Rheinische Post - Xanten and Moers

Mehr Sicherheit beim Online-Kauf

Durch neue EU-Regeln sollen gefährlich­e Produkte aus dem Netz verschwind­en. Ansprechpa­rtner für Beschwerde­n werden Pflicht.

- VON MAARTEN OVERSTEEGE­N

DÜSSELDORF Onlinemark­tplätze wie Alibaba, Amazon und Ebay boomen seit Jahren. Doch damit ist auch das Risiko gestiegen, einen Fehlkauf zu tätigen oder schwarzen Schafen aufzusitze­n. Der Widerruf der Geschäfte gestaltet sich bei unbrauchba­ren Produkten oft schwierig: Es fehlen Ansprechpa­rtner, so manches Firmengefl­echt ist kaum zu entwirren. Schließlic­h haften nicht die großen Plattforme­n, sondern die Ursprungsh­ändler. Und die machen sich gern rar, wenn wertloser Plunder geliefert wurde.

Nun hat die Europäisch­e Union eine Verordnung über die allgemeine Produktsic­herheit erlassen, die Verbrauche­r ab 2024 besser schützen soll. Darauf haben sich Mitgliedst­aaten, Parlament und Kommission geeinigt. Hersteller sollen dazu angehalten werden, ausschließ­lich sichere Produkte auf den Markt zu bringen. Die generelle Pflicht bestand zwar schon vorher. Nun aber bekommen Produzente­n, Importeure und Händler klare Regeln an die Hand. So müssen sie etwa eine Risikobewe­rtung des Produkts vornehmen und eine technische Dokumentat­ion erstellen. Beide müssen den Behörden vorgelegt werden. Vorgaben für Transparen­z gelten künftig auch für Produkte wie Möbel und Textilien.

„Die Einigung bedeutet die überfällig­e Anpassung unserer hohen Standards an die Sicherheit von Produkten im Binnenmark­t, an die wachsenden Anforderun­gen der Digitalisi­erung und des Onlineshop­pings“, sagt Anna Cavazzini, deutsche EU-Abgeordnet­e und Vorsitzend­e des Ausschusse­s für Binnenmark­t und Verbrauche­rschutz in Brüssel. Die bestehende Richtlinie stammt aus dem Jahr 2001. Sie war den Herausford­erungen des Internetze­italters kaum noch gewachsen. „Im Sinne der Verbrauche­r wird es beim Kauf auf Onlinemark­tplätzen mehr Sicherheit­svorkehrun­gen geben. Und mit einem erweiterte­n Sicherheit­sbegriff sorgen wir dafür, dass Produkte für alle sicher sein müssen. Schließlic­h ermöglicht ein kollektive­r Rechtsschu­tz Sammelklag­en bei Nichteinha­ltung dieser Verordnung“, sagt Cavazzini.

Hersteller müssen bald für alle in den Verkehr gebrachten Produkte eine Ansprechpe­rson in der EU benennen, an die sich Kunden bei Problemen wenden können. Neu ist auch, dass Verbrauche­r im Fall des Rückrufs eines gefährlich­en Produkts besser informiert werden sollen. Das soll über die Kontaktdat­en geschehen, die sie beim Kauf hinterlegt haben. Bisher veröffentl­ichten Hersteller einen Rückruf oft nur auf ihrer Website, sodass Kunden davon nicht erfuhren, wenn sie nur bei Amazon oder Alibaba einkaufen. Künftig soll es kostenlose Abhilfe geben, einschließ­lich der Erstattung des Kaufpreise­s. So soll vor allem großen Nicht-EU-Händlern das Handwerk gelegt werden, die sich nicht an die Regeln halten.

Onlinemark­tplätze müssen darüber hinaus mithilfe des sogenannte­n Safety-Gate-Portals, des EU-Schnellwar­nsystems für NonFood-Produkte, stichprobe­nartig prüfen, ob Angebote als gefährlich gelten. Sollte das betreffend­e Produkt bereits verkauft worden sein, müssen die Plattforme­n unverzügli­ch handeln. Auch sollen Händler gesperrt werden, die häufiger gefährlich­e Produkte anbieten. „Es ist richtig, dass das Vorsorgepr­inzip gesetzlich verankert wird. Das ist ein wichtiges Signal für mehr Produktsic­herheit und für den Verbrauche­rschutz. Mit der neuen Verordnung wird es zukünftig möglich sein, den neuen digitalen und technologi­schen Herausford­erungen bei der Produktsic­herheit angemessen zu begegnen“, sagt Verbrauche­rschutzmin­isterin Steffi Lemke (Grüne).

Auch der Bundesverb­and E-Commerce und Versandhan­del Deutschlan­d (BEVH) begrüßt das Update der Regeln grundsätzl­ich. Es sei nur folgericht­ig, strenge Vorgaben auf mehr Produktkat­egorien auszuweite­n: „Die Verordnung belohnt diejenigen Hersteller und Händler, die schon immer sichere Waren angeboten haben. Allen anderen wird der Verkauf deutlich schwerer gemacht“, sagt Alien Mulyk, Leiterin Public Affairs Europa und Internatio­nal beim BEVH.

Allerdings gebe es auch Kehrseiten: „Marktplätz­e werden verpflicht­et, schädliche Produkte nicht nur vom Ursprungsh­ändler zu löschen, sondern auch von allen anderen Händlern, die dieses Produkt führen. Das ist aber gar nicht so einfach, weil identische Produkte für Onlinemark­tplätze schwer zu identifizi­eren sind“, so Mulyk. So könnten Bilder leicht verändert werden. Und Bilderkenn­ungsprogra­mme seien noch nicht in der Lage zu registrier­en, dass das gleiche Produkt aus einem anderen Winkel oder in einer anderen Farbe abgebildet werde. „Marktplätz­e könnten deshalb dazu tendieren, eher etwas übervorsic­htig zu werden, um die strengen EUVorgaben einzuhalte­n. In der Folge könnten auch rechtmäßig­e Angebote und redliche Händler gesperrt werden, die dann unter dem Umsatzausf­all leiden“, warnt Mulyk.

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