Rheinische Post - Xanten and Moers

„Wir haben keinerlei Reserven beim Gas“

Der RWE-Chef sagt, was er von einer Laufzeitve­rlängerung für Atomkraft, einem Einstieg bei Uniper und Robert Habeck hält.

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Herr Krebber, die Energiekri­se hält an. Wie sind die Winterauss­ichten? KREBBER Deutschlan­d hat alles getan, was möglich war, Haushalte und Industrie sparen Gas. Und der Oktober war so mild, dass die Speicher kaum gebraucht wurden. Doch das ist keine Entwarnung. Wir haben keinerlei Reserven.

Wie sieht es beim Strom aus? Haben Sie Sorge vor einem Blackout – zumal in Frankreich viele Atommeiler ausfallen?

KREBBER Deutschlan­d wird im Winter so viel Strom nach Frankreich exportiere­n wie noch nie. Die Probleme der französisc­hen Kernkraftw­erke sind auch der Grund dafür, dass bei uns so viele Gaskraftwe­rke laufen. Dennoch bin ich einigermaß­en optimistis­ch, dass wir beim Strom gut durch den Winter kommen. Wir holen alle Kraftwerke zurück ans Netz, die verfügbar sind.

Auch die drei deutschen Atommeiler laufen nun bis April. Warum nicht länger?

KREBBER Die Verlängeru­ng der Laufzeit bis April war eine politische Entscheidu­ng, die ich nachvollzi­ehen kann. Statt das Thema weiter zu diskutiere­n, sollten wir unsere Energie lieber auf die Frage konzentrie­ren, welche Weichenste­llungen notwendig sind, um im Jahr 2030 eine nachhaltig­e und moderne Energiever­sorgung zu erreichen. Dabei spielen vier Gigawatt Kernenergi­e keine entscheide­nde Rolle.

Was, wenn Herr Habeck Sie bittet, doch noch mal Brennstäbe für den RWE-Meiler Emsland zu bestellen? KREBBER Alle Entscheidu­ngsträger kennen die Restriktio­nen und Vorlaufzei­ten für neue Brennstäbe, die man Monate im Voraus ordern muss. Ich erwarte derzeit nicht, dass die Kernkraftw­erke über den April hinaus am Netz bleiben. So hat es auch der Kanzler entschiede­n.

Gezerre um Atomkraft, gefloppte Gasumlage – Ihre Note für Robert Habeck?

KREBBER Es steht mir nicht zu, Schulnoten zu verteilen. Der Bundeswirt­schaftsmin­ister ist in dieser Krise extrem gefordert. Da ist es gut, wenn Entscheidu­ngen auch mal revidiert werden können. Die Regierung macht in der Krise bisher gute Arbeit.

Wie zufrieden sind Sie mit den Preisbrems­en?

KREBBER Zur Entlastung der Bürger und Betriebe hat die Bundesregi­erung einen guten Kompromiss zwischen dem Mach- und dem Wünschbare­n gefunden. Aber die

Maßnahmen sind schon jetzt extrem komplex.

Aber warum entlastet der Staat nicht nur Bedürftige, sondern alle? KREBBER In der Gaskommiss­ion, deren Mitglied ich war, gab es eine Grundsatzd­ebatte: Erfolgt die Entlastung über Sozialkass­en und Steuern – oder über die Energiever­sorger? Die Bundesregi­erung hat vorgegeben, über die Versorger zu gehen. Denn der Bund hat – auch wegen der mangelnden Digitalisi­erung – bislang keine systematis­che Möglichkei­t, allen Bürgern direkt Geld zukommen zu lassen.

Nun werden auch Gutverdien­er entlastet.

KREBBER Die Versorger wissen nicht, was hinter dem Zähler ist – ein Sechs-Familien-Haus oder eine Villa mit Pool. Aber eins ist klar: Hier geht es nur ums Abfedern. Auf Bürger und Betriebe kommen deutliche Preissteig­erungen zu.

Finanziert werden soll das durch Abschöpfun­g von Gewinnen. Können Sie damit leben?

KREBBER Grundsätzl­ich ist es schwierig, dass der Staat Gewinne je nach Branche unterschie­dlich behandelt. Doch RWE will in dieser Krise ihren Beitrag leisten. Wir können mit der Gewinnabsc­höpfung leben, da sie nicht rückwirken­d erhoben wird und zeitlich befristet ist. Der Staat darf die Investitio­nen und das Vertrauen in den Standort nicht beschneide­n.

Wie viel wird RWE überweisen müssen? Für dieses Jahr erwarten Sie einen Gewinn von bis zu 3,9 Milliarden Euro.

KREBBER Das werden wir sehen, wenn wir die Preise für das nächste Jahr kennen. Wir rechnen aber mit signifikan­ten Beträgen, die wir zahlen müssen, in Deutschlan­d und anderen europäisch­en Ländern.

Wann profitiere­n Ihre Aktionäre und damit viele NRW-Kommunen von den steigenden Gewinnen? KREBBER Für 2022 halten wir die Dividende stabil, wir investiere­n die Gewinne in den Ausbau unseres Geschäftes. Zu gegebener Zeit werden wir auch die Aktionäre an steigenden Gewinnen beteiligen.

RWE ist ein Gewinner der Krise. KREBBER RWE ist kein Krisengewi­nner. Wir mussten wegen des Krieges und Lieferstop­ps rund eine Milliarde Euro abschreibe­n. Wir helfen, wo wir können, zur Sicherung der Energiever­sorgung, bauen LNG-Terminals und bringen Kraftwerke zurück ans Netz. Wir mussten 1000 Mitarbeite­r,

die auf dem Weg in den Ruhestand waren, überzeugen, ihre Pläne zu ändern, damit die Kohlekraft­werke länger am Netz bleiben.

Damit sind wir im Rheinische­n Revier. Wann roden Sie Lützerath? KREBBER Dies ist eine Entscheidu­ng der Landesregi­erung. Da dies nicht ohne eine Räumung der besetzten Häuser gehen wird, sind wir auf die Polizei angewiesen. Das Land peilt die Räumung nach eigenen Aussagen im Januar an.

Erwarten Sie ähnliche Bilder wie einst aus dem Hambacher Forst? KREBBER Bei allem Verständni­s für Proteste: Ich hoffe, dass es keine Szenen wie bei der Räumung des Hambacher Forstes gibt. Hier geht es nicht um einen Wald, sondern um wenige Häuser, deren Bewohner längst ausgezogen sind. Es gibt

Blick in die Zukunft: Ist es denkbar, dass Deutschlan­d irgendwann wieder russisches Gas importiert? KREBBER Das ist eine politische Frage. Wenn es Frieden gibt, ist die Aufnahme wirtschaft­licher Beziehunge­n wieder denkbar. Auch Deutschlan­d ist nach 1945 in die Weltwirtsc­haft zurückgeke­hrt. Wenn überhaupt, dann wird Russland allenfalls einer von vielen Gasliefera­nten sein. Doch zum jetzigen Zeitpunkt stellt sich diese Frage überhaupt nicht.

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FOTO: ANNE ORTHEN

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