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Torhüter Livakovic wird zu Kroatiens WM-Held

- VON STEFAN DÖRING

Der 27-Jährige trumpft nicht nur mit seinen Elfmeterpa­raden auf. Noch vor einigen Monaten galt er eher als Schwachste­lle im Team.

DÜSSELDORF Dominik Livakovic lag auf dem Boden und breitete gerade die Arme aus, ballte die Hände zur Faust. Dann sah er die Gefahr kommen, sprang auf und rannte los. Der Torhüter war auf der Flucht vor seinen Teamkolleg­en, die ihn jagten wie ein Rudel Löwen ihre Nahrung in der afrikanisc­hen Savanne. Anders als Gnus in freier Wildbahn gab Livakovic seine Flucht aber schnell auf. Schließlic­h wollte er ja gar nicht davon laufen, er wollte mitfeiern, sich feiern lassen. Wieder einmal wurde der 27-Jährige in Katar zum kroatische­n Volkshelde­n. Im Viertelfin­ale gegen Brasilien brillierte der Torhüter erneut, hielt im Elfmetersc­hießen den Strafstoß von Real-Madrid-Star Rodrygo und war somit maßgeblich daran beteiligt, dass Kroatien es wie schon 2018 ins Halbfinale einer WM schaffte.

Damals saß Livakovic noch auf der Bank, schaute von außen zu, wie ihn seine Kollegen mit Minimalism­us zum Vizeweltme­ister machten. Mehrfach erst im Elfmetersc­hießen kamen die Kroaten vor vier Jahren in Russland weiter. Als hätten sie es sich als Blaupause für dieses Jahr genommen, war das Viertelfin­ale das zweite Spiel in Serie, dass sie erst im Elfmetersc­hießen für sich entscheide­n konnten – und wieder war es ein Torhüter, dem sie es zu verdanken hatten.

Livakovic ist erst der dritte Torhüter der Geschichte, der vier Elfmeter in WM-Elfmetersc­hießen hält. Denn schon im Achtelfina­le parierte der Mann von Dinamo Zagreb drei Strafstöße gegen Deutschlan­d-Bezwinger Japan. „Alle unsere Probleme hat Livakovic gelöst“, sagte Kroaties Nationalco­ach Zlatko Dalic schon nach dem Achtelfina­le. „Wir hatten einen fantastisc­hen Torwart. Er war großartig, er hat die Elfmeter auf beeindruck­ende Art und

Weise gehalten.“Die Worte nach der Überraschu­ng gegen Brasilien klangen ähnlich.

Livakovic selbst hielt sich nach beiden Spielen eher zurück mit großen Worten. Er lässt lieber Taten sprechen. Und wie. Denn nicht nur die parierten Elfmeter sprechen für ihn, auch die Leistungen in den bisherigen WM-Spielen sind absolut überzeugen­d. Allein gegen Brasilien wehrte er elf Schüsse ab, nur einmal hatte er gegen Superstar Neymar das Nachsehen. Es war eine herausrage­nde Leistung des Keepers, der generell erst drei Gegentreff­er in fünf WM-Spielen hinnehmen musste. Immer wieder eröffnete er zudem mit seinen langen Bällen Räume für die eigene Mannschaft und sorgte so für Entlastung, während der Druck der Brasiliane­r in der zweiten Halbzeit

immer mehr zu nahm.

Dass Livakovic als Stammkeepe­r in das WM-Turnier gehen würde, war noch vor gut einem Jahr nicht absehbar. In der Qualifikat­ion spielte noch Ivo Grbic von Atletico Madrid. Livakovic aber ließ sich nicht entmutigen, spielte stark bei Dinamo Zagreb, wo er inzwischen fünf kroatische Meistertit­el feiern durfte und sich auch in der Champions League immer wieder auszeichne­n kann. Im Schnitt 4,17 Paraden zeigte er in den sechs Gruppenspi­elen – kassierte gegen den FC Chelsea, AC Mailand und RB Salzburg allerdings auch elf Gegentore. Die fünf Niederlage­n konnte auch er nicht verhindern.

Anders sieht es nun bei der WM mit dem kroatische­n Nationalte­am aus. Dort ist er inzwischen zum Helden avanciert. Vielleicht trug Superstar Luka Modric einen Teil dazu bei. Denn in einem von der Fifa produziert­en Video aus der WM-Qualifikat­ionsphase

ist zu sehen, wie er Livakovic zum Einzelgesp­räch bat und ihn aufbaute. „Leider sehe ich bei dir keinen Fortschrit­t im Nationalte­am. Vielleicht ist es der Druck? Du strahlst Unsicherhe­it aus, das färbt auf das Team ab. Verstehst du?“, sagte er damals in einer Hotellobby vor dem Spiel gegen Russland zu Livakovic. „Jeder macht Fehler! Ich habe das Gefühl, dass du Angst hast, Fehler zu machen. Wer macht denn keine Fehler? [...] Das verschlimm­ert nur alles. Hör zu: Du bist ein großartige­r Torwart! Das ist dir bewusst, okay.“

Diese ehrlichen Worte könnten dazu beigetrage­n haben, dass der mit 1,87 Meter nicht überragend große Keeper eine so wichtige Rolle für Kroatien bei der WM spielt. Und das könnte sich auch bald schon anderweiti­g widerspieg­eln. Denn die Leistungen beim Turnier in Katar dürfte auch den vielen Scouts der Topklubs nicht entgangen sein.

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FOTO: DPA Dominik Livakovic rannte vor seinen Mannschaft­skollegen davon.

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