Rheinische Post - Xanten and Moers
Frankreichs WM-Reise geht weiter
Nach dem Sieg gegen England lebt der Traum von der Titelverteidigung.
AL-CHAUR (dpa) Die Liebesgrüße aus dem marokkanischen Teamquartier erwiderte Kylian Mbappé noch in der Nacht. Mit drei roten Herzen reagierte der Starspieler der Équipe Tricolore bei Twitter auf die „Wir sehen uns bald“-Nachricht seines Freundes Achraf Hakimi. Das WM-Halbfinale zwischen Weltmeister Frankreich und der Sensationsauswahl Marokkos an diesem Mittwoch (20.00 Uhr MEZ) wird sehr besonders – nicht nur wegen der Internetherzen der beiden Teamkollegen des von WM-Gastgeber Katar alimentierten Glitzerklubs Paris Saint-Germain. Ein Großteil Marokkos war bis Mitte der 1990erJahre französisches Protektorat – in Frankreich leben Hunderttausende Marokkaner.
„Wir reden schon über Marokko anstatt über England?“, fragte Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps spät am Freitagabend im Al-Bait Stadion nach dem etwas glücklichen 2:1-Viertelfinalsieg gegen die Briten verwundert. Es war die erste Frage der obligatorischen Pressekonferenz. „Es gibt nicht viele, die behaupten können, dass sie Marokko im Halbfinale erwartet hätten. Sie verdienen es, da zu stehen, wo sie stehen“, sagte der Weltmeister von 1998.
„Es ist ein historischer Moment für sie“, antwortete Deschamps, als sich auch die zweite Frage nicht um die geschlagenen Three Lions, sondern um die marokkanischen Löwen drehte. Gesehen habe er bislang nur die erste Halbzeit des 1:0 gegen Portugal, dies sollte sich am Sonntag ändern. Und als zum Schluss des Fragespielchens die tiefen Spuren der großen brasilianischen Mannschaften von 1958 und 1962 aufkamen, sagte Deschamps lächelnd das, was Fußballtrainer gerne sagen: „Wir müssen uns zuerst auf Mittwoch fokussieren.“Das nächste Spiel eben.
Als erster Weltmeister seit Brasilien vor 60 Jahren den Titel zum zweiten Mal in Folge gewinnen, das ist auch für Mbappé „der absolute Traum“. Die Chance in Katar scheint riesig. Zum Halbfinale wird Staatspräsident Emmanuel Macron erwartet.
„Das erinnert mich an die Mentalität und die Hingabe von 2018. Diese Gruppe verdient es, wieder so weit zu kommen“, sagte Olivier Giroud, der mit seinem Tor zum Endstand den Weg geebnet hatte. Aurélien Tchouaméni hatte Frankreich in Führung gebracht, England Kapitän Harry Kane per Strafstoß den Ausgleich erzielt. Weil der Brite einen zweiten Foulelfmeter in die Zuschauerränge der WüstenzeltArena jagte, gingen die Bilder des lachenden Mbappé und der feiernden Franzosen um die Fußball-Welt.
„Es wurde gesungen und getanzt in der Kabine. Der Verbandspräsident Noël Le Graët kam, Lilian Thuram und Claude Makélélé. Es ist wunderbar, diese Gefühle in der Umkleide zu sehen“, berichtete Giroud.