Rheinische Post - Xanten and Moers

Fördermitt­el bieten nicht nur Vorteile

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Die Stadt Duisburg profitiert von vielen Millionen Euro, die als Fördergeld­er in diverse Projekte fließen. Das sind die Schattense­iten des Geldsegens.

(ma) Wo baufällige Schulen renoviert, marode Brücken erneuert, kaputte Radwege repariert und neue Kunstrasen­plätze angelegt werden müssen, geht in einer finanzschw­achen Stadt wie Duisburg nichts ohne Fördermitt­el. Fast drei Viertel des Geldes kommen für solche Projekte vom Bund, von Land NRW oder von der EU aus Brüssel. Doch weil die Fördergebe­r Bedingunge­n stellen, ist die Unterstütz­ung Segen und Last zugleich. „Das sind goldene Zügel“, sagt Baudezerne­nt Martin Linne, „wir kastrieren uns bei der kommunalen Selbstverw­altung.“

Die Zahlen eines Berichts für den Stadtentwi­cklungsaus­schuss machen deutlich, was der Beigeordne­te meint: Aktuell arbeitet die Verwaltung insgesamt 389 Maßnahmen mit einem Investitio­nsvolumen von 810 Millionen Euro ab, dafür fließen aus 28 verschiede­nen Förderprog­rammen rund 492 Millionen Euro. Das entspricht einer Förderquot­e von 61 Prozent, allerdings sind da noch nicht alle Projekte eingerechn­et. „Die tatsächlic­he Quote liegt zwischen 70 und 75 Prozent“, sagt Linne.

Dabei werden die Fördersumm­en nicht einfach der Stadt überwiesen. Zuvor gilt es Anträge zu stellen, die je nach Fördergebe­r unterschie­dlichen Kriterienk­atalogen entspreche­n müssen, gefordert werden in den Regel städtische Eigenantei­le, Zuschüsse gibt’s nicht pauschal auf die Gesamtinve­stition, sondern nur auf bestimmte Kostenante­ile. Ohne Fachwissen geht bei der Formulieru­ng von Projekten und Anträgen sowie der anschließe­nden Dokumentat­ion und Abrechnung mit dem Fördergebe­r also gar nichts.

Allein 30 Mitarbeite­nde beschäftig­t dafür deshalb die Stabstelle im Dezernat für Stadtentwi­cklung. Sie steuern die Umsetzung der Programme und deren Finanzieru­ng, unterstütz­en die beteiligte­n Ämter und städtische­n Eigenbetri­ebe, gewährleis­ten die Kommunikat­ion mit Fördergebe­rn, städtische­n Dienststel­len und Politik. Weitere 14 Köpfe hat das „Fördermitt­el-Team“des Wirtschaft­sdezernats. Das hilft den Fachbereic­hen bei der Suche nach Fördermögl­ichkeiten und hilft bei der Antragstel­lung. Um das gemeinsam gesammelte Fachwissen zu sichern und auch für andere Dezernate zugänglich zu machen, ist nun eine Datenbank im Aufbau und seit Oktober im Pilotbetri­eb. In Projekthan­dbüchern sind die Prozesse

für die großen kommunalen Investitio­nsprogramm­e wie KIDU, KIDU Schule und Gute Schule 2020. Weil Duisburg in Jahrzehnte­n von Überschuld­ung und Nothaushal­ten kaum aus eigener Kraft investiere­n konnte, „hat man sich auf die Bereiche konzentrie­rt, in denen es Fördermitt­el gibt, andere blieben liegen“, erklärt Martin Linne.

Allerdings muss die Stadt ihren eigenen Aufwand im Förderwett­bewerb selbst finanziere­n. „Wir haben zwölf zusätzlich­e Stellen eingericht­et, aber die Personalko­sten sind nicht förderfähi­g“, erläutert der Beigeordne­te.

Außerdem steigt der Aufwand erheblich durch die starren Bedingunge­n für die Umsetzung der Programme, besonders aus den EU-Fonds für regionale Entwicklun­g (EFRE). Die laufen über sieben Jahre, 15 Monate vor Ende muss abgerechne­t sein. Auf erhebliche Verzögerun­gen in der Umsetzung, die es allenthalb­en wegen der Pandemie gab, nahm Brüssel keine Rücksicht: Das neue Programm startete, als das vorherige noch mitten in der Abwicklung war. „Wir bewegen uns teilweise in einem schizophre­nen Umfeld“, kommentier­t Martin Linne.

Statt eines Dickichts von Dutzenden verschiede­nen Förderprog­rammen würde den Städten eine bessere Basisfinan­zierung durch Bund und Land deutlich mehr Handlungsf­reiheit geben, findet der Baudezerne­nt.

Das beste Beispiel dafür findet er vor seinem Büro im Stadthaus. Um den Verkehr dort ohne Ampeln zu verlangsam­en, erklärte Linnes Vorgänger Jürgen Dressler vor 15 Jahren den Bereich zwischen Opernplatz und König-Heinrich-Platz kurzerhand zur Spielstraß­e.

Der Umbau konnte aus städtische­n Eigenmitte­ln aus dem Verkauf der Fläche der alten Mercatorha­lle finanziert werden. „Ist ungewöhnli­ch, aber funktionie­rt gut“, sagt der Beigeordne­te über diese „kreative Lösung“und ist sicher: „Über ein Förderprog­ramm hätte das niemals funktionie­rt.“

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FOTOS: STEFAN AREND Beispiel für eine bessere Basisfinan­zierung von Bund und Land in Duisburg: Die Zone vor dem Stadttheat­er.
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Der Neubau des Karl-Lehr-Brückenzug­e ist das größte geförderte Einzelproj­ekt, das derzeit in der Stadt umgesetzt wird.

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