Rheinische Post - Xanten and Moers
Corona-Infektion kein Dienstunfall
Ein Gericht wies die Klagen zweier Lehrerinnen und einer Finanzbeamtin ab.
DÜSSELDORF Wie es angefangen hat, das weiß Karen W. noch sehr genau. Erst lief alles normal ab. Sie ging laufen, zur Schule, bereitete den Unterricht für den Leistungskurs am nächsten Tag vor und freute sich darauf. Sie machte Feierabend, wollte die Tasche für den nächsten Tag erst später packen und sich vorher mit ihrer Familie auf das Sofa setzen, um ein bisschen fern zu sehen. Es war Dienstagabend, der 3. November 2020, 19 Uhr, und dann begann Karen W. zu husten.
Dass sie sich noch so gut an dieses Datum erinnert, liegt daran, dass der Moment ihr Leben verändert hat. An ihrer Schule, einem Gymnasium in Moers, hat die Lehrerin W. seither nicht mehr unterrichtet, auch nicht ihren Leistungskurs, auf den sie sich gefreut hatte. Sie ist 53 Jahre alt und 2021 vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden, weil sie dienstunfähig ist. Die Diagnose: Post-Covid-Syndrom, auch bekannt als Long Covid.
Am Montag war W. eine von drei Beamtinnen des Landes NRW (zwei Lehrerinnen und eine Finanzbeamtin), die vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf darauf geklagt hatten, ihre Corona-Infektionen als Dienstunfall anzuerkennen. Das hätte Folgen für die Übernahme etwa von Behandlungskosten, aber unter Umständen auch für die Höhe der Bezüge im Ruhestand. Bisher tun sich die Länder und Gerichte eher schwer mit der Anerkennung von Corona als Dienstunfall oder Berufskrankheit.
So wies die 23. Kammer des Verwaltungsgerichts am späten Montagnachmittag
alle drei Klagen der NRW-Beamtinnen ab. Die Richter sahen die Voraussetzungen für die Anerkennung als nicht erfüllt an. Schon während der Verhandlungen führte die Vorsitzende Richterin aus, dass der Infektionszeitpunkt bei Viren nicht so klar bestimmbar sei wie etwa bei einem Wespenstich. Daher hätte das Risiko, dass sich die Beamtinnen bei der Ausübung ihres Dienstes mit Corona infizieren, erheblich höher sein müssen als im Rest der Bevölkerung, damit man von einer Berufskrankheit ausgehen könnte. Das verneinte das Gericht in allen drei Fällen. Eine Corona-Infektion
entspreche hier dem allgemeinen Lebensrisiko.
Neben der Moerser Gymnasiallehrerin hatte auch eine Grundschullehrerin aus Hünxe im Kreis Wesel geklagt, die ebenfalls LongCovid-Symptome hat. Sie habe sich bei einer Lehrerkonferenz im September 2020 angesteckt, anders sei ihre Infektion nicht zu erklären.
Die dritte Klägerin, eine Betriebsprüferin des Finanzamts Remscheid, argumentierte, sie habe sich während einer Personalratstagung im März 2020, also zu Beginn der Pandemie, infiziert. Die Tagung sei trotz eines Teilnehmers, der wegen Corona-Verdachts vorzeitig abgereist war, nicht abgebrochen worden. Weil sie selbst aber während der einwöchigen Tagung eine Kneipe aufgesucht hat, habe sie auch selbst das Risiko einer Infektion erhöht, so das Gericht.
Karen W., die Lehrerin aus Moers, wurde bei ihrer Klage vom Deutschen Gewerkschaftsbund unterstützt, die Finanzbeamtin vom Deutschen Beamtenbund. Die Gewerkschaften kämpfen aktuell bundesweit für die Anerkennung von Covid-19 als Berufskrankheit. Gut möglich, dass sie weiterziehen, vor das Oberverwaltungsgericht in Münster.
Die Gewerkschaften kämpfen bundesweit für die Anerkennung als Berufskrankheit