Rheinische Post - Xanten and Moers
Polizei fürchtet Racheaktionen
Der Überfall in Dinslaken, bei dem der Angreifer getötet wurde, droht eine Spirale der Gewalt in der Rockerszene auszulösen. Der Inhaber des Geschäfts wird den Hells Angels zugerechnet. Das Opfer starb durch Schüsse von hinten.
DINSLAKEN Von der Aufregung des Vortages ist am Dienstagvormittag nicht mehr viel zu merken am Tatort an der Hünxer Straße in Dinslaken. Rings um den Eingang des Print- und Werbedesign-Geschäftes, in dem am Montag gegen 14.30 Uhr Schüsse gefallen sind und ein 36-Jähriger tödlich verletzt wurde, ist ein Flatterband der Polizei gespannt. Im unteren Bereich der Glaseingangstür ist ein Loch markiert, das eine Kugel hinterlassen hat. Einige Kriminaltechniker sind noch mit Vermessungen beschäftigt: ballistischen Untersuchungen, die klären sollen, von wo aus geschossen wurde.
Am Montag war der 47-jährige Ladeninhaber in seinem Geschäft zunächst von drei maskierten Männern überfallen worden. Daraufhin hatte er zu einer Schusswaffe (Kaliber 9mm) gegriffen und mehrfach geschossen. Ein 36-jähriger Angreifer wurde dabei tödlich verletzt. Laut Obduktionsergebnis starb er durch eine Schussverletzung hinten am Körper. Die Staatsanwaltschaft Duisburg geht gegenwärtig nicht von einer Notwehrlage aus, da der tödliche Schuss den Getöteten von hinten traf. Die Haftrichterin erließ Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts des Totschlags.
Zeugen beschrieben die Unbekannten wie folgt: 1,80 bis 1,90 Meter groß; der Größere der beiden soll einen grünen Parka und einen Mund-Nasen-Schutz in Tarnfarben getragen haben. Die Duisburger
Mordkommission hat die Ermittlungen zum genauen Ablauf der Tat und dem möglichen Hintergrund aufgenommen. Zeugen, die weitere Angaben zum Vorfall oder zu den flüchtigen Tätern machen können, werden gebeten, sich mit der Mordkommission in Verbindung zu setzen.
Nach Informationen unserer Redaktion aus Sicherheitskreisen soll es sich bei dem Schützen um ein Mitglied der Hells Angels handeln, auf das im Januar dieses Jahres
selbst geschossen worden ist. „Er stand unter Polizeischutz. Aber er hat sich wenig kooperativ gezeigt“, sagte ein Insider.
Nun wird befürchtet, dass es zu einer Vergeltungsaktion kommen könnte und sich die Spirale der Gewalt weiterdreht. Die Sicherheitsbehörden kamen bereits vor dem jetzigen Fall in Dinslaken laut dem jüngsten Lagebericht über die Szene zu dem Schluss, dass „jederzeit mit Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Gruppierungen“von verbotenen Rockerbanden in NRW zu rechnen sei. Dabei könnten Schusswaffen eingesetzt und Unbeteiligte gefährdet werden.
„Schießereien sind in diesem Milieu das letzte Mittel. Wenn so etwas passiert, besteht ein Konflikt schon länger. Man setzt damit ein Zeichen in der Szene, dass man sich das nicht länger gefallen lässt. Und es geht ganz einfach um Geld, Einfluss und Macht“, sagt Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. „So eine Tat hat zudem auch mit Einschüchterung zu tun. Und man setzt damit auch innerhalb des Clubs ein Zeichen und will damit weiter nach oben kommen in der Hierarchie“, erläuterte Rettinghaus.
Die Grenzen von Dinslaken zum Duisburger Norden, wo es erst im Mai zu einer Schießerei mit Rockerbeteiligung gekommen ist, sind fließend. „Das Gebiet gehört in der Szene zusammen, dazu noch andere Teile des Ruhrgebiets“, erklärt Rettinghaus.
Im rückwärtigen Teil des Hauses steht am Tag nach der Tat im zweiten Stockwerk ein Mann und raucht. Nein, mitbekommen habe er nichts, versichert er. Das habe er gestern auch schon der Polizei gesagt. Während des Vorfalls am Montag war er zwar zu Hause. Aber von Schüssen habe er nichts mitbekommen. „Guter Mann“, sagt er und meint den Geschäftsinhaber, der geschossen haben soll und noch am Tatort von der Polizei vorläufig festgenommen wurde. Er weist mit der Zigarette auf einen Transporter mit Werbeaufdruck, der auf dem Parkplatz hinter dem Haus steht. „Guter Mann“, wiederholt er. Ein Familienmensch sei der, meint er zu wissen. Schwierigkeiten habe es mit ihm nie gegeben. Höchstens mit den Motorradfahrern, die immer mal wieder mit viel Lärm vor dem Haus aufgetaucht seien. Aber jetzt schon länger nicht mehr.