Rheinische Post - Xanten and Moers
Schicksalhaft und groß
Die Kammerakademie Potsdam gastierte in der Tonhalle. Klaviersolist war der Überflieger Jan Lisiecki.
DÜSSELDORF Er gilt als Überflieger, als Star-Pianist, als Publikumsliebling. Der Kanadier Jan Lisiecki, Sohn polnischer Eltern, hat sich längst in der internationalen Musikwelt etabliert. Beim jüngsten HeinersdorffKonzert in der Tonhalle spielte der 27-Jährige jetzt Beethovens 1. Klavierkonzert C-Dur mit der Kammerakademie Potsdam.
Kein Zweifel: Er weiß, wie man Effekt macht. Und das Publikum feiert ihn dafür. Gleichwohl hinterlässt sein Auftritt in Düsseldorf einige Fragezeichen. Lisiecki beginnt mit Elan, setzt kräftige Akzente, sucht nach einem kernigen BeethovenKlang. Doch trotz des imperialen C-Dur-Glanzes wirkt sein Spiel häufig unausgewogen. Oft hebt es bedeutungsvoll den Zeigefinger, aber wer daraufhin seine Ohren spitzt, wird von des Ausdrucks Blässe angekränkelt.
Lisiecki modelliert fortwährend an der Musik herum, gestaltet manche Läufe nuschelig, meißelt andere überprägnant in die Tasten. Die langen Kadenzen lässt er in der Manier eines Tastenlöwen aufrauschen. „Seht her, ich kann’s!“, scheint sein Klavierspiel zu rufen. Das ist zwar richtig, aber wem nützt es? Der Zugabe jedenfalls nicht: Der langsame Satz aus Mozarts d-Moll-Konzert (KV 466), eine göttlich schlichte Romanze, begegnet uns mit Temposchwankungen und aufgedonnertem Mittelteil. Fazit: Vor lauter Gestalten vergisst Liesiecki das Musizieren.
Für eine Einspielung von Schubert-Sinfonien bekam die Kammerakademie Potsdam 2015 den „Echo Klassik“. In Düsseldorf unterstreicht das Ensemble diese Kompetenz.
Unter der Leitung von Chefdirigent Antonello Manacorda sprüht Schuberts 3. Sinfonie D-Dur Funken: hier paaren sich jugendliches Feuer und quecksilbrige Vitalität. Die Soli der Klarinette, biegsam und munter, werden von den Streichern voller Charme und Fingerspitzengefühl begleitet. Eine Interpretation wie ein feiner Scherenschnitt.
Ganz anders, aber nicht minder überzeugend die „Unvollendete“. Das Orchester taucht sie in ein mildes Licht, über dem sich Finsteres ballt. Die Musiker treiben Empfindsames bis an die Schmerzgrenze. Womöglich könnte mancher Bläsereinsatz ansatzloser sein, aber die Verschattungen und tragischen Einbrüche, von denen diese Musik erzählt, gelingen herrlich unaufdringlich. Der zweite Satz schwebt vorüber, melancholisch und schicksalhaft groß zugleich.