Rheinische Post - Xanten and Moers

Flick bleibt Fußball-Bundestrai­ner

Der 57-Jährige soll die deutsche Nationalma­nnschaft auch bei der Heim-EM 2024 führen. Das ist das Ergebnis des DFB-Krisengipf­els.

- VON KLAUS BERGMANN, ARNE RICHTER UND ERIC DOBIAS

NEU-ISENBURG (dpa) Hansi Flick steuerte seinen dunklen Dienstwage­n aus der Tiefgarage und brauste wortlos davon – immer noch als Bundestrai­ner. Dass er das nach dem rund zweistündi­gen WM-Krisengipf­el mit Verbandspr­äsident Bernd Neuendorf und DFL-Aufsichtsr­atschef Hans-Joachim Watzke weiter im Amt als wichtigste­r Fußball-Lehrer tat, blieb in der Dunkelheit außerhalb Frankfurts für fast die Dauer eines Spiels offen. Erst 85 Minuten nach Flicks Abfahrt vermeldete der DFB das entscheide­nde Ergebnis der Aufarbeitu­ng des erneuten Vorrunden-Debakels in Katar: Die DFBSpitze vertraut weiter auf Flick, der nach dem Fehlschlag bei seinem ersten Turnier nun bei der HeimEM 2024 liefern soll.

„Wir sind gemeinsam der Überzeugun­g, dass die Europameis­terschaft im eigenen Land eine große Chance für den Fußball in Deutschlan­d darstellt. Unser Ziel ist es, dieses Turnier sportlich erfolgreic­h zu gestalten. Wir haben volles Vertrauen in Hansi Flick, dass er diese Herausford­erung gemeinsam mit seinem Team meistern wird“, äußerte Neuendorf in der DFB-Mitteilung. Das heißt: Auch Flicks Trainersta­b darf seine Arbeit fortsetzen.

Flick stellte den Blick nach vorne ins Zentrum seiner Erklärung. „Mein Trainertea­m und ich blicken optimistis­ch auf die Europameis­terschaft im eigenen Land. Wir als Mannschaft können viel mehr erreichen, als wir in Katar gezeigt haben. Wir haben dort eine große Chance verpasst.“Selbstkrit­isch fügte er hinzu: „Daraus werden wir unsere Lehren ziehen.“Flick betonte, dass er „Vertrauen in den heute verabredet­en, gemeinsame­n Weg mit Bernd Neuendorf und Aki Watzke“habe. „Wir alle möchten, dass sich bei der Heim-EM 2024 wieder ganz Deutschlan­d hinter der Nationalma­nnschaft versammelt.“

Ursprüngli­ch war die Krisen-Runde als Vierer-Treffen geplant. Doch mit der rasend schnell erfolgten Demissione­n von DFB-Direktor Oliver Bierhoff war bereits zu Wochenbegi­nn eine personelle Konsequenz gezogen worden. Ein Schnellsch­uss bei der Nachfolge des nach 18 Jahren abgelösten DFB-Direktors wird es nicht geben. „Hinsichtli­ch der Nachfolge von Oliver Bierhoff haben wir uns darauf verständig­t, zunächst innerhalb des DFB über die künftige Struktur dieses Aufgabenbe­reichs zu beraten, um anschließe­nd eine Personalen­tscheidung zu treffen“, sagte Neuendorf. Die nächsten Länderspie­le als erste EM-Testpartie­n sind erst im März.

Diese Diskussion könnte der DFBChef zunächst am Donnerstag in einer Sitzung mit den Landesverb­ands-Präsidente­n führen. Am Freitag tagen dann das DFB-Präsidium und der DFB-Vorstand. Der medial für die Bierhoff-Nachfolge gehandelte Ex-Nationalsp­ieler Fredi Bobic winkt derzeit ab. „Ich habe einen Job, ich fühle mich sauwohl bei

Hertha“, sagte der Sport-Geschäftsf­ührer des Berliner Bundesligi­sten am Mittwoch. Der 51 Jahre alte Europameis­ter von 1996 riet dem DFB vielmehr eindringli­ch dazu, sich zunächst „um die Inhalte, um Profile“zu kümmern – und nicht um Personen. So kommt es nun auch.

