Rheinische Post - Xanten and Moers
Und der Kriegsherr lächelt
Trotz der Niederlagen in der Ukraine und Gegenschlägen mit Drohnen auf russische Militärbasen zeigt sich Wladimir Putin unbeirrt – und vergleicht sich mit den Zaren.
des Präsidentenamtes, Andrij Jermak. Das Signal aus Kiew: Nichts in Russland soll mehr sicher sein.
Der Angriff tief im russischen Hinterland kommt dabei nicht völlig überraschend. Bereits 2020 war der Prototyp einer Kampfdrohne mit dem Namen Sokil-300 (Deutsch: Falke-300) vom Kiewer Entwicklungsbüro Lutsch präsentiert worden. Im Oktober hatte der staatliche Rüstungskonzern Ukroboronprom die baldige Produktion von Kampfdrohnen mit einer Reichweite von 1000 Kilometern und einer Nutzlast von 75 Kilogramm angekündigt.
„Ich hoffe sehr, dass wir noch vor dem neuen Jahr den Gegner sehr überraschen können“, sagte Ukroboronprom-Manager Oleh Boldyrjew damals im ukrainischen Fernsehen. „Wir haben keinen Vorteil bei der Artillerie, und wie ich fürchte, werden wir nie einen haben“, meinte der Rüstungsexperte. Daher komme die Konzentration auf bewaffnete Drohnen mit großer Reichweite. Damit wäre auch die etwa 600 Kilometer
entfernte russische Hauptstadt Moskau erreichbar.
Seit Langem schon fordert die Ukraine von den USA und anderen Nato-Staaten Angriffswaffen mit größerer Reichweite, um russische Truppen zurückzudrängen. Der Westen zögert, auch weil er verhindern will, dass der Krieg durch Attacken gegen Russland weiter eskaliert. Zwar warnt nicht zuletzt Moskau immer wieder vor einer solchen neuen Dimension des Kriegs. Aber klar ist auch, dass Russland den ukrainischen Angriffen bisher kaum etwas entgegenzusetzen weiß. Auch kremlkritische Kommentatoren wundern sich schon seit Längerem, dass Putin die Attacken nicht zum Anlass nimmt, noch stärker zurückzuschlagen. Vor allem für die Luftüberwachung und Flugabwehr der stolzen Atommacht gelten die Angriffe als Bloßstellung.
Freilich hat Putin schon mehrfach Schläge gegen russisches Gebiet beklagt und sie als Vorwand für Raketenangriffe genutzt. Allerdings hat er bisher immer noch nicht das Millionenheer von der Armee über die Nationalgarde bis hin zu den Kampftruppen des Innenministeriums in Bewegung gesetzt. Vielmehr betonte er gerade noch einmal, dass es keine weitere Mobilmachung von Reservisten geben solle.
Allerdings setzt Putin auf seinen Vertrauten, den Geschäftsmann Jewgeni Prigoschin, der in seiner paramilitärischen Truppe „Wagner“Freiwillige und Strafgefangene kämpfen lässt. Vor dem Tag des Helden des Vaterlands am Freitag feierte Putin mit Sekt im Kreml, dass Russland trotz des „Lärms im Westen“seinen Kampf fortsetze.
Noch am Vortag lächelte der Präsident bei einem Treffen mit Funktionären die vielen Misserfolge der Invasion weg. Russland sei um neue Gebiete gewachsen, meinte er mit Blick auf die annektierten Regionen: „Das ist doch ein bedeutendes Ergebnis für Russland.“Und er zog einmal mehr Parallelen zwischen sich und Zar Peter dem Großen, der noch um den Zugang zum Asowschen Meer gekämpft habe. Putin meinte nun stolz, dass es unter ihm jetzt zu einem russischen Binnenmeer geworden sei.
Kremlkritiker kommentierten, dass Putin damit mehr als deutlich gemacht habe, dass es ihm bei seinem Krieg um Landraub und die Wiederherstellung eines Imperiums gehe. Sie veröffentlichten Videoclips in sozialen Netzwerken von Putins Aussagen, der noch zu Kriegsbeginn gesagt hatte, dass Russland keine ukrainischen Gebiete besetzen werde. Eine von vielen Lügen, wie weithin betont wurde.
Doch unter Russlands kremlnahen Militärbloggern und den Ultranationalisten kommen Putins gewaltsame Annexionen gut an. Sie sehen – wie westliche Experten auch – den Winter als Gelegenheit, sich neu aufzustellen, Raketen und Munition zu produzieren. Im Frühjahr könnte es dann zu einer neuen Großoffensive kommen.