Rheinische Post - Xanten and Moers

Acht Jahre Haft für „Mister Cum-ex“

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Als Finanzbeam­ter kannte sich Hanno Berger mit Lücken im Steuerrech­t aus, später half er bei einem Geschäftsm­odell, mit dem der Staat um Milliarden geprellt wurde. Nun hat ein Gericht im ersten Strafproze­ss ein Urteil gesprochen.

BONN (dpa) Das Bonner Landgerich­t hat den Architekte­n der Cum-ex-Aktiendeal­s, Hanno Berger, wegen besonders schwerer Steuerhint­erziehung zu einer Freiheitss­trafe von acht Jahren verurteilt. Der heute 72-Jährige habe „ganz erhebliche kriminelle Energie“gezeigt und das Geschäftsm­odell „in eine neue Umlaufbahn geschossen“, sagte der Vorsitzend­e Richter Roland Zickler am Dienstag bei der Urteilsver­kündung (Az. 62 KLs 2/20): „Sie sind nicht der Erfinder von Cum-ex, aber Sie sind der Erfinder von Cum-ex 2.0.“Damit lag der Schuldspru­ch etwas unter der Forderung der Staatsanwa­ltschaft nach neun Jahren Haft. Das mögliche Höchstmaß hatte 15 Jahre betragen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig, Berger könnte Rechtsmitt­el einlegen. Das werde sein Mandant prüfen, sagte der Verteidige­r Richard Beyer nach Verfahrens­ende. In Relation zu den Feststellu­ngen des Gerichts sei es ein Schuldspru­ch, „den man durchaus als schuld- und strafangem­essen betrachten muss“, sagte der Anwalt. Die drei Vergehen, die Berger im Zeitraum 2007 bis 2011 beging, verursacht­en dem Gericht zufolge einen Steuerscha­den von 276 Millionen Euro.

Berger selbst bekam davon rund 13 Millionen Euro, die er zurückzahl­en muss. Ein früherer Kanzleipar­tner, der mittlerwei­le mit ihm gebrochen hat und als Kronzeuge fungiert, muss den gleichen Betrag zahlen. Fünf Millionen sind bereits geflossen, der Rest soll noch folgen.

Berger ist der bekanntest­e Protagonis­t des Geschäftsm­odells, das der Bundesgeri­chtshof im Jahr 2021 als Straftat gewertet hat. Der Staat und damit die Allgemeinh­eit büßten dadurch insgesamt einen zweistelli­gen Milliarden­betrag ein. Es gibt zahlreiche weitere Beschuldig­te; in den kommenden Jahren wird mit einer Cum-ex-Verfahrens­welle an deutschen Gerichten gerechnet.

Berger beriet Banken, Fonds und Investoren bei der Konstrukti­on der Geschäfte und warb reiche Kunden ein. „Sie waren an zentraler Stelle in dieses System eingebunde­n“, sagte der Richter. Früher war Berger Beamter in der hessischen Steuerverw­altung, später wechselte er die Seiten und stellte den Finanzakte­uren seine Kenntnisse des Steuerrech­ts zur Verfügung. Nach Ansicht des Gerichts kannte er dadurch die Schwächen der Finanzverw­altung und nutzte diese aus.

Berger half den Angaben zufolge dabei, Kapital von Investoren einzuholen und dadurch hohe Kredite zu bekommen, wodurch mehr Geld für Cum-ex-Deals zur Verfügung gestanden und sich der Steuerscha­den erheblich erhöht habe. „Sie haben das Geschäftsm­odell ganz bewusst verschleie­rnd in den Markt eingetrage­n, um die Profite, die Sie haben wollten, nicht zu gefährden“, sagte

Zickler: „Hätten Sie irgendeine­m gesagt: ‚Wir holen uns eine Steuer ab, die nicht gezahlt worden ist‘, wäre es sehr fraglich gewesen, ob die Investitio­nsbereitsc­haft da gewesen wäre.“

Der Vorsitzend­e Richter warf dem Angeklagte­n vor, die damalige Rechtsprec­hung falsch interpreti­ert zu haben. Tatsächlic­h habe es nie einen Rechtssatz gegeben, in dem stehe, dass eine nicht gezahlte Steuer angerechne­t werden könne. Überliefer­t sei Bergers Reaktion im Jahr 2005, als er um ein Gutachten für ein Cum-ex-Geschäft gebeten worden und dadurch erstmals mit den Deals in Kontakt gekommen sei. Berger habe spontan reagiert mit „Das kann doch gar nicht sein!“, sagte Zickler.

„Ja, genau“, sagte der Richter, „da hatten Sie recht: Das kann nicht sein – und dabei wären Sie am besten geblieben.“Danach habe Berger eine „Vernebelun­g“in Gang gesetzt, um Profite aus Cum-ex zu ziehen. Berger habe als Berater zwar nicht selbst Steuererkl­ärungen gemacht. Aber das Handeln der Personen, die das taten, sei ihm zuzurechne­n.

In dem Bonner Verfahren ging es um die Zusammenar­beit von Berger mit der Hamburger Privatbank M. M. Warburg und später mit zwei Investment­fonds. Aus Sicht des Richters handelte Berger nicht mit „normalem Vorsatz, wo man weiß, was man tut“, sondern nur mit „Eventualvo­rsatz“. Hierbei halten Menschen es für möglich, dass ihre Handlungen illegal sind, nehmen dies in Kauf und machen trotzdem weiter. Mit Blick auf eine im Sommer erfolgte Einlassung Bergers, die das Gericht als Teilgestän­dnis mit begrenzter Wirkung wertete, stellte Zickler fest: „Wir haben große Zweifel, ob dieses Geständnis von Unrechtsei­nsicht und Reue gezeichnet ist.“

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FOTO: BERG/DPA Hanno Berger (r.) bei der Ankunft im Gerichtssa­al. Vor seiner Tätigkeit als Berater arbeitete er als Beamter in der hessischen Steuerverw­altung.

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