Rheinische Post - Xanten and Moers
Eine Institution verabschiedet sich
Gisela Cagnolati hört nach 58 Jahren in der Rheinberger Einhorn-Apotheke auf. 1964 begann sie als 14-Jährige ihre Ausbildung bei Otto Sonderkamp. Sie habe immer gerne gearbeitet, erzählt die Pharmazeutisch-Technische Assistentin.
RHEINBERG Zum Arbeiten kommt Gisela Cagnolati in diesen Tagen so gut wie gar nicht. Kaum macht sie sich auf den Weg in die Hinterräume der Einhorn-Apotheke, verlangt schon jemand nach ihr. So fragt ein älterer Herr mit Mütze und Maske: „Ist Frau Cagnolati da?“Ja, ist sie, und schon kehrt sie um und steht im weißen Kittel vor dem Kunden. Der reicht der 72-Jährigen die Hand und dankt für die vielen, vielen Jahre: „Danke, dass du uns immer so gut beraten hast, Gisela. Alles Gute!“
Gisela Cagnolati ist eng mit der 104 Jahre währenden Geschichte der Rheinberger Einhorn-Apotheke verbunden. Man könnte auch sagen: Sie ist eine Institution im Haus an der Gelderstraße 8 in der Fußgängerzone. 58 Jahre hat die Pharmazeutisch-Technische Assistentin (PTA) dort gearbeitet.
Gisela Cagnolati hat in 58 Jahren Apotheke viel erlebt
Am 1. April 1964 begann sie ihre Ausbildung zunächst zur Apothekenhelferin. Damals war noch Otto Sonderkamp der Inhaber, der Großvater von Vera Peschers-Sonderkamp, die die Apotheke seit 15 Jahren führt. Nun macht Gisela Cagnolati endgültig Feierabend und geht in den Ruhestand. Auf die Frage, warum erst jetzt, sagt sie knapp: „Warum nicht? Ich wollte nicht zu Hause rumsitzen.“
Eigentlich habe sie Säuglingsschwester werden wollen, erinnert sich die freundliche Frau. „Aber dazu musste man damals 18 Jahre alt sein.“Ihre Lehrerin Josefine Sonderkamp, die Schwester von Otto Sonderkamp, stellte dann die Weichen. „So kam ich in die Apotheke und habe drei Generationen der Familie Sonderkamp erlebt“, erinnert sie sich. Erst Otto, dann dessen Sohn Günter und nun Vera Peschers-Sonderkamp, die sagt: „Gisela ist unglaublich. Immer noch up to date, kann noch alles am Computer, kennt alle Kunden, hat immer mit Herz und Leidenschaft gearbeitet und kann super organisieren.“Gisela Cagnolati weiß, dass sie ihre Kollegen mit ihrem Ordnungsfimmel manchmal verrückt gemacht hat, sagt aber: „Mir hat die Arbeit immer Spaß gemacht. Und in Frau Peschers-Sonderkamp
habe ich nicht nur eine gute Chefin, sondern auch eine Freundin gefunden.“
An ihren ersten Arbeitstag hat sie keine besonderen Erinnerungen. „Ich war ja ein Nachbarskind, meine
Eltern hatten ein paar Türen weiter ein Uhrmachergeschäft“, erzählt sie. „Ich kannte ja alle in der Apotheke.“Dieses Uhren- und Schmuckgeschäft hat Gisela Cagnolati später von ihren Eltern übernommen, sie hat es von 1999 bis 2015 neben ihrer Arbeit in der Apotheke geführt. Dass sie mal hier und mal dort anzutreffen war, führte bei manchen Rheinbergern zu Irritationen.
Die Arbeit in der Apotheke hat sich stark verändert. Gisela Cagnolati: „Früher haben wir viel mehr selbst gemacht. Da haben wir Pillen gedreht und Zäpfchen selbst gegossen.“Gern erinnert sie sich an Präparate, die ihr Lehrmeister Otto Sonderkamp selbst erfunden hatte: „Otsolax“etwa oder „Otsopyrin“.
Während sie das erzählt, steht schon die nächste Kundin bereit: „Ist Frau Cagnolati da? Ich wollte mich gerne von ihr verabschieden.“Und schon ist die Frau im Kittel entwischt – nicht, ohne begeistert zu erwähnen, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Einhorn-Apotheke ihr einen wunderschönen Strandkorb zum Abschied geschenkt haben. Für ihren Garten. Damit sie auch in Rheinberg ein bisschen Nordsee-Feeling genießen kann. Denn Gisela Cagnolatoi liebt ausgiebige Strandspaziergänge auf Norderney. „Dazu komme ich nun hoffentlich öfter“, sagt sie.
„Früher haben wir viel mehr selbst gemacht. Da haben wir Pillen gedreht und Zäpfchen selbst gegossen“