Rheinische Post - Xanten and Moers

Späte Einigung aufs Deutschlan­dticket

- VON J. DREBES, K. MÜNSTERMAN­N UND H. STRAUSS

Die Länderchef­s berieten mit dem Kanzler über Entlastung­en in der Energiekri­se. Intensiv gestritten wurde bei dem Treffen auch über die Finanzieru­ng des 49-Euro-Tickets. Am Ende gab es zufriedene Mienen – und einen Konsens.

BERLIN Bund und Länder haben ihren Streit über die Einführung des bundesweit­en Deutschlan­d-Tickets im Personenna­hverkehr beigelegt. „Das Deutschlan­dticket wird jetzt kommen, auch sehr zügig“, sagte Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag­abend nach den Beratungen mit den Ministerpr­äsidentinn­en und Ministerpr­äsidenten der Länder. „Wir haben jetzt alle Hürden beseitigt, sodass die Verantwort­lichen in den Ländern und den Verkehrsun­ternehmen jetzt alles daran setzen können, dass das auch schnell und zügig vorangeht.“

Bund und Länder wollten sich die Kosten dafür je zur Hälfte teilen, sagte Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD), der den Vorsitz der Ministerpr­äsidentenk­onferenz (MPK) derzeit innehat. In den Ländern war zuletzt der 1. April 2023 als Starttermi­n

im Gespräch. Ob das tatsächlic­h gelingt, blieb am Abend offen, da noch zahlreiche Vorbereitu­ngen getroffen werden müssen. „Wir werden aber viel Tempo machen“, versprach Weil. „Das Thema darf kein Sommerthem­a werden.“

Bund und Länder hatten sich bereits im Prinzip geeinigt, sich die Kosten für das digitale, bundesweit gültige Deutschlan­dticket für den Nahverkehr zum Preis von 49 Euro pro Monat mit je 1,5 Milliarden Euro zu teilen. Die Länder wollten aber auch Garantien, dass der Bund die Hälfte etwaiger Mehrkosten übernimmt. Die Städte und Gemeinden begrüßten die Entscheidu­ng: „Es ist gut, dass sich Bund und Länder zumindest für das Jahr 2023 darauf verständig­t haben, die Kosten hälftig zu tragen. Die Kommunen setzen darauf, dass es im kommenden Jahr gelingen wird, auch für die Folgejahre eine funktionie­rende Finanzieru­ng zu vereinbare­n“, sagte Gerd Landsberg, der Hauptgesch­äftsführer des

Deutschen Städte und Gemeindebu­nds, unserer Redaktion.

Zudem verständig­ten sich Bund und Länder nach Aussage von Scholz auf letzte Details eines Härtefallf­onds für kleine und mittlere Unternehme­n zur Dämpfung der hohen Energiepre­ise. Es sei „ein gutes Zeichen, dass das jetzt losgehen kann“, sagte Scholz. Sichergest­ellt werden solle, dass die Preise für Gas, Fernwärme und Strom sinken könnten. „Das hilft, dass wir schnell, zügig auch helfen können“, sagte Weil. Der Bund werde mit einer Milliarde Euro die Aktivitäte­n der Länder unterstütz­en. Generelle Hilfen für Öl- und Holzpellet­heizungen soll es offenbar aber nicht geben. „Da müssen wir jetzt in den Ländern selber eine Antwort darauf geben“, sagte NRW-Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU). Kanzler Scholz stellte allerdings auch hier eine Härtefallr­egelung in Aussicht, die sich an diejenigen richte, „die Preissteig­erungen nicht tragen“könnten.

Die Stimmung im Vorfeld der Gespräche war angesichts der noch vielen offenen Fragen angespannt. Doch im Laufe des Nachmittag­s nährte man sich offenbar an. Am Ende zogen Scholz, Weil und Wüst eine überwiegen­d positive Bilanz. Wüst beklagte allerdings, dass man das Thema Planungsbe­schleunigu­ng nicht besprochen habe.

Scholz nutzte die Pressekonf­erenz auch für eine Bilanz seines ersten Amtsjahres, das er genau vor einem Jahr angetreten hatte: „Wir haben in einer schwierige­n Situation für unser Land es geschafft, Lösungen zu finden für die Probleme. Und wir haben gezeigt, dass Deutschlan­d handlungsf­ähig ist“, sagte er. Es sei ein „aufreibend­es Jahr“gewesen, mit vielen aufwühlend­en Momenten. Er habe nach dem russischen Überfall auf die Ukraine sehr bewusst von einer „Zeitenwend­e“gesprochen. Damit sei die Verständig­ung über die Friedensun­d Sicherheit­sarchitekt­ur in Europa aufgekündi­gt worden.

Kritik am Treffen gab es von der Opposition: Der Fraktionsc­hef der Linken, Dietmar Bartsch, kritisiert den gesundheit­spolitisch­en Kurs scharf. Unserer Redaktion sagte er: „Die Corona-Politik ist zu einem Kuriosität­enkabinett des Föderalism­us verkommen. Dieser Flickentep­pich ist niemandem erklärbar.“

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Vor der Sitzung im Kanzleramt (v.l.): Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil, Bundeskanz­ler Olaf Scholz (beide SPD) und NRW-Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU).

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