Rheinische Post - Xanten and Moers
Steiler Aufstieg, tiefer Fall
Eva Kaili machte schnell Karriere. Der Korruptionsskandal wirft auch ein Schlaglicht auf die politische Kultur Griechenlands.
ATHEN Viele Menschen in Griechenland kennen Eva Kaili (ausgesprochen „Ka-íli“) noch als Moderatorin des Fernsehsenders Mega-TV. Jetzt machen andere Bilder der 44-Jährigen die Runde. Eines zeigt sie in Doha im Amtszimmer des katarischen Arbeitsministers Ali bin Said bin Samich al-Marri. Auf einem anderen Foto, einem bei Facebook geposteten Selfie, posiert Kaili in der katarischen Wüste mit ihrem Lebensgefährten Francesco Giorgi vor einem Meer aus Sanddünen. „Wenn du einmal in Katar warst, bist du ein anderer Mensch“, kommentierte ein Follower. Es waren aus heutiger Sicht prophetische Worte.
Kaili, griechische Europaabgeordnete und eine von 14 Vizepräsidenten des Parlaments, und Giorgi sind zwei von fünf Personen, die am Freitag von der belgischen Polizei vorläufig festgenommen wurden. Vorausgegangen waren monatelange Ermittlungen. Am Freitag griffen die Fahnder zu: Bei 16 Durchsuchungen fanden sie große Mengen Bargeld – insgesamt um die 600.000 Euro. In Kailis Brüsseler Wohnung habe man „Taschen voller Geld“sichergestellt, berichteten belgische Medien. Die Fahnder beschlagnahmten auch Mobiltelefone und Datenträger. Den Festgenommenen wird
„bandenmäßige Korruption und Geldwäsche“vorgeworfen. Dass die Festnahmen ausgerechnet am 9. Dezember erfolgten, entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Das Datum wird seit 2003 von den Vereinten Nationen als Welt-Anti-Korruptions-Tag begangen.
Die Spur des Geldes führt offenbar nach Katar, zum Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft. Katar, so der Verdacht, könnte mit Geldzuwendungen und wertvollen Geschenken versucht haben, sich Einfluss im Europäischen Parlament zu erkaufen.
Für die griechische Politikerin Kaili ist der Skandal ein tiefer Fall, nach einer früh begonnenen Karriere. Mit nur 26 Jahren wurde die studierte Architektin 2004 in den Rat ihrer Heimatstadt Thessaloniki gewählt. Zuvor hatte sie als Moderatorin beim Sender Mega-TV gearbeitet. Vor allem ihrer Popularität auf dem Bildschirm verdankte Kaili 2007 das Angebot der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok), für einen Sitz im Parlament zu kandidieren. Dort war sie bis 2012 Abgeordnete. Nebenbei schloss sie ein Master-Studium in Internationalen und Europäischen Beziehungen ab. 2014 wechselte Kaili schließlich ins Europäische Parlament. Der „Spiegel“lobte sie bereits 2011 als „Die Weitsichtige“. Die Brüssel-Kenner
von „Politico“nahmen sie einst auf eine Liste der EU-Abgeordneten mit dem größten Einfluss. Im Europäischen Parlament machte sie sich scließlich in Wissenschaftsfragen einen Namen. Sie engagierte sich auch bei den Themen Migration und Kinderschutz.
Auf den Skandal reagierte die Pasok schnell. Parteichef Nikos Androulakis, ebenfalls Europaabgeordneter, schloss Kaili noch am Freitag aus der Partei aus. Auch die Fraktion der Sozialisten und Demokraten (S&D) im Europäischen Parlament suspendierte die Griechin.
Auch wenn offenbar Hunderttausende Euro geflossen sind: Am Ende dürfte es in dieser Affäre nur Verlierer geben. Katar steht als Schurkenstaat da, der sich mit Schmiergeldern politischen Einfluss zu erkaufen versucht. Das Ansehen des Europaparlaments ist schwer beschädigt. Kailis Karriere ist beendet.
Die Affäre in der Europäischen Union wirft jedoch auch ein Schlaglicht auf die politische Kultur Griechenlands, genauer: auf die engen Verbindungen zwischen den Medien und der Politik. Der Journalismus gilt vielen als Sprungbrett ins Parlament und in die Regierung. Wer den Wechsel schafft, hat mit üppigen Abgeordnetendiäten und Pensionsansprüchen ausgesorgt.
Allein in der 156 Abgeordnete zählenden Parlamentsfraktion der regierenden konservativen Nea Dimokratia sitzen 13 prominente Journalistinnen und Journalisten. Die politischen Parteien nutzen die Popularität bekannter Fernsehmoderatoren wie eben Eva Kaili zum Stimmenfang bei den Wählerinnen und Wählern. Und nicht wenige Medienschaffende buhlen mit konformer Berichterstattung um die Gunst der Parteien. Es ist eine verhängnisvolle Wechselbeziehung, bei der die Rolle der Medien als vierte Gewalt, als Kontrollinstanz der Demokratie, in Gefahr gerät. (mit dpa)