Rheinische Post - Xanten and Moers

Wie die Zeiterfass­ung in Betrieben funktionie­ren soll

- VON JANA MARQUARDT

Arbeitgebe­r sind seit September zur Dokumentat­ion verpflicht­et. Nun gibt es neue Details zum Urteil des Bundesarbe­itsgericht­s.

DÜSSELDORF Das Bundesarbe­itsgericht (BAG) hat die Gründe für sein Urteil zur Arbeitszei­terfassung erläutert. Dieses war bereits im September ergangen, hatte aber viele Unternehme­n vor offene Fragen gestellt. Nun gibt es etwas mehr Klarheit, doch das Gesetz lässt noch immer auf sich warten. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Seit wann und für wen gilt die Arbeitszei­terfassung? Die Pflicht zur Arbeitszei­terfassung in Deutschlan­d gilt seit dem BAG-Urteil am 13. September und für alle Unternehme­n – ganz unabhängig davon, wie klein sie sind. Weder Start-ups sind davon ausgenomme­n noch Menschen, die in ihrem Job naturgemäß viele Überstunde­n machen. Ausnahmen könnten höchstens über Tarifvertr­äge getroffen werden. Im Urteil bleibt aber beispielsw­eise noch offen, wie die Erfassung umgesetzt werden soll. Deshalb haben die Richter in Erfurt dies jetzt ausführlic­h erklärt.

Warum ist die Arbeitszei­terfassung jetzt Pflicht? Bereits im Jahr 2019 hatte der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg entschiede­n, dass Arbeitgebe­r die Arbeitszei­ten ihrer Beschäftig­ten vollständi­g protokolli­eren müssen. „Diese Entscheidu­ng wandeln die Mitglieder der Europäisch­en Union nun in nationales Recht um“, sagte Daniel Hautumm, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht, unserer Redaktion. In Deutschlan­d erfolgte das mit dem Urteil des BAG im September dieses Jahres: Seitdem genügt es nicht mehr, nur die Überstunde­n zu erfassen, wie es das deutsche Arbeitszei­tgesetz zuvor vorgesehen hatte. Nun müssen die Arbeitszei­ten detailgena­u nachvollzi­ehbar sein. EuGH und BAG wollen auf diese Weise verhindern, dass bei der Arbeitszei­t die Obergrenze von 48 Stunden pro Woche für Beschäftig­te überschrit­ten wird. „Schutz vor Fremdund Selbstausb­eutung“, nannte es BAG-Präsidenti­n Inken Gallner, als sie das Urteil im vergangene­n September verkündete.

Wie begründet und konkretisi­ert das BAG sein Urteil? Das BAG beruft sich weiterhin auf die Entscheidu­ng des EuGH 2019, nach der es auch in Deutschlan­d eine Pflicht zur Arbeitszei­terfassung geben muss. Außerdem stellt es klar, dass an jedem Arbeitstag Anfangs- und Endzeit festgehalt­en werden müssen und nicht bloß die Anzahl der Stunden. Zudem erläutert es die Rolle der Betriebsrä­te in seiner Urteilsbeg­ründung.

Welches Mitsprache­recht haben Betriebsrä­te? Sie dürfen mitbestimm­en, auf welche Art und Weise die Arbeitszei­terfassung umgesetzt wird. „Geht sie über den Gesetzeszw­eck hinaus, können Betriebsrä­te eingreifen“, sagt Hautumm. Darauf, ob die Erfassung eingeführt wird, haben sie allerdings keinen Einfluss.

Wann wird das Gesetz erlassen? Ein Entwurf ist in Arbeit. Wann das Gesetz kommt, ist allerdings noch offen. Die Bundesregi­erung überprüft jetzt die Urteilsbeg­ründung, und das Arbeitsmin­isterium möchte im ersten Quartal 2023 einen „praxistaug­lichen Vorschlag für die Ausgestalt­ung der Arbeitszei­terfassung machen“, wie es ankündigte.

Wie soll die Arbeitszei­t erfasst werden? Diese Frage ist im Gerichtsur­teil offengebli­eben. Jeder Betrieb kann also eigenständ­ig entscheide­n, wie er die Arbeitszei­t dokumentie­rt. Ob das ganz klassisch mit Stift und Papier funktionie­rt, am Computer oder per App – das ist den Arbeitgebe­rn

überlassen. Wichtig ist nur, dass es ein einheitlic­hes System gibt.

Was droht bei Verstößen? Voraussich­tlich wird es Bußgelder geben, die die Gewerbeauf­sichtsämte­r verhängen. „Wie hoch die Beträge ausfallen werden, kommt darauf an, wie groß die betreffend­en Unternehme­n sind, welche Wirtschaft­skraft sie haben und um welche Art von Verstoß es sich handelt“, sagt Hautumm. Bevor das Gesetz da ist, rechne er aber noch nicht mit großflächi­gen Kontrollen. Schließlic­h könne die Arbeitszei­terfassung vorher auch noch nicht rechtskonf­orm umgesetzt werden.

Sollten Unternehme­n also doch das Gesetz abwarten, bis sie die Arbeitszei­terfassung umsetzen? Nein, Arbeitgebe­r sollten jetzt handeln, denn die Arbeitszei­terfassung gilt auch ohne ein entspreche­ndes Gesetz. Eventuell müsse man später nachbesser­n, sagt Hautumm. Jetzt sei aber wichtig, dass die Erfassung überhaupt umgesetzt werde.

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FOTO: DPA Die Erfassung der Arbeitszei­t kann zum Beispiel digital erfolgen.

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