Rheinische Post - Xanten and Moers
„Spiritueller Führer“legt am Landgericht Teilgeständnis ab
WESEL/DUISBURG (kwn) Die schon beim Prozessauftakt vor einer Woche, blieb der Angeklagte im Saal 157 des Duisburger Landgerichts auch am Dienstag stumm. Allerdings lässt er durch seinen Anwalt verkünden, dass er ein knappes Dutzend von 40 ihm zur Last gelegten Taten zugibt. Darunter zahlreiche Körperverletzungen und Misshandlungen. Insgesamt soll es neun Opfer geben.
Zu Beginn des zweiten Verhandlungstages gibt der Anwalt des 57-Jährigen einen Überblick über das Leben seines Mandanten. In einer niederländischen Kleinstadt „ganz normal“mit einer fünf Jahre jüngeren Schwester aufgewachsen, absolviert er nach dem Abschluss der Schule mit 16 Jahren eine Lehre und arbeitet danach in verschiedenen Berufen. Er macht Mitte der 80er Jahre eine weitere Ausbildung bei einer Versicherung und arbeitet danach in einem Warenhaus und anschließend als Versicherungsfachmann. 1999 kommt er nach Wesel, wo er eine Anstellung in einem Büro findet. Von 2000 bis 2012 arbeitet er im Bereich Versicherungen und Geldanlage. Anfang der 2000er Jahre, so heißt es, sammelt der Angeklagte zum ersten Mal Erfahrung mit „Energiearbeit“. Er besucht spirituelle und Selbstheilungs-Seminare in Freiburg, wird Assistent des dortigen „spirituellen Führers“und stellt fest, dass sich mit Selbstheilungskursen durchaus Geld verdienen lässt. Er ist in den Jahren danach viel unterwegs – unter anderem in den Niederlanden und Tschechien. In Wesel gründet er schließlich das „Balance Recovery Life-Center“. Dass er dort
Mitglieder misshandelt und schwer verletzt, obwohl er eigentlich in seinen Seminaren von Liebe, Mitgefühl und Akzeptanz spricht, erklärt sein Anwalt so: „Er muss damals in die Dunkelheit geraten sein.“
Ohne näher auf die Delikte einzugehen, betont der Anwalt, dass sich sein Mandant zu mehreren Anklagepunkten „geständig einlässt“. Alle Anklagepunkte mit sexuellem Hintergrund würden allerdings nicht der Wahrheit entsprechen, da alles freiwillig geschehen sei. Auf Anfrage unserer Redaktion erklärt am Nachmittag ein Gerichtssprecher, was sich hinter den einzelnen Anklagepunkten verbirgt, die am Vormittag Thema der Verhandlung waren.
So hat der Niederländer unter anderem eingeräumt, Anfang November 2018 einen seiner Mitbewohner mit einem Bambusstock geschlagen zu haben, nur weil dieser Widerworte gegeben hatte. Ende August 2019 wurde dieser Mann erneut Opfer des wütenden Führers, der ihm mit einem Hammer auf den Oberarm geschlagen hat. Noch heute soll der Mann darunter leiden. Zugegeben hat der Niederländer auch, im Juli 2020 einen Mann aufgefordert zu haben, sich zu entkleiden. Anschließend hat er ihn auf den Rücken getreten und mit einer Metallstange geschlagen. Und zwar mit einer solchen Wucht, dass die Stange zerbrochen ist. Wobei, so ließ der Anwalt das Gericht wissen, sich sein Mandant an die Schläge nicht recht erinnern könne. Dass andere Mitglieder der Gemeinschaft dem Opfer die Füße lecken sollten, sei allerdings nicht richtig.
Der 57-Jährige hat durch seinen Anwalt auch bestätigt, 2017 eine Frau, die in der Küche des Hauses Constanze Öl verschüttet hatte, mit einer Grillzange ins Gesicht geschlagen zu haben. Die im Gesicht blutende Frau hat er dann ins Kühlhaus geschleppt und geschlagen, bis er selbst kein Kraft mehr hatte.
Keine Erinnerung hat der Angeklagte hingegen an eine Tat, die sich im Februar 2018 ereignet haben soll. Damals, so heißt es in der Anklageschrift, soll der heute 57-Jährige einen Restaurant-Mitarbeiter mit einem Stuhl und einem kleinen Hammer angegriffen, als „Teufel“beschimpft und bespuckt haben.
Zu den Opfern des Angeklagten gehörte auch ein im Jahr 2018 erst
16-jähriger Mitarbeiter des Gasthauses, der an seinem freien Tag die Küche reinigen sollte. Der Täter trat die Tür ein, schlug mit einem Teppichklopfer auf den Jugendlichen ein und legte sich auf ihn. Einem weiteren Opfer hatte er Mitte 2018 eine Hand auf den Küchengrill gedrückt, so dass der Mann eine offene Brandwunde erlitt. Genau dieser Mann hatte gegenüber seinem Peiniger im September 2019 geäußert, dass er nicht mehr leben wolle. Daraufhin legte der Niederländer dem Mann eine Schlinge um den Hals und zog so stark an dem Seil, dass dem Opfer schwarz vor Augen wurde. Der Anwalt des Angeklagten ließ das Gericht allerdings wissen, dass sein Mandant nicht genau gewusst habe, ob sein Opfer tatsächlich Todesangst gehabt habe. „Das ist ja schon mal was. Damit kann man arbeiten“, erklärte der Richter.