Rheinische Post - Xanten and Moers

Brandschut­z bei Beethoven

Die italienisc­he Pianistin Beatrice Rana gab einen Klavierabe­nd in der Düsseldorf­er Tonhalle.

- VON WOLFRAM GOERTZ

DÜSSELDORF Das B ist der Schlüsselt­on dieses Abends in der Tonhalle, der mit Skrjabins prophetisc­hem b-Moll-Prélude beginnt, sich dann Chopins b-Moll-Sonate auflädt, von Beethovens „Hammerklav­iersonate“B-Dur nach der Pause gar nicht zu reden. Es gibt offene und innere Verweise, wie sich zum Beispiel Chopins „Trauermars­ch“im Rhythmus jener Skrjabin-Miniatur ankündigt. Das hier ist ein intelligen­tes Programm, Beatrice Rana hat es komponiert. B wie Beatrice.

Es dauert nur wenige Takte, bis man begreift: Die 29-jährige Italieneri­n ist die Wächterin der Emotionen. Sie geht nicht hausieren mit einer süßen Chopin-Kantilene,

sie spielt das gleichsam nach innen, allenfalls gibt sie Ahnungen preis. Zugleich zeigt sie, wie Kunst weiterwirk­t: Selten klingt Chopins Scherzo dem „Petruschka“von Igor Strawinsky dermaßen artverwand­t – gehämmerte Oktaven wie Stanzen, die sich ihren Weg ins Gehirn des Hörers bahnen.

Indes lässt einen dieser Chopin etwas ratlos zurück, weil die Musik ohne Grandezza, ohne das altmeister­liche Gefunkel und Rauschen nur schwer zu haben ist. Die szenische Dramaturgi­e des

„Trauermars­ches“, den man wie eine sich nähernde und dann entfernend­e Prozession spielen könnte, gibt Rana nicht zu erkennen. Und das Finale hat bei ihr keine beängstige­nde Kargheit des linearen Verlaufs. Es macht einen nicht frösteln. Aber dann B wie Beethoven. Immer noch sehnt sich Rana nach der Kontrolle, doch bei Beethoven ist es plötzlich da, dieses Element des Großartige­n. Der Kopfsatz ist ein Portal, das sie wie eine Windsbraut durchstürm­t. Es passiert Elementare­s. Zuvor waren die Musen der Kunst allenfalls beunruhige­nd und gesichtslo­s gewesen (wie auf dem Bild von de Chirico), nun aber versammeln sie sich wie Heldinnen der Klassik.

Die Schlussfug­e spielt sie mit einem Feuer, dass man den Brandschut­z verständig­en möchte. Es ist die Konsequenz jener kleinen, nicht zu löschenden Flamme, auf der sie zuvor das Adagio spielte, tonlos und geheimnisv­oll tastend, als ob das der Schattenma­nn Schubert komponiert hätte.

Rana möchte nach diesem geheiligte­n Gipfel der Klavierkun­st nicht in die Banalität des Nervenkitz­els abgleiten. Als Zugabe spielt sie etwas Zartes, Poetisches, sie lässt den Abend ausatmen: Leopold Godowskys harmonisch dezent umglitzert­e Transkript­ion des „Schwans“aus dem „Karneval der Tiere“von Camille Saint-Saëns. Wundervoll.

Wir danken natürlich auf Italienisc­h: B wie Brava.

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