Rheinische Post - Xanten and Moers
Die Lotsen für den Weg zur Lehrstelle
Nach der Krise ist vor dem Fachkräftemangel. Die heute startende RP-Serie hilft jungen Leuten ins Berufsleben.
KREIS WESEL Corona trifft alle Generationen. Die Verunsicherung über wirtschaftliche Veränderungen ist weiter groß. Das zeigt sich im zweiten Jahr der Pandemie auch wieder auf dem Ausbildungsmarkt. Dabei haben junge Leute gerade jetzt allen Grund, nicht den Mut zu verlieren, an ihren Wünschen festzuhalten und sich für die Zeit nach der Pandemie zu rüsten. Das sagt unter anderem Barbara Ossyra. „Die zweite Halbzeit auf dem Ausbildungsmarkt läuft seit Anfang April. Jetzt ist die Zeit, um aktiv zu werden und sich bei den Unternehmen zu bewerben“, appelliert die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Wesel, die für die Kreise Wesel und Kleve zuständig ist.
Die Zahl der angebotenen Ausbildungsstellen in der Region sei annähernd stabil, so Ossyra. Das zeige, dass den Arbeitgebern die Ausbildung der nächsten Generation von Fachkräften wichtig ist, zumal in den nächsten Jahren zahlreiche Beschäftigte in den Ruhestand wechseln. Ende April suchten im Kreis Wesel noch 1105 Jugendliche eine Ausbildungsstelle. Im Gegenzug waren bei der Agentur hier noch 1249 unbesetzte Lehrstellen gemeldet. Wie aber finden Anbieter und Suchende zusammen? Hilfen, Tipps und Beispiele will erneut die RP-Ausbildungsserie liefern, die im nun neunten Jahr von dem Weseler Spezialchemie-Konzern Altana präsentiert wird und heute beginnt. Die Reihe läuft bis in den Herbst hinein. Sie soll den kommenden Auszubildenden sowie deren Familienangehörigen und Freunden viele Fragen beantworten.
Ein Patentrezept, wie in diesen Zeiten der Schritt ins Berufsleben gelingen kann, gibt es nicht. Oft bedarf es individueller Lösungen. Diese vorstellen und den nachhaltigen Wert betrieblicher Ausbildung vermitteln will die Ausbildungsinitiative Kreis Wesel, die sich vor 13 Jahren gegründet hat. Hervorgegangen ist sie aus dem Netzwerk-Projekt „Lernender Niederrhein“.
Der Initiative gehören wichtige Arbeitsmarktakteure an. Angestoßen wurde das Projekt seinerzeit von der in Hamminkeln-Dingden beheimateten Akademie Klausenhof. Unabhängig von wirtschaftlichen Schwankungen, demografischem Wandel oder weltumspannenden Krisen sind die Kernaufgaben immer gleich geblieben: Wege in den
Job aufzeigen, Interesse für die ungeheure Vielfalt der Berufe wecken und Lösungen anbieten, wenn mal nicht alles so klappt, wie Schulabgänger es sich vorstellen.
„Nach der Krise ist vor dem Fachkräftemangel“, ermuntert beispielsweise Martin Jonetzko, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbandsgruppe, junge Leute dazu, die sich bietenden Chance jetzt zu ergreifen. Größtes Hemmnis in Zeiten des coronabedingten Abstands ist die Herstellung von Kontakten zwischen Betrieben und Bewerbern. Aber auch da hat sich im letzten Jahr eine Menge getan. Die moderne Kommunikationstechnik macht vieles möglich. Wenn Chöre virtuell proben können, dann funktionieren auch digitale Beratungsund Vorstellungsgespräche. Längst finden ganze Jobbörsen ohne unmittelbaren Austausch der Beteiligten statt.
Wie Markus Brandenbusch, Bereichsleiter bei der Agentur für Arbeit berichtet, war es im vergangenen Jahr schwer, an die jungen Leute heranzukommen. Auch hätten sich besonders kleine Betriebe wegen der ungewissen Zukunft zurückhaltend gezeigt und weniger Lehrstellen angeboten. Parallel zeigte sich die Fortsetzung des Trends,
nach der Schule in die Bildungsgänge der Berufskollegs zu wechseln.
Gleichwohl gibt es den Überhang von freien Stellen. Jürgen Kaiser von der Industrie- und Handelskammer spricht von Engpässen. Dabei setzten die IHK-Betriebe weiter auf Ausbildung. „Irgendwann ist die Pandemie vorbei. Das wichtigste Signal ist jetzt, dass es reichlich Ausbildungsplätze gibt und wir helfen können.“Als Ansprechpartner in der Region nennt er neben der IHK beispielsweise die Kreishandwerkerschaft, die Arbeitsagentur und das Jobcenter. Allein 50 Betriebe haben sich am
Online-Speeddating beteiligt. In der Internetbörse der IHK sind rund 600 offene Stellen zu finden.
„Uns fehlen Lehrlinge“, bringt Norbert Borgmann (Kreishandwerkerschaft) die Situation seiner Branche auf den Punkt. Der Weseler ist in Sparten tätig, die in der Pandemie so viel zu tun haben wie nie zuvor: Heizung, Sanitär, Klima, kurz HSK. Borgmann mag es gar nicht aussprechen, sagt es aber trotzdem: „Vielen geht es schlecht. Uns geht es außerordentlich gut.“Acht bis zwölf Wochen müssen Kunden warten. Bis nach den Ferien sei man ausgebucht.
FRITZ SCHUBERT
Kollegen anderer Bereiche bedauert er. Die Frisöre zum Beispiel und die Kfz-Branche. „Allergrößte Hochachtung“zollt Borgmann Gastronomen, die mit Mut und Optimismus Renovierungen für die Zeit danach angehen. Wichtig ist allen Akteuren der Ausbildungsinitiative, dass alle Jugendlichen in eine für sie passende Stelle vermittelt werden. Bewerber sollten sich früh auf den Weg machen, sich gut informieren und Hinweise annehmen.
Den Wert der Ausbildung zu betonen und Jugendliche bei der Orientierung zu unterstützen, das ist auch Altana als weltweit agierendem Unternehmen mit Sitz in Wesel ein besonderes Anliegen. Durch die Ausbildungsinitiative unterstützt die Altana AG den Ausbildungsmarkt auch über das eigene Ausbildungsplatzangebot hinaus. Sie hilft zum Beispiel bei der Orientierung durch die Vorstellung von Ausbildungsberufen und gibt Tipps für eine gelungene Bewerbung. Zudem informiert die Ausbildungsinitiative über Überbrückungsprogramme, sollte es mal nicht direkt mit einem Ausbildungsberuf klappen, oder darüber, wie man eine Förderung erhält, wenn es mal in der Berufsschule hakt.