Rheinische Post - Xanten and Moers

Heißes Halbfinale für Paris

- VON CHRISTINE LONGIN

Rund 5000 Polizisten sollen in der französisc­hen Hauptstadt beim Spiel gegen Marokko für Ruhe sorgen. Die extreme Rechte hetzt schon jetzt gegen nordafrika­nische Anhänger.

PARIS Wenn am Mittwochab­end auf den Pariser Champs-Elysées die Feuerwerks­körper knallen, ist Emmanuel Macron mehr als 6000 Kilometer weit weg. Der französisc­he Präsident, der sich das Spiel Frankreich­s gegen Marokko im Stadion in Katar anschaut, wird von hupenden Autokorsos und grölenden Fans also nichts mitbekomme­n. Doch in Paris wird das Halbfinale der FußballWM, das die marokkanis­che Nationalma­nnschaft völlig unerwartet erreichte, mit Sorge erwartet. Rund 5000 Polizisten sollen laut Innenminis­terium in der Hauptstadt im Einsatz sein, um Ausschreit­ungen zu verhindern. Beim Viertelfin­aleinzug der Marokkaner am Samstag waren bereits 1200 Beamte auf den Straßen unterwegs.

Auf den Champs-Elysées, der weltbekann­ten Avenue zwischen Triumphbog­en und Place de la Concorde, feierten rund 20.000 marokkanis­che Fans den Sieg über den Favoriten Portugal. „Die Stimmung war sehr lange festlich“, zitierte die Zeitung „Le Parisien“Polizeikre­ise. „Die Zwischenfä­lle blieben sehr gemäßigt.“Die Polizei nahm rund hundert Randaliere­r fest, die drei Motorrolle­r anzündeten und zwei Schaufenst­er einschluge­n. Unklar war, ob es sich bei den Tätern um Fußballfan­s oder Jugendlich­e handelte, die Krawall machen wollten.

Anhänger der Rechtsextr­emen bliesen die Szenen dennoch in den sozialen Netzwerken auf. Der rechtsextr­eme frühere Präsidents­chaftskand­idat Éric Zemmour sprach sogar von „Aufständen“. „Wir sollten nicht ständig Ausschreit­ungen vorwegnehm­en, aber wir sollten die Organisati­on der Sicherheit­skräfte vorwegnehm­en, um zu vermeiden, dass es Ausschreit­ungen gibt“, reagierte Regierungs­sprecher Olivier Véran im Fernsehen.

Für Mittwochab­end entschied der Präfekt von Paris, die Champs-Elysées, auf denen Fußballsie­ge traditione­ll gefeiert werden, vorerst nicht abzusperre­n. Die Läden sollen im Weihnachts­geschäft geöffnet bleiben und auch der Verkehr soll weiter fließen, so dass die Feiernden – egal welcher Nationalit­ät – auf die Gehwege ausweichen müssen.

Laut Statistikb­ehörde INSEE leben in Frankreich rund 835.000 Eingewande­rte aus Marokko. Das nordafrika­nische Land war von 1912 bis 1956 französisc­hes Protektora­t, das allerdings weniger Spuren hinterließ als die Kolonialis­ierung des Nachbarlan­des Algerien. Anti-französisc­he Ressentime­nts machten sich lediglich beim Freundscha­ftsspiel

Sacha Houlié Abgeordnet­er

zwischen Frankreich und Marokko 2007 Luft, als einzelne marokkanis­che Fans die französisc­he Hymne ausbuhten. Viele Französinn­en und Franzosen marokkanis­cher Herkunft sind vor dem Halbfinale

hin und her gerissen. „Marokko bliebt die Mannschaft meines Herzens, aber ich werde glücklich sein über einen Sieg Frankreich­s“, sagte beispielsw­eise die Schriftste­llerin Leila Slimani, die in Marokko geboren wurde und seit Jahrzehnte­n in Frankreich lebt, in einem Zeitungsin­terview.

Zwischen Frankreich und Algerien ging es im Fußball dagegen deutlich härter zu. Das erste Freundscha­ftsspiel seit der Unabhängig­keit Algeriens, in die Frankreich die Kolonie erst 1962 nach achtjährig­em Krieg entließ, endete 2001 mit einem Spielabbru­ch. Als die Franzosen in der 55. Minute das vierte Tor schossen, warfen algerische Fans Plastikfla­schen, Stöcke und Bierdosen auf die Ehrenloge des damaligen französisc­hen Premiermin­isters Lionel Jospin. Nach 78 Minuten wurde das Match beendet, weil Dutzende algerische Fans den Rasen des Stade de France stürmten. Im August schlug Macron, der Sport gerne zu diplomatis­chen Zwecken einsetzt, bei einem Besuch in Algier ein erneutes Freundscha­ftsspiel zwischen den beiden Mannschaft­en vor. „Das wäre eine gute Sache, um die Vergangenh­eit zu begraben.“

Für das Halbfinale gegen Marokko setzt der Präsident auf ein „brüderlich­es und freundscha­ftliches Spiel.“Und sein langjährig­er Weggefährt­e, der Abgeordnet­e Sacha Houlié, sagte: „Ich hoffe, dass das ein schönes Fest wird und dass die extreme Rechte eine lange Nase gezeigt bekommt.“

„Ich hoffe, dass die extreme Rechte eine lange Nase gezeigt bekommt“

 ?? FOTO: FRANCOIS MORI/AP ?? Polizisten stehen nach der Partie zwischen Frankreich und England auf den Champs-Elysées. Das Spiel gegen Marokko wird erneut brisant.
FOTO: FRANCOIS MORI/AP Polizisten stehen nach der Partie zwischen Frankreich und England auf den Champs-Elysées. Das Spiel gegen Marokko wird erneut brisant.

Newspapers in German

Newspapers from Germany