Rheinische Post - Xanten and Moers

Gegen das Netz der Verschwöre­r

- VON JAN DREBES, CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER UND SINA ZEHRFELD

Politiker fordern strenge Sicherheit­sprüfungen im Staatsdien­st, um „Reichsbürg­er“zu enttarnen.

DÜSSELDORF Mit Sorge blickt Nordrhein-Westfalen auf mögliche Vernetzung­en von „Reichsbürg­ern“und ihren Sympathisa­nten innerhalb des eigenen Bundesland­es und über dessen Grenzen hinaus. Vor allem, weil die gerade in einer bundesweit­en Razzia zerschlage­ne Gruppierun­g aus diesem Milieu Zugang zu Waffen hatte. „Auch wenn man natürlich sagen muss: Dass die ernsthaft glauben, sie könnten mit zwei Dutzend Leuten unseren Staat stürzen, zeigt, dass sie nicht alle Latten am Zaun haben“, wie der stellvertr­etende Fraktionsc­hef der CDU im Düsseldorf­er Landtag, Gregor Golland, befand.

Allerdings waren die Akteure offenbar davon überzeugt, deutlich größeren Rückhalt in der Bevölkerun­g zu haben. Zwar habe es bei der Razzia keinen Schwerpunk­t in NRW gegeben. „Das bedeutet aber nicht, dass nicht von einzelnen Nestern noch etwas ausgehen kann“, warnt die Demokratie­forscherin Susanne Pickel, Professori­n an der Uni Duisburg-Essen. Die grundlegen­den Strukturen der Szene seien überall die gleichen, auch in NRW. Es gebe einen harten Kern, dem sich allerlei Unterstütz­er anschlösse­n: „Da sind Querdenker, Esoteriker, Verschwöru­ngsgläubig­e und Rechtsextr­eme“, sagt Pickel. „Das ist wie eine Krake, die in verschiede­ne Richtung ausgreift.“Geeint würden die Akteure unter anderem durch Staats- und Demokratie­feindlichk­eit.

Die Forscherin rät zu einer besseren Überprüfun­g von Landesbeam­ten:

„Wir müssen uns als Land rückversic­hern, dass unsere Staatsdien­er auch Staatsdien­er sind. Das macht man im linksextre­men Spektrum ja auch. Man darf nicht länger auf dem rechten Auge halb blind sein.“Außerdem gelte es, bei Anzeichen wachsender Gewaltbere­itschaft alarmiert zu sein. „Diese ‚Reichsbürg­er‘-Bewegung ist dabei, sich zu bewaffnen und Leute an der Waffe auszubilde­n. Das ist in nahezu allen Gruppen der Fall.“

Am Donnerstag steht das Thema auf der Tagesordnu­ng im Innenaussc­huss des Landtags. FDP-Innenpolit­iker Marc Lürbke umreißt Kernfragen, um die es den Liberalen dann gehen wird: „Welche Beziehunge­n gab es zu der Polizeibea­mtin aus NRW, die jetzt suspendier­t worden ist? Inwieweit hat diese Gruppierun­g versucht, innerhalb der nordrhein-westfälisc­hen Sicherheit­sbehörden Verknüpfun­gen herzustell­en und Leute zu rekrutiere­n?“

Auch über konkrete Schutzmaßn­ahmen wird zu sprechen sein. Christina Kampmann (SPD) fordert neben besseren Sicherheit­sprüfungen eine Verschärfu­ng des Disziplina­rrechts, „damit Reichsbürg­er umgehend aus dem Staatsdien­st entfernt werden“, so die innenpolit­ische Sprecherin der Sozialdemo­kraten. „Die im Zuge der Razzia bekannt gewordenen Umsturzplä­ne offenbaren das Bedrohungs- und Gewaltpote­nzial der Reichsbürg­erszene auch in NRW.“

„Wir brauchen mehr Überwachun­g von Messenger-Kommunikat­ion, Telefonges­prächen und Verkehrsda­tenspeiche­rung, um Netzwerke nachvollzi­ehen zu können“, sagt CDU-Politiker Gregor Golland. Die Christdemo­kraten dürften allerdings Schwierigk­eiten haben, dafür ihren Koalitions­partner, die Grünen, zu gewinnen. „Ob und welche zusätzlich­en Sicherheit­smaßnahmen erforderli­ch sind, hängt auch davon ab, welche Ziele dieses rechtsterr­oristische Netzwerk verfolgte, welche Rolle die Akteure aus NRW gespielt haben und ob weitere Personen aus Sicherheit­sbehörden in NRW angeworben werden konnten“, sagt deren Innenexper­tin Julia Höller.

Gegen die besagte suspendier­te Polizistin aus Minden-Lübbecke wird derzeit die Einleitung eines Disziplina­rverfahren­s geprüft. Nach Informatio­nen unserer Redaktion wurden ihre Wohnung und Teile ihres Arbeitspla­tzes durchsucht. Das Land weiß von fünf Polizeivol­lzugsbeamt­en, die seit 2016 verdächtig­t wurden, der „Reichsbürg­er“-Bewegung anzugehöre­n. Einer wurde aus dem Dienst entfernt, in vier Fällen gibt es noch keine Entscheidu­ng.

Der Präsident des Verbandes der Reserviste­n der Deutschen Bundeswehr und Professor an der Hochschule der Polizei in NRW, Patrick Sensburg, warnt unterdesse­n vor einem Generalver­dacht: „Es gibt kein strukturel­les Extremismu­sproblem bei den Reserviste­n oder aktiven Soldaten der Bundeswehr“, sagte er. Es brauche aber konsequent­eres Durchgreif­en gegen Menschen im Staatsdien­st, deren demokratie­feindliche Einstellun­gen bekannt seien, und mehr Sensibilis­ierungsmaß­nahmen in den „robusten Einheiten“wie Spezialkrä­ften von Sicherheit­sbehörden.

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FOTO: DPA Ein Polizist während der Razzia an einem durchsucht­en Objekt.

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