Rheinische Post - Xanten and Moers
Moers soll „Stadtrats-TV“bekommen
Die Stadtverwaltung möchte Ratssitzungen künftig live im Internet übertragen. Damit folgt sie nach über einem Jahr einem Bürgerantrag. Auf eine Aufzeichnung der Sitzungen soll verzichtet werden. Die Politik muss noch beschließen.
MOERS Sitzungen des Moerser Stadtrates sollen zukünftig live im Internet übertragen werden. Mit ihrem Vorschlag, dem die Politik noch zustimmen muss, folgt die Moerser Stadtverwaltung einem Bürgerantrag vom Oktober 2019. Dem Antragsteller ging es darum, „in Zeiten der Politikverdrossenheit und Stammtischparolen wie ,die da oben und wir hier unten‘ Politik für die Menschen „greifbar“zu machen. Für viele Berufstätige sei der Besuch von Ratssitzungen nicht möglich. „Lassen Sie uns zeigen, wofür gestritten, gekämpft, aber auch wieso welche Entscheidung eben nicht umsetzbar ist“, forderte er die Politiker auf.
Der Vorschlag stand im März 2020 auf der Tagesordnung des Ausschusses für Bürgeranträge. Damals sah die Stadtverwaltung ihn skeptisch und wollte ihn ablehnen. Sie brachte datenschutzrechtliche und technischen Probleme in Anschlag. Dennoch leitete der Ausschuss für Bürgeranträge den Antrag weiter an Hauptausschuss und Rat, mit der Empfehlung, die Voraussetzungen für ein „Stadtrats-TV“näher prüfen zu lassen. Das Ergebnis liegt jetzt auf dem Tisch.
Bei der nun eher positiven Betrachtung eines „Stadtrats“-TV“spielten nicht zuletzt die guten Erfahrungen mit dem Neujahrsempfang 2021 des Bürgermeisters eine Rolle, sagte Stadtsprecher Klaus Janczyk am Freitag. Aufgrund der Pandemie fand der Empfang als LiveStream im Internet statt.
Die Verwaltung nennt Rahmenbedingungen für die Übertragungen. Vor allem der Datenschutz spielt dabei eine wichtige Rolle.
Kameras Während der Ratssitzungen sollen Kameras ausschließlich auf die Verwaltungsbank sowie das Rednerpult im Rathaussaal gerichtet sein, von wo aus während der Ratssitzungen normalerweise Wortbeiträge erfolgen. Ratsmitglieder, die von ihrem Sitzplatz aus reden, erscheinen nicht im Bild, sind aber normalerweise zu hören. Jedes Ratsmitglied muss zustimmen, dass seine Beiträge in Wort/Bild übertragen werden. Tritt ein Ratsmitglied ans Pult, das nicht zu sehen und zu hören sein will, muss während seines/ ihres Beitrags der Ton abgestellt und ein „Platzhalter“eingeblendet werden. Auch wer „global“einer Übertragung zugestimmt hat, kann bei einzelnen Tagesordnungspunkten oder bestimmten Sitzungen die Zustimmung rückgängig machen.
Beim Bürgermeister sowie bei den Beigeordneten/Dezernenten sei eine Einwilligung aufgrund ihres Amtes bereits gegeben. Andere Mitglieder
der Verwaltung (Schriftführer, Fachbereichsleiter) sollen von der Übertragung grundsätzlich ausgeschlossen werden. Sie könnten sich „gezwungen“fühlen, in eine Übertragung einzuwilligen, dies soll vermieden werden.
Einwohnerfragen Die zu Beginn von Sitzungen erlaubten Einwohnerfragen werden nur per Ton übertragen und nur wenn die Fragesteller sich schriftlich einverstanden erklären.
Nur live Die Sitzungen werden lediglich live gezeigt und nicht aufgezeichnet. Sie können demnach, anders als in anderen Städten mit „Stadtrats-TV“, nicht nachträglich im Netz angeklickt und angesehen werden. Die Verwaltung begründet dies einerseits mit dem Datenschutz, andererseits mit dem Aufwand, solche Aufzeichnungen „barrierefrei“zu gestalten. Zum Beispiel müssten die Aufzeichnungen mit Untertiteln oder Gebärden-Übersetzung für Hörgeschädigte versehen werden. Die Stadt sei per EU-Verordnung zur Barrierefreiheit verpflichtet, im Grundsatz müsse alles, was auf www.moers.de oder im Youtube-Kanal der Stadt erscheint, barrierefrei sein. „Bei einem
Live-Stream können wir leichter als bei einer Konserve argumentieren, wenn die Barrierefreiheit nicht besteht“, sagte Stadtsprecher Klaus Janczyk. Nach Abwägung der Kosten für die Herstellung der Barrierefreiheit und des Nutzens für die Menschen mit Behinderung sei der Verzicht auf Barrierefreiheit vertretbar, heißt es in der Vorlage der Stadtverwaltung für die Politik.
Kosten Die Kosten für die Übertragung von Ratssitzungen ins Internet beziffert die Stadt auf 8500 bis 12.000 Euro für sechs Sitzungen von je rund drei Stunden Länge. Geplant ist, eine externe Firma mit dem Einstellen der Streams ins Netz zu beauftragen. „Der Dienstleister bringt die erforderliche Technik und die Serverkapazitäten mit“, sagte Stadtsprecher Janczyk. Ausschusssitzungen werden zunächst nicht übertragen. „Wir wollen zuerst Erfahrungen sammeln und sehen, wie das Angebot angenommen wird“, sagte Janczyk.
Zudem bezieht sich der Vorschlag der Verwaltung auf Sitzungen des Rates im Rathaus und nicht solche im Kulturzentrum Rheinkamp. Dort tag der Rat zurzeit aufgrund der Pandemie. Übertragungen aus Rheinkamp seien ungleich komplizierter und nicht leistbar, sagte Janczyk. Wann das Moerser Stadtrat-TV startet, diktiert deshalb die Pandemie.