Rheinische Post - Xanten and Moers
Nur Mut bei der Rente!
Der Bundeskanzler will die Zahl derer steigern, „die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können“. Anders ausgedrückt: Olaf Scholz sorgt sich wegen der hohen Zahl älterer Arbeitnehmer, die jedes Jahr vorzeitig in Rente gehen. 2021 nutzte jeder Dritte die Möglichkeit, mit knapp 64 Jahren abschlagsfrei die Altersrente zu beantragen. Und jeder Vierte nahm Abschläge in Kauf, verließ den Arbeitsmarkt im Schnitt 28 Monate vor Erreichen der Regelaltersgrenze. Ergebnis: Seit fünf Jahren stagniert das tatsächliche Renteneintrittsalter bei 64 Jahren. In der Realität gilt die etwa zwei Jahre höhere gesetzliche Altersgrenze für mehr als die Hälfte der Neurentner nicht.
Scholz hat recht: Das ist besorgniserregend. Und es darf nicht so bleiben, vor allem vor dem Hintergrund der rasanten Alterung der Gesellschaft. Allerdings war es die Partei des Kanzlers, die trotz aller Warnungen die abschlagsfreie Rente mit 63 in der großen Koalition durchsetzte. Es hat schon eine gewisse Ironie, wenn sich heute ein SPD-Kanzler Sorgen über die negativen Folgen eines zentralen SPD-Wunschprojekts macht.
Der Möchtegern-Modernisierer Scholz müsste den Mut haben, in der Rentenpolitik das Ruder herumzureißen, und ab sofort Anreize für längeres Arbeiten setzen. Der Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen für Frührentner war ein Schritt in die richtige Richtung. Ein weiterer Schritt könnte sein, für Rentenbeiträge, die im höheren Arbeitnehmeralter eingezahlt werden, einen höheren Gegenwert für die spätere Rente zu versprechen. Tatsächlich droht die Rentenpolitik der Ampelkoalition jedoch eher weiter in die falsche Richtung zu gehen: Der Arbeitsminister bereitet gerade ein Gesetzespaket vor, mit dem das Rentenniveau auch ab 2025 bei 48 Prozent festgeschrieben wird. Wie das dauerhaft finanziert werden soll, bleibt ein Rätsel, das die Koalition erst noch lösen muss.