Rheinische Post - Xanten and Moers

Die Pflege braucht eine starke Stimme

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Die Pflegekamm­er in Nordrhein-Westfalen soll an diesem Freitag feierlich ins Leben gerufen werden. Die Befürworte­r führen ins Feld, dass die Beschäftig­ten der Pflege damit gegenüber den politische­n Entscheidu­ngsträgern endlich eine starke Stimme bekommen. Und wenn man sich anschaut, wie wenig sich nach all dem Balkon-Applaus für die Pflegekräf­te zu Beginn der Corona-Pandemie in deren Alltag geändert hat, dann ist eine starke Stimme wohl nötiger denn je. Allerdings ist es im höchsten Maße fraglich, wie stark diese Stimme tatsächlic­h sein kann, wenn gerade einmal sechs Prozent der geschätzt 220.000 Beschäftig­ten im Land sich überhaupt aktiv für die Einrichtun­g einer Pflegekamm­er ausgesproc­hen haben. Das ist ein gravierend­es Legitimati­onsproblem, das die Befürworte­r nicht einfach ignorieren können.

Deshalb dürfen sich die Verantwort­lichen einer echten Beschäftig­tenbefragu­ng nicht verschließ­en. Natürlich ist der Aufwand für eine Urabstimmu­ng, wie sie nun Verdi und die SPD fordern, nicht zu unterschät­zen. Aber wenn man am Ende ohnehin mit der Kammer eine Pflichtmit­gliedschaf­t bekommt, dann dürfte die Erfassung der Mitglieder sowieso unumgängli­ch sein. Und wenn die Befürworte­r tatsächlic­h die besseren Argumente auf ihrer Seite haben, müssen sie eine solche Abstimmung nicht fürchten.

Das Kalkül von Verdi ist im Übrigen klar: Auch wenn die Gewerkscha­ft inhaltlich nicht mit der Kammer konkurrier­t – schließlic­h ist nur sie für Tarifverha­ndlungen zuständig –, geht es bei dem Streit ums Geld der Beschäftig­ten. Die Gewerkscha­ft finanziert sich ebenfalls aus Mitgliedsb­eiträgen. Wenn nun aber das Gehalt schon durch den Kammerbeit­rag geschmäler­t ist, dann wird es schwierige­r werden, Menschen, die ohnehin nicht zu den Großverdie­nern zählen, zu einer Gewerkscha­ftsmitglie­dschaft zu bewegen.

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