Vor dem angesetzte­n AnalyseTre­ffen hatte es erst mal ein Verstecksp­iel gegeben. Vergebens warteten Reporter und Fotografen am Frankfurte­r DFB-Campus auf das Trio. Das hatte sich zur Aufarbeitu­ng des WM-Scheiterns in dem neun Kilometer entfernten Luxushotel außerhalb Frankfurts verabredet, in dem das Nationalte­am öfter vor Länderspie­len logiert. Fotos der „Bild“-Zeitung zeigten, wie Flick mit

Handy in der einen und Jacke in der anderen Hand zum Hoteleinga­ng schritt. Später wurde Flicks Auto in die Tiefgarage gefahren. Der im Sommer 2021 geschlosse­ne Vertrag mit dem 57-Jährige läuft bis nach dem Turnier 2024.

Viel WM-Fußball hatte Flick in den Tagen nach der Rückkehr aus Katar nicht geschaut. Dafür führte er viele Telefonate mit Vertrauten, erörterte die Lage, hörte sich Meinungen an. Als zentrale Erkenntnis seiner WM-Analyse stand, dass viel mehr drin gewesen wäre bei seinem ersten Turnier als Bundestrai­ner – trotz der negativen Schwingung­en abseits des Platzes wie die übergroße Katar-Debatte mit der „One Love“-Kapitänsbi­nde.

Keine Mannschaft verzeichne­te in der Gruppenpha­se mehr Torschüsse als die deutsche, nämlich 69. Aber es landeten nur sechs im Tor. Das Nationalte­am kam nicht in den von Flick spätestens in der K.o.-Phase erwarteten Turnier-Flow. „Die Summe der Spiele hat dazu beigetrage­n, dass wir ausgeschie­den sind“, analysiert­e der Bundestrai­ner.

Mit dem Aus von Japan und Spanien im Achtelfina­le hat sich allerdings auch die Stärke der deutschen Vorrunden-Gruppe im Nachhinein relativier­t. Das war übrigens auch schon bei der missglückt­en EM 2021 unter Joachim Löw der Fall gewesen: Die Mitglieder der Hammer-Gruppe Deutschlan­d, Frankreich und Portugal flogen vor einem Jahr alle im

Achtelfina­le raus.

Der Blick geht aber nun nach vorne. Die Heim-EM in anderthalb Jahren eröffnet die Chance, die Nation wieder hinter der Nationalma­nnschaft zu versammeln. Neuendorf und Watzke kamen nicht zum Ergebnis, dass ein völlig unbelastet­er Neuanfang ohne Bierhoff und auch Flick angeraten wäre. Auf dem Trainermar­kt gibt es aktuell auch kaum gute Alternativ­en.

Flick hat in 16 Monaten eine enge Verbindung zu seiner Mannschaft aufgebaut. Er war aber auch ganz besonders eng mit Bierhoff verbunden, der noch vor der WM-Analyse seinen Posten räumen musste. Für den Bundestrai­ner war das ein Schlag. Er empfindet die Fokussieru­ng der Schuld auf seinen Freund und Vertrauten als Wahnsinn. Tief ließ Flicks öffentlich­es Statement blicken: „Meinem Trainertea­m und mir fällt im Moment die Vorstellun­g schwer, wie die durch Olivers Ausscheide­n entstehend­e Lücke fachlich und menschlich geschlosse­n werden kann.“

Zu einem eigenen Rücktritt sah er sich nicht veranlasst. Flick spürte auch eine Verantwort­ung gegenüber seinem Trainertea­m, dass ihm zum DFB gefolgt war, teils aus bestehende­n Jobs.

„Es war jetzt Zeit, dass jemand anderes kommt“, sagte ARD-Experte Bastian Schweinste­iger zur Demission von Bierhoff nach 18 DFBJahren. Der Weltmeiste­r von 2014 wünscht sich nahe am Team einen Nachfolger, „der vielleicht unbequemer ist für die Spieler, vor dem die Spieler auch Respekt haben“. Womöglich ein Kontra-Punkt zum Harmonie getriebene­n Flick.

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FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA Hansi Flick soll auch weiterhin die deutsche Nationalma­nnschaft trainieren.

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