Rheinische Post - Xanten and Moers
Mutter soll Neugeborenes getötet haben
Wegen Totschlags steht eine 27 Jahre alte Frau vor dem Klever Landgericht. Sie soll ihr im Badezimmer einer Wohnung in Moers zur Welt gebrachtes, lebensfähiges Baby erstickt haben. Am ersten Prozesstag schwieg die Angeklagte.
MOERS/KLEVE Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft wiegt schwer: Eine 27 Jahre alte Mutter zweier Kinder soll am 12. November vergangenen Jahres im Badezimmer ein Mädchen entbunden und das Neugeborene anschließend getötet haben. Seit Montag muss sie sich dafür vor dem Landgericht Kleve verantworten. Die gebürtige Mazedonierin sitzt seit dem 13. November in Untersuchungshaft in Dinslaken. Am ersten Verhandlungstag schwieg sie.
Die Staatsanwaltschaft wirft der Angeklagten vor, einen Menschen getötet zu haben, ohne Mörderin zu sein. Den Ermittlungen zufolge hatte sich die 27-Jährige zwei Tage vor der Tat mit ihrem Ehemann und den beiden kleinen Söhnen – der eine sechs Jahre alt, der andere 18 Monate – vorübergehend bei einer Schwester ihres Mannes in Moers einquartiert, weil ihre Wohnung renoviert werden sollte. Am Tattag waren weitere Familienangehörige des Ehemanns zu Besuch, man hielt sich vorwiegend im Esszimmer auf.
Gegen 20 Uhr soll die Angeklagte dann über Bauch- und Unterleibsschmerzen geklagt haben. Außerdem sei ihr kalt, deswegen wolle sie unter die warme Dusche, erklärte sie. Sie schloss sich im Badezimmer ein, ließ Wasser in die Wanne, legte sich hinein und brachte ein
2370 Gramm schweres Mädchen zur Welt, das laut Staatsanwaltschaft „im Stande war, selbstständig zu atmen“.
Dann soll sie dem Neugeborenen mit einem spitzen Gegenstand
13 Stiche in den linken Brustbereich und vier weitere in die Flanke versetzt haben. Weil das nicht zum Tode führte, habe sie das Kind erstickt, heißt es in der Anklage. Den Leichnam mitsamt Plazenta soll die junge Mutter in eine Mülltüte gepackt, die Tüte erst auf dem Balkon und später im Keller abgestellt haben.
Gegenüber einem Polizeibeamten hatte die Angeklagte am nächsten Morgen ausgesagt, das Baby habe nach der Geburt etwa zehn Minuten
lang im Wasser gelegen. Als sie es sich auf die Brust gelegt habe, habe es nicht mehr geatmet.
Weder der Ehemann noch dessen Familie sollen von der Schwangerschaft gewusst haben. Sie hätten zwar bemerkt, dass die Angeklagte zugenommen hat, heißt es. Aber die junge Frau habe stets abgestritten schwanger zu sein, wenn sie darauf angesprochen wurde.
Was denn in der Tüte sei, habe man sie gefragt, als sie am Abend des 12. November gegen 21 Uhr aus dem Bad gekommen sei. Sie habe ihre Regel bekommen, in der Tüte seien blutverschmierte Kleidungsstücke, lautete die Antwort. Sie habe nicht gewollt, dass die Angehörigen in die Tüte gucken, sie habe sich geschämt, sagte die Angeklagte in einer ersten Vernehmung durch Polizeibeamte.
Im Verlauf des Abends soll es der 27-Jährigen körperlich immer schlechter gegangen sein. So schilderten es Familienangehörige am Montagvormittag im Zeugenstand. Man habe sie ins Krankenhaus gefahren, der Ehemann durfte aber wegen Corona nicht mit hinein. Gegenüber dem Arzt, der sie untersuchte, gab die 27-Jährige an, sie sei in der vierten Schwangerschaftswoche gewesen und habe eine Fehlgeburt gehabt. Der Arzt habe bei der Untersuchung aber Verletzungen festgestellt, die eindeutig darauf hinwiesen, dass sie entbunden haben muss. Er informierte die Polizei, damit die sich auf die Suche nach dem Säugling macht.
Die Angeklagte, so schilderte es eine Polizeibeamtin, habe schließlich selber den Hinweis gegeben, dass sich das Neugeborene in einem Müllsack im Keller befindet. Der Notarzt, der hinzugerufen worden war, konnte nur noch den Tod des Säuglings feststellen. Nach einem Tatwerkzeug habe man an diesem Abend nicht gezielt gesucht, hieß es. Im Badezimmerschrank wurden aber diverse Nagelscheren und Feilen gefunden und sichergestellt, außerdem verschiedene Messer und eine Schere aus der Küche.
Die Angeklagte schwieg während des gesamten ersten Verhandlungstages, an dem insgesamt 15 Zeugen und ein Sachverständiger geladen waren. Wenn der Vorsitzende Richter Gerhard van Gemmeren Zeugen befragte, atmete sie schwer, fixierte einen Punkt auf dem Boden im Gerichtssaal. Sie werde sich noch zur Sache äußern, „aber nicht heute“, hatte sie durch ihren Anwalt mitteilen lassen.