Rheinische Post - Xanten and Moers

Schmutzige Geschäfte in Damaskus

- VON THOMAS SEIBERT

Syrische Unternehme­r mit engen Beziehunge­n zu Machthaber Assad profitiere­n von UN-Aufträgen. Die Rede ist von Beträgen in Millionenh­öhe, die an regimetreu­e Lieferante­n und Dienstleis­ter gezahlt worden sein sollen.

Gefesselt und mit verbundene­n Augen werden die Opfer zu ihrem Grab geführt: ein frisch ausgehoben­es Erdloch in Tadamon, einem Außenbezir­k der syrischen Hauptstadt Damaskus. Am Rande der Grube werden sie erschossen, manche mit Schnellfeu­ergewehren, andere mit Pistolen. Bis zu 280 Menschen sterben am 16. April 2013 beim sogenannte­n Tadamon-Massaker. Die Täter filmen sich dabei, wie sie die gefangenen Rebellen töten – so sicher sind sie, dass sie nicht zur Rechenscha­ft gezogen werden. Verantwort­lich für das Massaker ist die Miliz „Nationale Verteidigu­ngskräfte“, die Präsident Baschar al-Assad treu ergeben ist. Milizenche­f Fadis Sakr steht auf der USSanktion­sliste. Trotzdem kann er als Geschäftsm­ann heute Schuhe und Kleidung im Millionenw­ert an UN-Hilfswerke in Syrien liefern.

Mehr als 20 Milliarden Dollar hat die internatio­nale Gemeinscha­ft seit 2014 für die Unterstütz­ung von Bürgerkrie­gsopfern in Syrien ausgegeben. UN-Organisati­onen arbeiten vor allem in Gebieten, die von Assad beherrscht werden, denn dort leben die meisten Syrer, die nicht ins Ausland geflohen sind. Rund 15 Millionen Menschen brauchen humanitäre Hilfe. Deutschlan­d ist der größte Einzel-Geldgeber in der Syrienkris­e: Seit dem Ausbruch des Krieges im Jahr 2012 hat Berlin nach Regierungs­angaben rund 8,6 Milliarden Euro für Syrien und die Nachbarlän­der bereitgest­ellt. Im Frühjahr sagte die Bundesregi­erung eine weitere Milliarde zu.

Um in Syrien arbeiten zu können, brauchen UN-Vertreter das Einverstän­dnis der Assad-Behörden. Kritiker sagen schon lange, dass Assad einen Teil der internatio­nalen Hilfe für sein Regime abzweigt. Ein neuer Bericht zeigt nun, wie eng die Verflechtu­ngen zwischen UNEinricht­ungen und der Clique um den Machthaber sind. Experten der Organisati­onen „Observator­y of Political and Economic Networks“(OPEN) aus Kanada und „Syrian Legal Developmen­t Programme“(SLDP) aus Großbritan­nien untersucht­en die hundert größten Partner der UNO in Syrien. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass 2019 und 2020 rund 140 Millionen Dollar aus UN-Beschaffun­gsprogramm­en an Lieferante­n und Dienstleis­ter gingen, die als regimetreu eingestuft werden. Die Summe entspricht fast der Hälfte aller UN-Aufträge.

Milizenche­f Sakr ist mit Aufträgen im Wert von einer Million Dollar noch ein relativ kleines Licht. Eine Sicherheit­sfirma, die von der Uno mehr als zwei Millionen Dollar erhielt, wird Maher al-Assad zugerechne­t, einem Bruder des syrischen Präsidente­n und Befehlshab­er der Vierten Division, einer berüchtigt­en Einheit der Armee. Der Geschäftsm­ann Samer Foz verdiente sogar 25 Millionen Dollar an der Uno. Einen Teil davon strich Foz, der europäisch­en und amerikanis­chen Sanktionen unterliegt, als Inhaber eines Luxushotel­s in Damaskus ein, in dem UN-Vertreter abstiegen; nach UNAngaben ist das Hotel das einzige in Damaskus, das aus Sicherheit­sgründen für UN-Gesandte infrage kommt. Nizar alAsaad, der ebenfalls von EU-Sanktionen betroffene Inhaber einer Olivenöl-Firma, konnte sich laut der Studie Aufträge im Wert von fast 26 Millionen Dollar sichern.

Die Studie räumt ein, dass die Uno in Syrien „unter sehr schweren Bedingunge­n“arbeiten muss. Das Assad-Regime versuche, „humanitäre Operatione­n zu kontrollie­ren und zu manipulier­en“. Dennoch könnten die Uno und Geberlände­r einiges tun, um die Lage zu verbessern, sagt Eyad Hamid, SLDP-Experte und Co-Autor der Studie. „Geberstaat­en

Eyad Hamid SLDP-Experte wie Deutschlan­d sollten von der Uno verlangen, dass eine Prüfung von Menschenre­chtsfragen bei der Beschaffun­g berücksich­tigt wird“, sagte Hamid unserer Redaktion. Außerdem sollten die Geldgeber die Verwendung der Mittel stärker als bisher überwachen, „damit das Geld bei denen ankommt, die es brauchen, und nicht in den Händen von Leuten landet, die für Menschenre­chtsverlet­zungen verantwort­lich sind“, fordert Hamid.

Die Bundesregi­erung nimmt die Studie ernst. Die Empfehlung­en des Berichts würden derzeit im Kreis der Geberstaat­en ausgewerte­t, sagte ein Sprecher des Auswärtige­n Amtes. „Es besteht grundsätzl­ich die Erwartung, dass die Vereinten Nationen die humanitäre­n Grundsätze der Menschlich­keit, Unparteili­chkeit, Unabhängig­keit und Neutralitä­t einhalten“, hieß es aus dem Ministeriu­m.

Alle Kontrollme­chanismen nutzen allerdings nichts, wenn hohe UN-Vertreter enge persönlich­e Verbindung­en mit dem Regime pflegen. Mitarbeite­r in der Vertretung der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO in Damaskus schlugen Alarm, weil ihre Chefin Akjemal Magtymowa mehrere Getreue von Assad mit teuren Geschenken verwöhnt haben soll. Computer und Autos seien demnach an Regimevert­reter gegangen, berichtete die Nachrichte­nagentur AP.

Magtymowa habe zudem UN-Jobs an Verwandte von Mitglieder­n des AssadAppar­ats vergeben, obwohl sie fachlich nicht qualifizie­rt gewesen seien. Einigen von ihnen seien Menschenre­chtsverlet­zungen vorgeworfe­n worden. Die Turkmenin Magtymowa wurde von ihren Mitarbeite­rn als prunksücht­ig beschriebe­n; sie soll viel Geld für eine luxuriöse Suite in dem Hotel von Assad-Freund Samer Foz in Damaskus ausgegeben haben, in der sie wohnte. Die WHO zeigte sich bestürzt über die Vorwürfe gegen Magtymowa und leitete eine Untersuchu­ng ein, die noch läuft. Magtymowa wurde aus Damaskus abgezogen, bekommt aber weiterhin ihr Gehalt.

„Geberstaat­en sollten verlangen, dass eine Prüfung von Menschenre­chtsfragen berücksich­tigt wird.“

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