Rheinische Post - Xanten and Moers
Indonesien verschärft seine Strafgesetze
Bali ist ein Traumziel für Urlauber und Aussteiger. Doch auf Druck islamischer Kräfte im Land gibt es jetzt neue rechtliche Regelungen, die auch für Ausländer zum Problem werden könnten.
JAKARTA/SYDNEY Die Balinesen sind Rückschläge gewohnt. Während der Pandemie kam der Tourismus auf der Insel zum Erliegen. Zuvor hatten Bombenanschläge und Vulkanausbrüche die Besucherzahlen einbrechen lassen. Nun kommt zu dieser Liste ein neues Strafgesetz, das das indonesische Parlament jetzt verabschiedet hat – ein Gesetz, das „den Tourismus auf Bali zerstören“könnte, wie Phil Robertson, stellvertretender Asien-Direktor bei der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, auf Twitter schrieb.
Auch von anderen Stellen in der Branche ist durchgesickert, dass man die neuen Strafgesetze für kontraproduktiv beim geplanten Ausbau des Tourismussektors halte. Denn eigentlich hat die indonesische Regierung gleich mehrere Initiativen gestartet, um mehr Ausländer ins Land zu holen. Neben einem Visum für digitale Nomaden will das Land Ausländer künftig mit einem neuen Zweitwohnsitz-Visum anlocken. Seit Anfang 2020 plant der südostasiatische Inselstaat zudem zehn „neue Balis“: Touristenziele, die besser erschlossen werden sollen – wie Mandalika auf der Insel
Lombok, der Tobasee in Nord-Sumatra oder Labuan Bajo, das „Gateway“zum Komodo-Nationalpark mit seinen Komodowaranen.
Die neuen Gesetze haben international für Aufsehen gesorgt. Denn sie sehen unter anderem vor, dass Paare strafrechtlich verfolgt werden können, wenn sie außerehelichen
Sex haben oder vor der Ehe zusammenleben. Auch Ehebruch gilt als ein Vergehen, das eine zwölfmonatige Gefängnisstrafe nach sich ziehen kann. Menschenrechtsorganisationen bezeichneten die neuen Gesetze als einen erheblichen Schlag für die Menschenrechte. Der Kodex enthalte Artikel, die die Rechte von Frauen, religiösen Minderheiten sowie Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Menschen verletzten, erklärte Human Rights Watch.
Derzeit leben Millionen Paare in Indonesien ohne Heiratsurkunde. Sie alle würden damit theoretisch gegen das Gesetz verstoßen.
Besonders trifft dies indigene Völker, aber auch viele Muslime, die in ländlichen Regionen nur mit islamischen Zeremonien, den sogenannten Kawin Siri, verheiratet werden.
Das neue Strafgesetz soll aber erst nach einer dreijährigen Übergangsperiode in Kraft treten. Damit könnte es in der Zwischenzeit noch vor Gericht angefochten werden. Human Rights Watch sieht in den neuen Regelungen jedoch eine „Reaktion auf den zunehmenden religiösen Konservatismus“im mehrheitlich muslimischen Indonesien, wo Teile des Landes strenge islamische Kodizes durchsetzen. Im touristischen Hotspot Bali ist die Bevölkerung aber überwiegend hinduistisch. Deswegen herrschte dort bislang ein liberaleres Umfeld, das westliche Touristen anspricht. Doch das könnte sich jetzt ändern. „Müssen Touristenpaare nachweisen, dass sie verheiratet sind?“, fragte sich Putu Winastra, Vorsitzender der größten Tourismusgruppe des Landes, der Association of The Indonesian Tours And Travel Agencies. „Jetzt werden ausländische Touristen es sich zweimal überlegen, nach Bali zu reisen, weil sie wegen Gesetzesverstößen inhaftiert werden könnten.“
Auch Ian Yeoman, außerordentlicher Professor für Tourismus an der neuseeländischen Victoria University of Wellington, sagte, dass ohne Sex kein Tourismus möglich sei. „Es gibt die ganze Hochzeitsbranche, die Romantikbranche, den Liebestourismus“, berichtete er im Interview mit dem neuseeländischen Nachrichtenmedium „Stuff“. All das setze voraus, dass man dies im Urlaub auch tun dürfe.
Trotzdem wird Urlaubern – sollte
das Gesetz in drei Jahren tatsächlich in Kraft treten – wohl weniger das Thema außerehelicher Sex Schwierigkeiten bereiten. Denn dieses Vergehen kann nur von einem engen Familienmitglied angezeigt werden. Damit trifft es vermutlich eher die indonesische Bevölkerung als Besucher aus dem Ausland.
Häufiger könnten Urlauber die neuen Gesetze dagegen bei anderen Ordnungswidrigkeiten zu spüren bekommen, bei denen ebenfalls hart durchgegriffen werden soll. So stehen Geld- und teilweise Gefängnisstrafen auf Trunkenheit an öffentlichen Plätzen, auf das Bereitstellen von Alkohol für bereits Betrunkene, auf den Besitz von pornografischem Material und auf Sex an einem öffentlichen Ort. Auch bei Drogenbesitz, -handel und -import werden weiterhin harte Strafen verhängt. Diese Vergehen ziehen weiterhin ein Minimum von drei und ein Maximum von 20 Jahren im Gefängnis nach sich.