Rheinische Post - Xanten and Moers
Marokko schreibt Fußball-Geschichte
Ein unerfahrener Coach hat aus ein paar Topstars und vielen unbekannten Spielern ein Erfolgsteam geformt.
DOHA (dpa) Irgendwann feierte sogar der König mit. Mohammed VI. von Marokko zog sich am Dienstagabend ein Trikot seiner Nationalmannschaft über und ließ sich im Auto mit offenen Fensterscheiben durch die feiernden Menschenmassen in der Hauptstadt Rabat fahren.
Dass das nordafrikanische Land zum ersten Mal bei einer FußballWM zu den besten acht Teams gehört, hat Menschen auf beinahe allen Kontinenten auf die Straßen getrieben. Nach dem 3:0 im Elfmeterschießen gegen den ehemaligen Weltmeister Spanien gab es Jubel in Düsseldorf und Essen, Ausschreitungen in Rotterdam und Brüssel, Autokorsos in der WM-Stadt Doha.
Überall auf der Welt leben Marokkaner. Und was jahrelang ein Konfliktfeld für die Nationalmannschaft war, hat ihr Trainer Walid Regragui bei diesem Turnier in Katar zu einem Erfolgsfaktor gemacht. Er formte aus vielen verschiedenen Einflüssen und Erfahrungen ein nur schwer zu schlagendes Team: Aus Spielern, die in Marokko geboren wurden – und solchen, die aus Madrid oder Leiterdorp in Südholland stammen. Aus Stars, die für große Klubs wie Bayern München oder Paris Saint-Germain spielen – und aus ihren Adjutanten von Wydad Casablanca.
„Wir wussten, dass wir heute Geschichte schreiben können. In der Halbzeitpause sagte er uns: Kämpft für euch, für eure Familien, für euer Land, für unsere Fans. Genau das haben wir getan“, sagte Kapitän Romain Saiss nach dem Sieg gegen Spanien über Regragui. Jetzt geht es am Samstag gegen Portugal
(16 Uhr/ZDF und Magenta
TV ) weiter.
Wer der großen WM-Überraschung Marokko in Doha bei der täglichen Arbeit zuschaut, fragt sich nach ein paar Minuten erst einmal: Wer ist hier eigentlich der Trainer? Regragui, 47 Jahre alt und selbst geboren in einer Vorstadt von Paris, kickt beim Aufwärmspielchen mit und hält die Kamera, wenn seine Spieler eine Videobotschaft aufnehmen. Er ist immer mittendrin.
Mit dieser Nahbarkeit hat er es weit gebracht: Er ist der erste afrikanische Trainer, der im Viertelfinale steht. Der ehemalige Coach von Wydad Casablanca in Marokko und Al-Duhail in Katar hat sich mit den Problemen vieler afrikanischer Mannschaften
Walid Regragui Nationaltrainer bei früheren Weltmeisterschaften genau beschäftigt: Regragui wurde erst zweieinhalb Monate vor WMBeginn zum neuen marokkanischen Trainer ernannt und hat dies vom ersten Arbeitstag an zu seinem Thema gemacht.
Er holte Stars wie Noussair Mazraoui (Bayern München) und Hakim Ziyech (FC Chelsea) zurück ins Team, aber er gab ihnen auch vor: „Jeder, der zur Nationalmannschaft kommt, ist bereit für Marokko zu kämpfen und zu sterben.“Regragui selbst sieht sich da als Vorbild: „Ich bin in Frankreich geboren, aber niemand kann mir mein marokkanisches Herz nehmen.“
Bei seinen Spielern kommt diese Verbindung aus klaren taktischen Vorgaben und leidenschaftlichem Pathos offenbar gut an.„Wir vertrauen ihm. Er hat aus uns eine Familie gemacht“, sagte der ehemalige Dortmunder Achraf Hakimi (Paris Saint-Germain) über Regragui.
„Niemand kann mir mein marokkanisches Herz nehmen“