Rheinische Post - Xanten and Moers

Das Cum-ex-Urteil ist erst der Anfang

- VON ANTJE HÖNING

Eine Freiheitss­trafe von acht Jahren hat das Landgerich­t Bonn gegen die Schlüsself­igur im Cum-ex-Skandal verhängt. In einem Alter, in dem andere im Ruhestand sind, muss Hanno Berger hinter Gitter – und das zu Recht. Der ehemalige Steuerbeam­te, der die Seiten wechselte und zum Berater etwa der Hamburger Bank Warburg wurde, hat die Geschäfte um das Hin- und Herverkauf­en von Aktien um den Dividenden­stichtag herum großgemach­t. Das Anlagemode­ll bestand darin, sich vom Staat eine Kapitalert­ragsteuer erstatten zu lassen, die man niemals bezahlt hatte. Und viele machten mit: Berater und Banken, die auf der Jagd nach Provision den Deal anpriesen, und Anleger, bei denen die Gier den gesunden Menschenve­rstand ausschalte­te – sie alle hätten ahnen müssen, dass eine Erstattung aus der Luft nicht legal sein konnte. Die Richter sind mit ihrem Urteil weitgehend der Staatsanwa­ltschaft gefolgt. Das vermeintli­che Geständnis Bergers werteten sie als das, was es war: ein taktisches Manöver, um die Strafe zu mildern, aber kein Ausdruck echter Reue. Durch Cum-ex-Geschäfte ist dem Staat ein Milliarden­schaden entstanden – Milliarden, die Schulen und Kliniken gut brauchen könnten. Gewiss: Zunächst haben Berger und Co. nur eine Gesetzeslü­cke genutzt. Doch weit vor dem ausdrückli­chen Verbot 2012 war klar, dass es sich um krumme Geschäfte handelte. Dieses Urteil sollte der Finanzbran­che eine Warnung sein.

Jenseits der strafrecht­lichen Frage für Hanno Berger stellt sich aber auch die nach dem Versagen des Staates: Warum dauerte es Jahre, bis die Bundesregi­erung Cum-ex-Deals ausdrückli­ch untersagte? Was wusste wann die Politik in Hamburg und andernorts? Und warum gibt es auch nach Jahren noch immer kaum Verurteilt­e? Hanno Berger müssen noch viele Berater und Banker folgen, die dem Staat mit der Cum-ex-Masche so schweren Schaden zufügten.

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