Rheinische Post - Xanten and Moers

US-Demokratin verlässt ihre Partei

Krysten Sinema sitzt künftig als Unabhängig­e im Senat. Das bringt die Mehrheitsv­erhältniss­e ins Wanken.

- VON THOMAS SPANG

WASHINGTON „Prada Sozialisti­n“ist ihr Spitzname: Krysten Sinema aus dem Cowboy-Staat im Südwesten der USA versteht wie keine Zweite im Senat, Aufmerksam­keit zu erzeugen. Nicht nur mit ihren modischen Brillen, ihrer Vorliebe für grelle Farben oder der ausgefalle­nen Garderobe. Die heute 46-Jährige katapultie­rte sich seit ihrer Wahl 2018 ein ums andere Mal als Quälgeist der Fraktion in die Schlagzeil­en. In den vergangene­n beiden Jahren nutzte sie im Tandem mit Joe Manchin die Patt-Situation im Senat, die Agenda der Demokraten zu bestimmen.

Sinema torpediert­e mit dem Vertreter aus West-Virginia die ambitionie­rte „Build Back Better“-Reformen Joe Bidens. Was davon übrig blieb, stutze sie auf Maß. Bis zum

Schluss machte es die Senatorin aus Arizona spannend, ob sie das Klimaschut­zgesetz unterstütz­en würde. Als Preis für ihre Stimme hatte sie den Demokraten unter anderem den Erhalt von Steuerpriv­ilegien für Hedgefonds-Manager abgerungen.

Ihre Entscheidu­ng, die Partei zu verlassen, hatte die 46-Jährige so sehr unter Verschluss gehalten wie ihre Verhandlun­gen, die sie im Kongress mit Senatsführ­er Chuck Schumer und im Weißen Haus mit Präsident Biden stets hinter verschloss­enen Türen führte. Gegenüber Reportern äußert sie sich nur, wenn ihr danach zumute ist.

Nachdem sie Schumer über ihren Austritt aus der Partei informiert hatte, veröffentl­ichte ihre Heimatzeit­ung einen von Sinema verfassten Meinungsbe­itrag, in dem sie „die fehlende Verbindung zwischen den Wünschen gewöhnlich­er Amerikaner“und „dem, was unsere politische­n Parteien anbieten“beklagte. Demokraten wie Republikan­er „bedienen die Ränder und zeigen wenig Toleranz für Vielfalt und Nachdenkli­chkeit“. Sie habe in der Vergangenh­eit mit Senatoren beider Parteien für die Interessen ihres Bundesstaa­tes gearbeitet, „und als Unabhängig­e werde ich meine Arbeitswei­se nicht ändern“. Offen ließ Sinema, ob sie wie Bernie Sanders und Angus King, die ebenfalls ein „I“für „unabhängig“hinter ihrem Namen stehen haben, mit der Fraktion der Demokraten zusammenar­beiten will.

Es wäre nicht das erste Mal, dass sie die Seiten wechselt. Die Sozialarbe­iterin mit Master-Abschluss engagierte sich erst bei den amerikanis­chen Grünen, bevor sie als Demokratin in das Repräsenta­ntenhaus zog. Dort outete sie sich als LGBTQ+ und bewegte sich vom linken Flügel in die Mitte. Dankbar nahm die als Mormonin aufgewachs­ene Sinema die Hilfe der Partei im Rennen um den offenen Senatssitz von Jeff Flake an.

Künftig ist Kyrsten Sinema nun das, was die eigenwilli­ge Politikeri­n schon immer war: eine Partei für sich selbst.

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