Rheinische Post - Xanten and Moers
Razzia gegen Aktivisten wegen Sabotage
In mehreren Bundesländern gehen Ermittler gegen die „Letzte Generation“vor. Mitglieder sollen die Ölraffinerie in Schwedt angegriffen haben. In NRW hat der Verfassungsschutz bereits ähnliche Manipulationen registriert.
DÜSSELDORF Ermittler haben am Dienstag bundesweit Räume der Klimaschutzinitiative „Letzte Generation“durchsucht. Es gehe um elf Objekte im gesamten Bundesgebiet, sagte der zuständige Staatsanwalt Cyrill Klement in Brandenburg. Ermittelt werde gegen „etwas mehr als elf Personen“wegen Störung öffentlicher Betriebe. Geprüft werde aber auch der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Hintergrund sind laut Klement mehrere Attacken von Klimaaktivisten seit April auf Anlagen der Raffinerie PCK Schwedt. Dabei sei unter anderem die Ölzufuhr unterbrochen worden. Die Razzien fanden nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern unter anderem in Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg statt.
Die „Letzte Generation“sprach von einem Einschüchterungsversuch, der sie nicht stoppen werde. „Wir stehen mit Gesicht und Namen für das, was wir tun – wenn der
Wunsch nach Informationen besteht, braucht es keine Hausdurchsuchung“, betonte Aktivist Jakob Beyer.
Mitglieder und Anhänger der „Letzten Generation“begehen bundesweit zum Teil schwerwiegende Sabotageaktionen. So versuchen die radikalen Klimaschützer etwa, den Straßenverkehr und Flugbetrieb lahmzulegen. Auch in NRW kam es laut Verfassungsschutz bereits zu Manipulationen an Ölpipelines durch Verschließen von Ventilen an Pumpstationen und zu Blockaden auf Hauptverkehrswegen.
Konkret handelt es sich beim „Aufstand der letzten Generation“(AdlG) um eine Ausgründung der Gruppierung „Extinction Rebellion“, die 2021 entstanden ist. „Während AdlG die Taten als ,legitimen zivilen Ungehorsam‘ und aus einer Notwehrsituation gegen die Regierungspolitik in Bezug auf die Klimakrise gerechtfertigt bezeichnen, stellen sich die Aktionen von AdlG faktisch regelmäßig als Straftaten dar, die nicht durch die Berufung auf eine Notwehrsituation gerechtfertigt werden können“, heißt es aus dem NRW-Verfassungsschutz.
„Endlich wird entschlossen gegen die Gefahr von links und die Klima-Straftäter vorgegangen“, sagte Gregor Golland, Innenexperte der NRW-CDU. Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) mahnt zur Wachsamkeit. „Bei dem, was da gerade auch an gefährlichen Straftaten verübt wird, können wir nicht einfach zugucken und das weiterlaufen lassen. Deshalb haben die Länder den Bund aufgefordert, bis April ein gemeinsames Lagebild zu der Gruppierung vorzulegen“, sagte Reul unserer Redaktion. „Mit ihren Aktionen und der straffen Organisation könnten die Aktivisten zudem sogar als kriminelle Vereinigung zu behandeln sein. Auch das werden wir uns sorgfältig anschauen und bewerten“, so Reul weiter.
Die Partner der CDU in der Landesregierung, die Grünen, verpacken ihre Skepsis gegenüber Reuls Äußerungen diplomatisch. „Die Klimakrise ist eine Menschheitsaufgabe. Wir müssen über wirkungsvollen Klimaschutz sprechen und diesen umsetzen. Das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie, das wir schützen müssen“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion im Landtag, Julia Höller: „Ich teile selbstverständlich die Ansicht des Innenministers,
dass Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten ein berechtigtes Anliegen verfolgen. Klar ist: Gewalt ist kein legitimes Mittel des Protests. Laut Verfassungsschutz NRW gibt es momentan keine Anhaltspunkte für eine Radikalisierung der Klimabewegung hin zu einer verfassungsfeindlichen Bestrebung – wir vertrauen dieser Einschätzung.“
Die Opposition nannte Reuls Äußerungen überzogen. Christina Kampmann, innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, sagte: „Protest ist in der Demokratie legitim und notwendig. Und es ist nachvollziehbar, wenn Bürgerinnen und Bürger möchten, dass ihre Sorgen vor der Klimakrise gehört werden.“Doch so legitim Protest und das Anliegen Klimaschutz seien, so falsch seien Straftaten: „Sie schaden auch nur der eigentlich richtigen Idee, unser Klima zu schützen.“Kampmann sagte: „Auf keinen Fall darf die gesamte Klimabewegung stigmatisiert und in eine radikale Ecke gedrängt werden. Diesen Eindruck provoziert Innenminister Reul aber.“