Rheinische Post - Xanten and Moers
Warum Palästina bei der WM immer wieder in den Fokus rückt
DOHA (dpa) Im Moment der größten Glückseligkeit zeigten die marokkanischen Nationalspieler Flagge, aber nicht nur ihre eigene. Sowohl nach dem Viertelfinal- als auch dem Halbfinaleinzug jubelten sie mit der schwarz-grün-weiß-roten Fahne Palästinas. Die Weltöffentlichkeit sah zu – und wieder wurde die FußballWM in Katar, die ein Turnier des gesamten arabischen Raums sein soll, zur Bühne für die Solidaritätsbekundung mit den Palästinensern im Konflikt gegen Israel.
„Es gibt eindeutig nicht viel Liebe in der arabischen Welt für Israel“, zitierte die „Washington Post“Giorgio Cafiero, den Geschäftsführer des Risikoanalyseunternehmens Gulf State Analytics. In Katar, das offiziell keine diplomatischen Beziehungen zu Israel unterhält, spielten neben Marokko der WM-Gastgeber, Saudi-Arabien und Tunesien mit. Zudem der Iran, der Israel als Erzfeind betrachtet. Palästina-Fahnen waren bei nahezu jedem Spiel zu sehen, während der Partie zwischen Tunesien und Frankreich stürmte ein Zuschauer mit Flagge auf den Rasen.
Die Lage der Palästinenser sei ein Thema, das die Menschen in der arabischen Welt eine, sagte Zaha Hassan von der US-Denkfabrik Carnegie. Zwar führte die Unterzeichnung der „Abraham Accords“zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und mehreren arabischen Ländern – darunter Marokko. Die arabische Bevölkerung sei aber gegen eine Normalisierung der Beziehungen, sagte Hassan.
Israel hatte im Sechstagekrieg 1967 unter anderem den Gazastreifen, das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Die Palästinenser wollen die Gebiete für einen eigenen Staat Palästin – mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. „Gewöhnliche Araber sind gegen diese Besetzung und sehen sie als unmenschlich und inakzeptabel an“, sagte Mahjoob Zweiri, Professor für Geschichte und zeitgenössische Politik an der Universität von Katar, der „Washington Post“.
Katar dürfte sich über die Solidaritätsbekundungen eher freuen. Das Golfemirat ist ein Verbündeter der im palästinensischen Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas,
die sich Israels Vernichtung auf die Fahne geschrieben hat. Jährlich unterstützt Katar den Küstenstreifen mit Millionenbeträgen – etwa für Hilfsgüter. Aus Israel wird jedoch immer wieder der Vorwurf laut, dass die katarischen Gelder auch für Terrorzwecke genutzt werden.
„Die Präsenz Palästinas im Herzen der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar bestätigt, dass es das zentrale Thema der Nation ist und in den Herzen von Millionen unserer arabischen Nationen und der freien Völker der Welt präsent ist“, teilte ein Sprecher der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas mit.
Der Fußball-Weltverband Fifa und die WM-Organisatoren feierten zu Turnierbeginn die tatsächlich bedeutende Entwicklung, dass erstmals Direktflüge von Israel nach Katar angeboten wurden, um israelische und palästinensische Fans zu den Spielen zu bringen. „Fußball hat die Kraft, Menschen zusammenzubringen, er überwindet alle Grenzen und fördert die Einheit wie nichts anderes“, sagte Fifa-Präsident Gianni Infantino gewohnt pathetisch. Die Realität auf den Straßen Dohas sah teilweise anders aus. Israelis berichteten von Übergriffen.
Bei der WM wertet die Fifa die Fahnen übrigens nicht als politische Botschaft, der palästinensische Verband ist eines der 211 FifaMitglieder.