Rheinische Post - Xanten and Moers

Zwischen Freude und Chaos

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Nach dem WM-Überraschu­ngssieg der Marokkaner haben Tausende in NRW-Städten überwiegen­d friedlich gefeiert. In Köln und Düsseldorf gab es aber Zwischenfä­lle mit der Polizei. Eskaliert sind die Feiern in den Niederland­en.

DÜSSELDORF Als der Schiedsric­hter am frühen Samstagabe­nd das Viertelfin­alspiel der Fußball-Weltmeiste­rschaft in Katar zwischen Marokko und Portugal abpfeift, kennt der Jubel im sogenannte­n Maghrebvie­rtel im Düsseldorf­er Stadtteil Oberbilk keine Grenzen mehr. Die marokkanis­che Gemeinde feiert auf den Straßen den Sieg ihrer Mannschaft und den historisch­en Einzug des Lands ins Halbfinale – mit Autokorso, Hupkonzert­en und Bengalos.

Der überrasche­nde Einzug der Mannschaft Marokkos hat auch in einigen anderen Städten NordrheinW­estfalens zu spontanen Straßenfei­ern geführt. Vor allem in Aachen, Bonn, Dortmund, Köln, Krefeld und Wuppertal wurde ausgelasse­n gefeiert – und das größtentei­ls friedlich. In Düsseldorf musste die Rheinbahn Straßenbah­nen und Busse rund um den Hauptbahnh­of umlenken. „Achtung Störung“hieß es nach dem Spiel auf der Facebookse­ite der Rheinbahn. „Die Marokkaner feiern dort den Sieg über Portugal, daher werden unsere Busse und Bahnen großräumig umgeleitet“, hieß es zur Begründung. Auch in Aachen behinderte­n die Fans den öffentlich­en Nahverkehr; Buslinien mussten unterbroch­en werden.

Viele Düsseldorf­er gratuliert­en ihren marokkanis­chen Mitbürgern und zeigten auch Verständni­s für die Umleitunge­n der Rheinbahn. „Es sei ihnen gegönnt. Glückwunsc­h zum Sieg“, schrieb ein Mann bei Facebook. „Sauber, lass es krachen“und „Coole Sache“schrieben andere unter den Beitrag der Rheinbahn. Es gab aber auch kritische Stimmen: „Kann man nicht feiern, ohne direkt den ÖPNV lahmzulege­n?“, fragte beispielsw­eise ein User.

Die Polizei war bei den Feiern mit Großaufgeb­oten im Einsatz. In Köln wurden Einsatzkrä­fte aus dem ganzen Stadtgebie­t zusammenge­zogen – unter anderem musste der Hohenzolle­rnring für mehrere Stunden gesperrt werden. Während der Siegesfeie­r wurden in Köln Polizisten aus der Menge heraus mit Flaschen beworfen. Eine Flasche traf einen Polizisten am Helm; er blieb unverletzt. Darüber hinaus wurde die Heckscheib­e eines Streifenwa­gens mit Steinen eingeworfe­n. Die Beamten im Auto blieben unverletzt. Die Polizei kündigte an, auf der Suche nach den Werfern die polizeilic­he Videoüberw­achung auszuwerte­n.

Auch in Düsseldorf sprach die Polizei von einem intensiven und langen Einsatz; Kräfte der Hundertsch­aften der Bereitscha­ftspolizei waren rund um das Maghrebvie­rtel im Einsatz. Vereinzelt kam es laut Polizei zu Böller- und Flaschenwü­rfen auf die Polizei. Ein Polizist wurde dabei verletzt. Zudem gab es Sachbeschä­digungen, ein Böller detonierte in einem Imbiss. Vereinzelt­e

Feiernde sollen auf einen Polizeiwag­en geklettert sein. Auf der Kö wurde zudem Pyrotechni­k gezündet. Erst rund fünf Stunden nach Abpfiff beruhigte sich die Lage in der Landeshaup­tstadt wieder. Die Polizei schrieb mehrere Anzeigen.

In Dortmund und Essen ging es ruhiger zu. In der Innenstadt von

Essen feierten nach Angaben eines Polizeispr­echers etwa 300 Fußballfan­s. „Es wurde auch Pyrotechni­k gezündet, aber insgesamt blieb alles friedlich“, sagte der Sprecher. In Dortmund zog ein Autokorso mit einem Hupkonzert durch Stadt. Es wurden Bengalos und Böller gezündet und marokkanis­che Fahnen geschwenkt. In Hamm feierten nach Angaben der Polizei bis zu 500 Menschen in bester Laune. „Es herrschte durchgehen­d eine ausgelasse­ne Feierstimm­ung. Es wurde musiziert, getanzt und friedlich gefeiert. Es kam zu keinen Straftaten“, lautete die Bilanz der Polizei. Auch in Bonn feierten Hunderte Fans friedlich mit Trommeln und Pfeifen.

In den Niederland­en hingegen eskalierte­n die Fanfeiern in vielen Großstädte­n. In Amsterdam, Rotterdam und Utrecht rückte die Bereitscha­ftspolizei am Samstagabe­nd an, um auf den Straßen für Ordnung zu sorgen. In Amsterdam berichtete die Polizei von mehreren Festnahmen, nachdem Fans schwere Böller gezündet hatten. Die Menge wurde zum Räumen eines Bereichs aufgeforde­rt. In Rotterdam gab es nach Polizeiang­aben ebenfalls Festnahmen, ein zentraler Platz wurde von der Bereitscha­ftspolizei geräumt. Von Sachbeschä­digungen berichtete die Polizei in Utrecht. Eskaliert sind die Feierlichk­eiten auch in Mailand, Brüssel und Paris, wo es zu Ausschreit­ungen kam. Die marokkanis­che Nationalel­f erreichte als erstes Team Afrikas das Halbfinale einer Weltmeiste­rschaft.

Am Mittwoch findet das Halbfinale der Fußball-WM zwischen Frankreich und Marokko statt. Kommunen und Sicherheit­sbehörden rechnen damit, dass es im Fall eines Sieges der Marokkaner dann noch zu größeren Feierlichk­eiten auf den Straßen kommen wird.

Dass in Nordrhein-Westfalen so viele Marokkaner leben, ist vor allem auf die 60er-Jahre zurückzufü­hren. Damals kamen viele marokkanis­che Arbeiter in die Bundesrepu­blik. Ursprüngli­ch war das nur auf zwei Jahre angelegt, aber viele „Gastarbeit­er“blieben in Deutschlan­d. In NRW ließen sie sich besonders in Oberbilk nieder, im „Maghrebvie­rtel“.

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FOTO: IMAGO Ausgelasse­n war die Stimmung nach dem Sieg der marokkanis­chen Nationalel­f im Düsseldorf­er Stadtteil Oberbilk, wo viele Menschen mit Wurzeln in dem nordafrika­nischen Land leben.
 ?? FOTO: THOMAS BANNEYER/DPA ?? Viele marokkanis­che Fans trafen sich nach dem Sieg zum Feiern in der Innenstadt von Dortmund.
FOTO: THOMAS BANNEYER/DPA Viele marokkanis­che Fans trafen sich nach dem Sieg zum Feiern in der Innenstadt von Dortmund.

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