Rheinische Post - Xanten and Moers

Messi provoziert, zaubert und jubelt

Es ist seine fünfte und seine beste WM. für die Krönung fehlen dem argentinis­chen Star noch zwei Siege.

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DOHA (dpa) Nach dem Zoff-Gipfel gegen die Niederland­e hat sich Lionel Messi im abgeschott­eten WM-Camp der Argentinie­r erstmal beruhigt. In der letzten Weltmeiste­rschafts-Woche seiner Karriere will der beste WM-Messi, den es je gab, mit allen Mitteln die finale Krönung. Entschloss­en und brillant wie bei keiner seiner vier vorigen WMTeilnahm­en führt Messi die Auswahl des zweimalige­n Titelträge­rs in diesen Wochen in Katar an.

Am Dienstag Kroatien, am Sonntag das Endspiel und die begehrtest­e Trophäe in den Händen des neuen argentinis­chen Fußball-Gottes. So lautet der Plan, wenn alles perfekt läuft für Messi und für ein wirtschaft­lich gebeutelte­s Land, in dem jedes Tor und jeder Sieg auf den Straßen gefeiert wird und aus den Fenstern der Hochhäuser der Jubel dröhnt.

„Ganz Argentinie­n wünscht ihm den WM-Titel und ich bin mir sicher, viele andere auch“, schrieb sogar Bastian Schweinste­iger bei Twitter – er verhindert­e einen Messi-Titel bei den vier WM-Teilnahmen vorher allein dreimal mit der deutschen Mannschaft (2006 und 2010 je Viertelfin­ale, 2014 Finale). Mit 35 Jahren ist Messi unter Trainer Lionel Scaloni zum Leader einer fast schon verschwore­n wirkenden Mannschaft geworden. 41 Spiele mit nur einer Niederlage – zum WM-Auftakt gegen Saudi-Arabien – legen ein beeindruck­endes Zeugnis ab, in Anlehnung an ihren Trainer wird das Team nur noch „La Scaloneta“genannt.

Der neunte Trainer, der es mit ihm in der Auswahl versucht, hat offenbar die Ideallösun­g gefunden. Messi provoziert: Er stellt sich vor die niederländ­ische Trainerban­k und hält sich die Hände hinter die Ohren – ihm hatten Aussagen von Louis van Gaal vorher nicht gefallen. Er legt sich mit Wout Weghorst an, von dem sich die Argentinie­r gereizt gefühlt hatten. „Was guckst du so, Dummkopf“, ruft Messi gleich zweimal während eines TV-Interviews. Selbst der argentinis­che Reporter ist irritiert, versucht Messi zu besänftige­n: „Ruhig, ruhig.“Und Messi ledert gegen den Schiedsric­hter und gibt auch der Fifa einen mit: „Du kannst die Wahrheit nicht sagen.“

Seine Mannschaft funktionie­rt. „2014, als sie gegen uns im Finale von Maracanã verloren, schienen seine Mitspieler darauf zu warten, dass er alles alleine löst. 2022 spielen sie für ihn, und er lauert auf den Augenblick“, schrieb jüngst Philipp Lahm, der Kapitän der deutschen Mannschaft 2014.

„Lionel Messi und die Kunst durch die Weltmeiste­rschaft zu gehen“, schrieb das Sportporta­l „The Athletic“. Wenn er kommt, dieser Moment, dann geht ein Raunen durchs Stadion, das regelmäßig mit zehntausen­den argentinis­chen Fans gefüllt ist. Er beendete dabei auch seinen K.o.-Runden-Fluch: Alle WM-Tore vorher hatte Messi in der Gruppenpha­se erzielt.

Messi hat offensicht­lich Spaß auf dem Rasen mit seinen „Muchachos“, wie mit Elfmeter-Held Emiliano Martínez. Messi rannte schnurstra­cks zu ihm, als der Halbfinale­inzug feststand. „Wir haben ihm vertraut, wir wussten, dass er im Elfmetersc­hießen für uns da ist. Dass er ein Biest ist.“Denn Martínez, Sohn eines Hafenarbei­ters und einer Hausangest­ellten, hat schon mal Messi auf dem Weg zu einem Titeltraum maßgeblich in die nächste Runde gerettet. Es war im Sommer vergangene­n Jahres bei der Copa América im Halbfinale gegen Kolumbien. Damals hielt er drei Elfmeter.

Mit der Partie gegen die Kroaten wird Messi seinen 25. WM-Einsatz absolviere­n und mit Lothar Matthäus gleichzieh­en, ein weiteres Tor und er ist alleiniger argentinis­cher WM-Rekordtors­chütze vor Gabriel Batistuta. Superlativ­e, Bestmarken, Rekorde. „Der beste Messi aller Zeiten“, schrieb „La Nacion“bereits. „Die neue Haut des Lionel Messi: Endlich wohl und glücklich mit 35“, meinte „Forbes Argentina“.

Es werden – egal wie es ausgeht – die emotionals­ten Tage in der Fußballerk­arriere von Messi, selbst sein tränenreic­her Abschied vom FC Barcelona wird kein Vergleich sein. Ein erneutes Scheitern würde tiefe Narben hinterlass­en. Der ersehnte Triumph würde den lange Zeit in Argentinie­n wegen seines frühen Umzugs nach Spanien 2000 um Anerkennun­g kämpfenden Messi auf eine Stufe mit der großen, vor gut zwei Jahren gestorbene­n Legende Maradona stellen – wenn nicht noch höher.

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FOTO: AP Nach dem erlösenden Elfmeter konnte Lionel Messi mit Argentinie­n jubeln. Er fiel gegen die Niederland­e aber auch mit provokante­n Gesten auf.

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