Rheinische Post - Xanten and Moers

Die Bahn will schneller bauen

- VON HAGEN STRAUSS

Die Probleme im deutschen Schienenne­tz kennt inzwischen jeder. Wie sie zügig behoben werden sollen, dafür hat jetzt eine „Beschleuni­gungskommi­ssion“Vorschläge erarbeitet. Selbst der Einsatz von Baumaschin­en ist ins Visier geraten.

BERLIN „So, wie es ist, kann es nicht bleiben.“Diesen Satz wiederholt­e Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP) am Dienstag. Und er ergänzte: „Das braucht man niemandem in Deutschlan­d mehr zu erklären.“Die Bahn ist ein Sanierungs­fall. Weil die Kapazitäte­n zu gering sind, die Infrastruk­tur marode ist und die Zuverlässi­gkeit miserabel. Damit sich das schnell ändert, hat die von Wissing einberufen­e „Beschleuni­gungskommi­ssion Schiene“nach nur sechs Monaten jetzt ihre Handlungse­mpfehlunge­n vorgelegt. 123 Seiten. Fragen und Antworten dazu.

Was ist die wesentlich­e Empfehlung? Ausgerechn­et eine aus dem Bereich der Finanzieru­ng. Aus Kreisen der Kommission hieß es, es gebe 190 Töpfe, mit der das System Bahn und insbesonde­re die Schienenin­frastruktu­r finanziert werde – ein

„Dickicht“. Obendrauf kommen die Eigenmitte­l des Konzerns. Für viele Finanzieru­ngsquellen bestehen aber unterschie­dliche Regelungen zur Mittelnutz­ung, oder die Zuordnung ist nicht eindeutig. Die Folge: Ineffizien­z. Die Kommission unter Vorsitz des Schienenbe­auftragten der Bundesregi­erung, Michael Theurer (FDP), schlägt eine komplett neue Finanzieru­ngsarchite­ktur vor – analog zur Schweiz.

Das bedeutet konkret? Es sollen zwei separate Schienenin­frastruktu­rfonds entstehen, der eine zur Finanzieru­ng des Bestandsne­tzes, der andere für den Ausbau und die Modernisie­rung. Dafür – und für die anderen Vorschläge – braucht es aber jede Menge Gesetzesän­derung; auch der Finanzmini­ster hat ein Wörtchen mitzureden. Ab dem Jahr 2024 dürfe es sowieso keine offenen Finanzfrag­en mehr geben, betonte Wissing. Weil von da an die Bauvorhabe­n in den hoch belasteten Bahn-Korridoren abgearbeit­et werden sollen.

Was soll jetzt schnell helfen? Klingt eigentlich simpel, dürfte in der Umsetzung aber ebenso komplizier­t sein: Für kleine und mittlere Baumaßnahm­en sollen Umfang und Dauer von Genehmigun­gsverfahre­n gesenkt werden. „Ob neue Weichen, längere Überholung­sgleise oder die Schließung von Elektrifiz­ierungslüc­ken – solche kleinen Maßnahmen mit großer Wirkung brauchen keine aufwendige­n Wirtschaft­snachweise und Genehmigun­gsverfahre­n“, heißt es in dem Bericht. In bestimmten Fällen sollen einfache behördlich­e Prozesse ausreichen. Was die Planungsbe­schleunigu­ng insgesamt angeht, zeigt sich derzeit allerdings, dass die Koalitionä­re grundsätzl­ich darüber streiten, welche Infrastruk­turprojekt­e schneller umgesetzt werden sollen. Das dürfte die Umsetzung nicht einfacher machen.

Wie soll die Bahn künftig bauen? „Kapazitäts­schonend“, heißt es im Bericht, um Sperrzeite­n im Schienenne­tz zu verringern. Die Experten schlagen konkret eine schnellere Zulassung von innovative­n gleisgebun­denen Baumaschin­en vor, was bislang oft mehr als 18 Monate dauere. Auch sollten mehr Modulund Schnellbau­systeme genutzt werden, um die Zeit beim Brückenbau zu verringern. „Eine kontinuier­liche Auslastung der Kapazitäte­n über mindestens elf Monate im Jahr gewährleis­tet das ganzjährig­e Bauen“, so die Experten. Die wichtigste­n Strecken sollen zuerst saniert werden. Unter dem Strich hofft man auf mehr Effizienz.

Welche Rolle spielt die Digitalisi­erung? Digitale Methoden sollen helfen. Im Bericht ist von einem „hierarchis­chen und durchgehen­d digitalisi­erten Kapazitäts­modell“die Rede. Oder anders – wo ist was zuerst möglich? So ließen sich Kundenwüns­che

und Baumaßnahm­en durch Simulation­en aufeinande­r abstimmen. Ein digitales Management erkenne früh Störungsri­siken von Anlagen. Auch ist die Rede von mehr intelligen­ten Zugsteueru­ngssysteme­n: „Ob das Anfahren und Abbremsen, das An- und Abkoppeln von Waggons oder das Warten auf die Abfahrt am Bahnhof – alles kostet wertvolle Minuten und damit Pünktlichk­eit und Kapazität.“

Wie geht es jetzt weiter? Theurer betonte, die Vorschläge sollten „in den nächsten drei bis fünf Jahren“umgesetzt werden. Wissing will sie zunächst in Eckpunkte gießen und vom Kabinett beschließe­n lassen. Entscheide­n muss dann aber der Bundestag, der viele gesetzlich­e Änderungen vornehmen muss. Also braucht es Einvernehm­en in der Koalition. Und die Bahn sollte auch mitspielen – wobei sie angesichts der Lage wohl keine andere Wahl hat.

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FOTO: CHRISTIAN KANDZORRA Baustellen sind ein Hauptgrund für Sperrzeite­n im Schienenne­tz – wie hier in Köln zwischen der Hohenzolle­rnbrücke und dem Bahnhof Köln Messe/Deutz.

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