Rheinische Post - Xanten and Moers
Alle Zeichen auf Trennung
Die Linke will die Reihen schließen. Doch es gibt ein Problem: Sahra Wagenknecht.
Die Linke hadert mit sich selbst. Seit Monaten. Das soll sich nun ändern. Am Wochenende scharten die Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan alle wichtigen Parteifunktionäre mit einer „Leipziger Erklärung“hinter sich. Sie schworen die Partei auf Inhalte ein. Auf Umverteilung und Soziales, aber auch strikten Klimaschutz und mehr Distanz zu Russland. Die Linke will endlich vom Dümpeln um die FünfProzent-Hürde wegkommen.
Doch der Problemfall war am Wochenende mangels Parteiamt nicht dabei: Sahra Wagenknecht. Die frühere Fraktionschefin hadert immer wieder öffentlich, um es milde auszudrücken, mit der Linie der Partei. Sie ist von der Schwäche der Linken mehr als genervt, brachte dabei auch schon eine Neugründung ins Gespräch. Das Kalkül der 53-Jährigen: Sie ist mit pointierten Thesen, die häufig der Parteilinie widersprechen, und ihrem rhetorischen Talent prominenter als die meisten Linken. Mitte November gaben in einer Erhebung für den „Spiegel“bundesweit immerhin 20 Prozent der Befragten an, sie könnten sich eine Stimme für eine neue Wagenknecht-Partei vorstellen. Das Papier vom Wochenende thematisiert das: „In der Öffentlichkeit wird sogar über die Bildung eines alternativen Parteiprojekts spekuliert. Wir sind dagegen bereit, für unsere gemeinsame Partei zu kämpfen, das historische Projekt einer geeinten, pluralen sozialistischen Partei zu verteidigen.“Große Empörung löste die LinkeBundestagsabgeordnete etwa mit einer Rede im Bundestag im September aus, als sie der Bundesregierung vorwarf, einen Wirtschaftskrieg gegen Russland „vom Zaun zu brechen“. Sie will weiter billige Öl- und Gasimporte aus Russland. Die Parteiführung, die lange geschwiegen hatte, gab nun am Wochenende die Antwort darauf.
Wie Wagenkencht die Entwicklung beurteilt, weiß man nicht – sie hielt sich bedeckt. Doch es ist klar geworden: Die Beziehung zwischen Wagenknecht und ihrer Partei ist nicht mehr nur zerrüttet. Eine Trennung erscheint fast unausweichlich.
Unsere Autorin ist Leiterin des Berliner Parlamentsbüros. Sie wechselt sich hier mit unseren Hauptstadt-Korrespondenten Jan Drebes und Hagen Strauß sowie der Publizistin Margaret Heckel ab.