Rheinische Post - Xanten and Moers
Die Pflege braucht eine starke Stimme
Die Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen soll an diesem Freitag feierlich ins Leben gerufen werden. Die Befürworter führen ins Feld, dass die Beschäftigten der Pflege damit gegenüber den politischen Entscheidungsträgern endlich eine starke Stimme bekommen. Und wenn man sich anschaut, wie wenig sich nach all dem Balkon-Applaus für die Pflegekräfte zu Beginn der Corona-Pandemie in deren Alltag geändert hat, dann ist eine starke Stimme wohl nötiger denn je. Allerdings ist es im höchsten Maße fraglich, wie stark diese Stimme tatsächlich sein kann, wenn gerade einmal sechs Prozent der geschätzt 220.000 Beschäftigten im Land sich überhaupt aktiv für die Einrichtung einer Pflegekammer ausgesprochen haben. Das ist ein gravierendes Legitimationsproblem, das die Befürworter nicht einfach ignorieren können.
Deshalb dürfen sich die Verantwortlichen einer echten Beschäftigtenbefragung nicht verschließen. Natürlich ist der Aufwand für eine Urabstimmung, wie sie nun Verdi und die SPD fordern, nicht zu unterschätzen. Aber wenn man am Ende ohnehin mit der Kammer eine Pflichtmitgliedschaft bekommt, dann dürfte die Erfassung der Mitglieder sowieso unumgänglich sein. Und wenn die Befürworter tatsächlich die besseren Argumente auf ihrer Seite haben, müssen sie eine solche Abstimmung nicht fürchten.
Das Kalkül von Verdi ist im Übrigen klar: Auch wenn die Gewerkschaft inhaltlich nicht mit der Kammer konkurriert – schließlich ist nur sie für Tarifverhandlungen zuständig –, geht es bei dem Streit ums Geld der Beschäftigten. Die Gewerkschaft finanziert sich ebenfalls aus Mitgliedsbeiträgen. Wenn nun aber das Gehalt schon durch den Kammerbeitrag geschmälert ist, dann wird es schwieriger werden, Menschen, die ohnehin nicht zu den Großverdienern zählen, zu einer Gewerkschaftsmitgliedschaft zu bewegen.