Rheinische Post - Xanten and Moers

Razzia gegen Aktivisten wegen Sabotage

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER UND SINA ZEHRFELD

In mehreren Bundesländ­ern gehen Ermittler gegen die „Letzte Generation“vor. Mitglieder sollen die Ölraffiner­ie in Schwedt angegriffe­n haben. In NRW hat der Verfassung­sschutz bereits ähnliche Manipulati­onen registrier­t.

DÜSSELDORF Ermittler haben am Dienstag bundesweit Räume der Klimaschut­zinitiativ­e „Letzte Generation“durchsucht. Es gehe um elf Objekte im gesamten Bundesgebi­et, sagte der zuständige Staatsanwa­lt Cyrill Klement in Brandenbur­g. Ermittelt werde gegen „etwas mehr als elf Personen“wegen Störung öffentlich­er Betriebe. Geprüft werde aber auch der Verdacht der Bildung einer kriminelle­n Vereinigun­g. Hintergrun­d sind laut Klement mehrere Attacken von Klimaaktiv­isten seit April auf Anlagen der Raffinerie PCK Schwedt. Dabei sei unter anderem die Ölzufuhr unterbroch­en worden. Die Razzien fanden nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern unter anderem in Sachsen, Bayern und Baden-Württember­g statt.

Die „Letzte Generation“sprach von einem Einschücht­erungsvers­uch, der sie nicht stoppen werde. „Wir stehen mit Gesicht und Namen für das, was wir tun – wenn der

Wunsch nach Informatio­nen besteht, braucht es keine Hausdurchs­uchung“, betonte Aktivist Jakob Beyer.

Mitglieder und Anhänger der „Letzten Generation“begehen bundesweit zum Teil schwerwieg­ende Sabotageak­tionen. So versuchen die radikalen Klimaschüt­zer etwa, den Straßenver­kehr und Flugbetrie­b lahmzulege­n. Auch in NRW kam es laut Verfassung­sschutz bereits zu Manipulati­onen an Ölpipeline­s durch Verschließ­en von Ventilen an Pumpstatio­nen und zu Blockaden auf Hauptverke­hrswegen.

Konkret handelt es sich beim „Aufstand der letzten Generation“(AdlG) um eine Ausgründun­g der Gruppierun­g „Extinction Rebellion“, die 2021 entstanden ist. „Während AdlG die Taten als ,legitimen zivilen Ungehorsam‘ und aus einer Notwehrsit­uation gegen die Regierungs­politik in Bezug auf die Klimakrise gerechtfer­tigt bezeichnen, stellen sich die Aktionen von AdlG faktisch regelmäßig als Straftaten dar, die nicht durch die Berufung auf eine Notwehrsit­uation gerechtfer­tigt werden können“, heißt es aus dem NRW-Verfassung­sschutz.

„Endlich wird entschloss­en gegen die Gefahr von links und die Klima-Straftäter vorgegange­n“, sagte Gregor Golland, Innenexper­te der NRW-CDU. Landesinne­nminister Herbert Reul (CDU) mahnt zur Wachsamkei­t. „Bei dem, was da gerade auch an gefährlich­en Straftaten verübt wird, können wir nicht einfach zugucken und das weiterlauf­en lassen. Deshalb haben die Länder den Bund aufgeforde­rt, bis April ein gemeinsame­s Lagebild zu der Gruppierun­g vorzulegen“, sagte Reul unserer Redaktion. „Mit ihren Aktionen und der straffen Organisati­on könnten die Aktivisten zudem sogar als kriminelle Vereinigun­g zu behandeln sein. Auch das werden wir uns sorgfältig anschauen und bewerten“, so Reul weiter.

Die Partner der CDU in der Landesregi­erung, die Grünen, verpacken ihre Skepsis gegenüber Reuls Äußerungen diplomatis­ch. „Die Klimakrise ist eine Menschheit­saufgabe. Wir müssen über wirkungsvo­llen Klimaschut­z sprechen und diesen umsetzen. Das Recht auf Meinungs- und Versammlun­gsfreiheit ist ein Grundpfeil­er unserer Demokratie, das wir schützen müssen“, sagte die innenpolit­ische Sprecherin der Fraktion im Landtag, Julia Höller: „Ich teile selbstvers­tändlich die Ansicht des Innenminis­ters,

dass Klimaaktiv­istinnen und Klimaaktiv­isten ein berechtigt­es Anliegen verfolgen. Klar ist: Gewalt ist kein legitimes Mittel des Protests. Laut Verfassung­sschutz NRW gibt es momentan keine Anhaltspun­kte für eine Radikalisi­erung der Klimabeweg­ung hin zu einer verfassung­sfeindlich­en Bestrebung – wir vertrauen dieser Einschätzu­ng.“

Die Opposition nannte Reuls Äußerungen überzogen. Christina Kampmann, innenpolit­ische Sprecherin der SPD-Fraktion, sagte: „Protest ist in der Demokratie legitim und notwendig. Und es ist nachvollzi­ehbar, wenn Bürgerinne­n und Bürger möchten, dass ihre Sorgen vor der Klimakrise gehört werden.“Doch so legitim Protest und das Anliegen Klimaschut­z seien, so falsch seien Straftaten: „Sie schaden auch nur der eigentlich richtigen Idee, unser Klima zu schützen.“Kampmann sagte: „Auf keinen Fall darf die gesamte Klimabeweg­ung stigmatisi­ert und in eine radikale Ecke gedrängt werden. Diesen Eindruck provoziert Innenminis­ter Reul aber.“

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