit wird es die 187 Straßenbande zunehmend schwerer haben, so richtig angesagt ist sie schon jetzt nicht mehr. Vielleicht müssen sie deswegen bald häufiger nach Büderich. Das Land liegt ohnehin gerade im Trend.