Rheinische Post - Xanten and Moers
Schmutzige Geschäfte in Damaskus
Syrische Unternehmer mit engen Beziehungen zu Machthaber Assad profitieren von UN-Aufträgen. Die Rede ist von Beträgen in Millionenhöhe, die an regimetreue Lieferanten und Dienstleister gezahlt worden sein sollen.
Gefesselt und mit verbundenen Augen werden die Opfer zu ihrem Grab geführt: ein frisch ausgehobenes Erdloch in Tadamon, einem Außenbezirk der syrischen Hauptstadt Damaskus. Am Rande der Grube werden sie erschossen, manche mit Schnellfeuergewehren, andere mit Pistolen. Bis zu 280 Menschen sterben am 16. April 2013 beim sogenannten Tadamon-Massaker. Die Täter filmen sich dabei, wie sie die gefangenen Rebellen töten – so sicher sind sie, dass sie nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Verantwortlich für das Massaker ist die Miliz „Nationale Verteidigungskräfte“, die Präsident Baschar al-Assad treu ergeben ist. Milizenchef Fadis Sakr steht auf der USSanktionsliste. Trotzdem kann er als Geschäftsmann heute Schuhe und Kleidung im Millionenwert an UN-Hilfswerke in Syrien liefern.
Mehr als 20 Milliarden Dollar hat die internationale Gemeinschaft seit 2014 für die Unterstützung von Bürgerkriegsopfern in Syrien ausgegeben. UN-Organisationen arbeiten vor allem in Gebieten, die von Assad beherrscht werden, denn dort leben die meisten Syrer, die nicht ins Ausland geflohen sind. Rund 15 Millionen Menschen brauchen humanitäre Hilfe. Deutschland ist der größte Einzel-Geldgeber in der Syrienkrise: Seit dem Ausbruch des Krieges im Jahr 2012 hat Berlin nach Regierungsangaben rund 8,6 Milliarden Euro für Syrien und die Nachbarländer bereitgestellt. Im Frühjahr sagte die Bundesregierung eine weitere Milliarde zu.
Um in Syrien arbeiten zu können, brauchen UN-Vertreter das Einverständnis der Assad-Behörden. Kritiker sagen schon lange, dass Assad einen Teil der internationalen Hilfe für sein Regime abzweigt. Ein neuer Bericht zeigt nun, wie eng die Verflechtungen zwischen UNEinrichtungen und der Clique um den Machthaber sind. Experten der Organisationen „Observatory of Political and Economic Networks“(OPEN) aus Kanada und „Syrian Legal Development Programme“(SLDP) aus Großbritannien untersuchten die hundert größten Partner der UNO in Syrien. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass 2019 und 2020 rund 140 Millionen Dollar aus UN-Beschaffungsprogrammen an Lieferanten und Dienstleister gingen, die als regimetreu eingestuft werden. Die Summe entspricht fast der Hälfte aller UN-Aufträge.
Milizenchef Sakr ist mit Aufträgen im Wert von einer Million Dollar noch ein relativ kleines Licht. Eine Sicherheitsfirma, die von der Uno mehr als zwei Millionen Dollar erhielt, wird Maher al-Assad zugerechnet, einem Bruder des syrischen Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, einer berüchtigten Einheit der Armee. Der Geschäftsmann Samer Foz verdiente sogar 25 Millionen Dollar an der Uno. Einen Teil davon strich Foz, der europäischen und amerikanischen Sanktionen unterliegt, als Inhaber eines Luxushotels in Damaskus ein, in dem UN-Vertreter abstiegen; nach UNAngaben ist das Hotel das einzige in Damaskus, das aus Sicherheitsgründen für UN-Gesandte infrage kommt. Nizar alAsaad, der ebenfalls von EU-Sanktionen betroffene Inhaber einer Olivenöl-Firma, konnte sich laut der Studie Aufträge im Wert von fast 26 Millionen Dollar sichern.
Die Studie räumt ein, dass die Uno in Syrien „unter sehr schweren Bedingungen“arbeiten muss. Das Assad-Regime versuche, „humanitäre Operationen zu kontrollieren und zu manipulieren“. Dennoch könnten die Uno und Geberländer einiges tun, um die Lage zu verbessern, sagt Eyad Hamid, SLDP-Experte und Co-Autor der Studie. „Geberstaaten
Eyad Hamid SLDP-Experte wie Deutschland sollten von der Uno verlangen, dass eine Prüfung von Menschenrechtsfragen bei der Beschaffung berücksichtigt wird“, sagte Hamid unserer Redaktion. Außerdem sollten die Geldgeber die Verwendung der Mittel stärker als bisher überwachen, „damit das Geld bei denen ankommt, die es brauchen, und nicht in den Händen von Leuten landet, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind“, fordert Hamid.
Die Bundesregierung nimmt die Studie ernst. Die Empfehlungen des Berichts würden derzeit im Kreis der Geberstaaten ausgewertet, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. „Es besteht grundsätzlich die Erwartung, dass die Vereinten Nationen die humanitären Grundsätze der Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Neutralität einhalten“, hieß es aus dem Ministerium.
Alle Kontrollmechanismen nutzen allerdings nichts, wenn hohe UN-Vertreter enge persönliche Verbindungen mit dem Regime pflegen. Mitarbeiter in der Vertretung der Weltgesundheitsorganisation WHO in Damaskus schlugen Alarm, weil ihre Chefin Akjemal Magtymowa mehrere Getreue von Assad mit teuren Geschenken verwöhnt haben soll. Computer und Autos seien demnach an Regimevertreter gegangen, berichtete die Nachrichtenagentur AP.
Magtymowa habe zudem UN-Jobs an Verwandte von Mitgliedern des AssadApparats vergeben, obwohl sie fachlich nicht qualifiziert gewesen seien. Einigen von ihnen seien Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen worden. Die Turkmenin Magtymowa wurde von ihren Mitarbeitern als prunksüchtig beschrieben; sie soll viel Geld für eine luxuriöse Suite in dem Hotel von Assad-Freund Samer Foz in Damaskus ausgegeben haben, in der sie wohnte. Die WHO zeigte sich bestürzt über die Vorwürfe gegen Magtymowa und leitete eine Untersuchung ein, die noch läuft. Magtymowa wurde aus Damaskus abgezogen, bekommt aber weiterhin ihr Gehalt.
„Geberstaaten sollten verlangen, dass eine Prüfung von Menschenrechtsfragen berücksichtigt wird.“