Rheinische Post - Xanten and Moers
Schon vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine war der türkische Badeort Alanya ein beliebtes Ziel für Touristen und Emigranten aus beiden Ländern. Seit Beginn der Kämpfe haben sich Tausende in der Stadt niedergelassen – und leben dort friedlich zusamme
wie Pawel betont: Die Abgrenzung zu den „September-Emigranten“, die Russland erst bei der Mobilmachung verließen, wiegt in der Emigration schwerer als der Unterschied zwischen Russen und Ukrainern.
Manche Emigranten haben Alanya aus schlichteren Gründen gewählt: „Ich mag es einfach warm“, sagt Alex, ein Familienvater aus Moskau, der in Shorts und Schlappen aus einem Laden kommt. Mit seiner Frau und zwei Töchtern hat er in seinem Kleinbus die Fahrt durch
Georgien gemacht, dreimal haben sie unterwegs übernachtet. Inzwischen hat sich die Familie eingelebt, die Kinder gehen schon zur Schule – die Kleine in den Kindergarten, die Große auf das „Amerikan Kolej“von Alanya. Dort hadere sie zwar noch mit der englischen Unterrichtssprache, habe aber jede Menge russischsprachige Freunde, erzählt Alex, denn auch die amerikanische Schule ist inzwischen voll von russischen und ukrainischen Kindern.
Einiges fehle fern der Heimat, räumt Alex ein und zeigt auf seine Einkaufstüte. Aus dem „Market 777“kommt er gerade, einem unscheinbaren Krämerladen an der Küstenstraße von Alanya, zu dem Russen und Ukrainer aus der ganzen Stadt pilgern. Sauerrahm gibt es hier zu kaufen, abgepackte Blini und gekühlte Portionen von Napoleon-Torte. Beliebt in der Emigranten-Szene ist auch das „Café Matryoshka“auf der Westseite, wo mittags nur mit Wartezeit ein Tisch auf der Straße zu ergattern ist. Borschtsch-Suppe mit Sauerrahm tragen die russisch sprechenden Kellnerinnen auf, Pelmeni-Klößchen und Kwas, und die Gäste langen mit Appetit und Heimweh zu.
Abends trifft sich die EmigrantenSzene von Alanya im „Lost“, einem schicken Restaurant in der Innenstadt mit Glasdach, Lichterketten und funkelnder Bar voller polierter Gläser. „Lost in Alanya“heißt das Lokal mit vollem Namen, doch die Menschen drinnen haben sich gefunden: