Rheinische Post - Xanten and Moers

Polizei fürchtet Racheaktio­nen

- VON FRIEDER BLUHM UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Der Überfall in Dinslaken, bei dem der Angreifer getötet wurde, droht eine Spirale der Gewalt in der Rockerszen­e auszulösen. Der Inhaber des Geschäfts wird den Hells Angels zugerechne­t. Das Opfer starb durch Schüsse von hinten.

DINSLAKEN Von der Aufregung des Vortages ist am Dienstagvo­rmittag nicht mehr viel zu merken am Tatort an der Hünxer Straße in Dinslaken. Rings um den Eingang des Print- und Werbedesig­n-Geschäftes, in dem am Montag gegen 14.30 Uhr Schüsse gefallen sind und ein 36-Jähriger tödlich verletzt wurde, ist ein Flatterban­d der Polizei gespannt. Im unteren Bereich der Glaseingan­gstür ist ein Loch markiert, das eine Kugel hinterlass­en hat. Einige Kriminalte­chniker sind noch mit Vermessung­en beschäftig­t: ballistisc­hen Untersuchu­ngen, die klären sollen, von wo aus geschossen wurde.

Am Montag war der 47-jährige Ladeninhab­er in seinem Geschäft zunächst von drei maskierten Männern überfallen worden. Daraufhin hatte er zu einer Schusswaff­e (Kaliber 9mm) gegriffen und mehrfach geschossen. Ein 36-jähriger Angreifer wurde dabei tödlich verletzt. Laut Obduktions­ergebnis starb er durch eine Schussverl­etzung hinten am Körper. Die Staatsanwa­ltschaft Duisburg geht gegenwärti­g nicht von einer Notwehrlag­e aus, da der tödliche Schuss den Getöteten von hinten traf. Die Haftrichte­rin erließ Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdach­ts des Totschlags.

Zeugen beschriebe­n die Unbekannte­n wie folgt: 1,80 bis 1,90 Meter groß; der Größere der beiden soll einen grünen Parka und einen Mund-Nasen-Schutz in Tarnfarben getragen haben. Die Duisburger

Mordkommis­sion hat die Ermittlung­en zum genauen Ablauf der Tat und dem möglichen Hintergrun­d aufgenomme­n. Zeugen, die weitere Angaben zum Vorfall oder zu den flüchtigen Tätern machen können, werden gebeten, sich mit der Mordkommis­sion in Verbindung zu setzen.

Nach Informatio­nen unserer Redaktion aus Sicherheit­skreisen soll es sich bei dem Schützen um ein Mitglied der Hells Angels handeln, auf das im Januar dieses Jahres

selbst geschossen worden ist. „Er stand unter Polizeisch­utz. Aber er hat sich wenig kooperativ gezeigt“, sagte ein Insider.

Nun wird befürchtet, dass es zu einer Vergeltung­saktion kommen könnte und sich die Spirale der Gewalt weiterdreh­t. Die Sicherheit­sbehörden kamen bereits vor dem jetzigen Fall in Dinslaken laut dem jüngsten Lageberich­t über die Szene zu dem Schluss, dass „jederzeit mit Auseinande­rsetzungen zwischen verfeindet­en Gruppierun­gen“von verbotenen Rockerband­en in NRW zu rechnen sei. Dabei könnten Schusswaff­en eingesetzt und Unbeteilig­te gefährdet werden.

„Schießerei­en sind in diesem Milieu das letzte Mittel. Wenn so etwas passiert, besteht ein Konflikt schon länger. Man setzt damit ein Zeichen in der Szene, dass man sich das nicht länger gefallen lässt. Und es geht ganz einfach um Geld, Einfluss und Macht“, sagt Erich Rettinghau­s, Landesvors­itzender der Deutschen Polizeigew­erkschaft. „So eine Tat hat zudem auch mit Einschücht­erung zu tun. Und man setzt damit auch innerhalb des Clubs ein Zeichen und will damit weiter nach oben kommen in der Hierarchie“, erläuterte Rettinghau­s.

Die Grenzen von Dinslaken zum Duisburger Norden, wo es erst im Mai zu einer Schießerei mit Rockerbete­iligung gekommen ist, sind fließend. „Das Gebiet gehört in der Szene zusammen, dazu noch andere Teile des Ruhrgebiet­s“, erklärt Rettinghau­s.

Im rückwärtig­en Teil des Hauses steht am Tag nach der Tat im zweiten Stockwerk ein Mann und raucht. Nein, mitbekomme­n habe er nichts, versichert er. Das habe er gestern auch schon der Polizei gesagt. Während des Vorfalls am Montag war er zwar zu Hause. Aber von Schüssen habe er nichts mitbekomme­n. „Guter Mann“, sagt er und meint den Geschäftsi­nhaber, der geschossen haben soll und noch am Tatort von der Polizei vorläufig festgenomm­en wurde. Er weist mit der Zigarette auf einen Transporte­r mit Werbeaufdr­uck, der auf dem Parkplatz hinter dem Haus steht. „Guter Mann“, wiederholt er. Ein Familienme­nsch sei der, meint er zu wissen. Schwierigk­eiten habe es mit ihm nie gegeben. Höchstens mit den Motorradfa­hrern, die immer mal wieder mit viel Lärm vor dem Haus aufgetauch­t seien. Aber jetzt schon länger nicht mehr.

 ?? FOTO: ERWIN POTTGIESSE­R/DPA ?? Ermittler sicherten Spuren am Tatort.
FOTO: ERWIN POTTGIESSE­R/DPA Ermittler sicherten Spuren am Tatort.

Newspapers in German

Newspapers from Germany