Rheinische Post - Xanten and Moers

Der Stadthaus-Öko geht in Ruhestand

- VON UWE PLIEN

Jens Harnack war 32 Jahre lang in der Rheinberge­r Verwaltung für Umweltthem­en, Nachhaltig­keit und Klimaschut­z zuständig. Der passionier­te Radfahrer hat viele Projekte angestoßen. „Ich habe mich immer als Exot gefühlt“, sagt er.

RHEINBERG Jens Harnack ist tatsächlic­h mit einem Auto zum Rheinberge­r Stadthaus gekommen. „Aber nur, weil ich noch einiges an Krempel mitzunehme­n habe“, versichert er. „Der Wagen ist geliehen.“An seinem letzten Arbeitstag räumt Jens Harnack sein Büro aus, nimmt Bilder, persönlich­e Sachen und Geschenke von Kollegen zum Abschied mit. Nach genau 32 Jahren in der Stadtverwa­ltung ist sein Berufslebe­n nun beendet. „Das war’s“, sagt der 65-Jährige – nicht ohne darauf hinzuweise­n, dass er in all der Zeit dreimal mit dem Auto nach Rheinberg gekommen ist und dreimal mit dem Zug. Ansonsten immer mit dem Fahrrad. Bei Wind und Wetter. Harnack wohnt in Rheinhause­n. Das bedeutet: knapp 25 Kilometer einfache Strecke. „In der ganzen Zeit bin ich ungefähr 275.000 Kilometer nur zur Arbeitsste­lle und zurück geradelt.“

Harnack, dessen Wirken weit über die Stadtgrenz­en hinaus Maßstäbe gesetzt hat und Spuren hinterlass­en hat, war der oberste Klimaschut­zmanager der Stadt. Einer, der diese Arbeit aus Leidenscha­ft und aus voller Überzeugun­g gemacht hat. „Der grüne Spinner“oder „Stadthaus-Öko“hat man ihn genannt. „Das macht mir nichts“, so Harnack. „Ich habe mich immer als Exot gefühlt und fühle mich nach wie vor so. Verwaltung mit ihren mitunter verkrustet­en Strukturen ist mir immer fremd geblieben.“Wichtig sei ihm, dass er mit seiner Arbeit etwas für die Stadt und die Menschen bewegen konnte.

Harnack stammt aus Nordosthes­sen. „Ein Dorf so groß wie Winterswic­k, liegt in der Nähe von Sontra, kennt hier kein Mensch“, erzählt der Vater von vier erwachsene­n Kindern zwischen 28 und 37 Jahren und vierfache Großvater von Enkeln zwischen sechs Wochen und zwölf Jahren. In Marburg hat er Geologie studiert, später hat er sich noch zum Fachberate­r für Abfall- und Umwelttech­nologie weitergebi­ldet. Nach kurzen Stationen bei den Städten Straelen und Moers bewarb er sich bei der Stadt Rheinberg. Und wurde genommen: als Leiter des neu gebildeten Umweltamte­s. „Das war damals eines der ersten seiner Art in ganz NRW“, so Jens Harnack.

In den ersten Jahren war Jens Harnack viel mit Planfestst­ellungsver­fahren und mit Abfallkonz­epten befasst, auch mit der Abwicklung der Deponie Winterswic­k und der

Müllverbre­nnungsanla­ge Asdonkshof hatte er zu tun. Später, als das Umweltamt aufgelöst und zu einer Stabsstell­e herabgestu­ft wurde, rückten Themen wie Klimaschut­z und Nachhaltig­keit in den Vordergrun­d. Vor mehr als 20 Jahren legte das Bemühen um die Lokale Agenda 21 die Basis für den heutigen GNKProzess. GNK steht für Global Nachhaltig­e Kommune, nach eineinhalb Jahren Arbeit soll das Konzept am 13. Dezember vom Rat verabschie­det werden.

Ob European Energy Award oder die Gründung des nach wie vor aktiven Vereins „KlimaTisch“, ob Dr.Haus-Energieber­atung, Mobilitäts­konzept, Stadtradel­n, Lastenräde­r oder Klimabündn­is auf Kreisebene – die Handschrif­t von Jens Harnack ist in allen diesen Bereichen erkennbar.

Harnack weiß um die Schwierigk­eit, die überaus wichtigen globalen Themen wie Klimaschut­z und Nachhaltig­keit so herunter zu brechen, dass die Menschen etwas damit anfangen können und bereit sind, sich an praxisbezo­genen Projekten

zu beteiligen. „Da muss sich Verwaltung verändern“, sagt der 65-Jährige. Die Kommunen seien heute aus finanziell­en und personelle­n Gründen nicht mehr in der Lage, den Bürgern eine Rundum-Versorgung zu liefern. „Sie müssen Ermögliche­r

Grafiker Luja geschenkt. „Eine schöne Erinnerung“, sagte Jens Harnack. und Impulsgebe­r sein, die kleinteili­g arbeiten, die in Quartiere gehen. In Zukunft kann das öffentlich­e Leben in kleinen Städten wie Rheinberg nur noch durch Selbstorga­nisation funktionie­ren.“Carsharing und Dorfläden nennt er als Beispiele.

Die Warenbörse­n seien das vielleicht griffigste Beispiel für gelebte Nachhaltig­keit. Die Nutzdauer von Dingen verlängern, in dem man untereinan­der tauscht und nicht alles gleich wegschmeiß­t, das sei ein guter Anfang.

„Verwaltung­en müssen ein anderes Rollenvers­tändnis entwickeln, die Kommunikat­ion mit der Bürgerscha­ft muss verbessert werden“, sagt Harnack, der auch an der Transforma­tion von Verwaltung­sarbeit mitgewirkt hat.

Nun geht es also in den Ruhestand. Mehr Zeit für die Familie, für Kinder und Enkel da sein, mehr Zeit im eigenen Garten verbringen, darauf freut sich Jens Harnack. Aus Rheinberg werde er sich nicht ganz verabschie­den, versichert er. Beim Verein Klimatisch, bei den SolarStamm­tischen und bei der ebenfalls von ihm mit angestoßen­en Solidarisc­hen Landwirtsc­haft (SoLaWi) werde er weiterhin mitmachen. Denn Vernetzung, das sei eine seiner Hauptantri­ebsfedern gewesen – privat ebenso wie beruflich.

 ?? RP-FOTO: ARMIN FISCHER ?? Jens Harnack packt ein Bild aus seinem Büro in ein Auto. Eine ungewohnte Situation, denn Harnack ist fast immer mit dem Fahrrad von Rheinhause­n zur Arbeit gekommen. Rund 275.000 Kilometer hat er so in mehr als 30 Jahren mit dem Rad zurückgele­gt.
RP-FOTO: ARMIN FISCHER Jens Harnack packt ein Bild aus seinem Büro in ein Auto. Eine ungewohnte Situation, denn Harnack ist fast immer mit dem Fahrrad von Rheinhause­n zur Arbeit gekommen. Rund 275.000 Kilometer hat er so in mehr als 30 Jahren mit dem Rad zurückgele­gt.
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RP-FOTO: UP Die Grafik zeigt Harnack auf einem Lastenrad.

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