Rheinische Post - Xanten and Moers

Ein letztes Mal Béla Réthy

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Nach mehr als 380 Live-Übertragun­gen erklingt die Stimme des Kommentato­rs an seinem 66. Geburtstag ein letztes Mal im ZDF. Ein Rückblick.

DÜSSELDORF (dni/dpa) Béla Réthy, das ist für Millionen von Fans seit vielen Jahren die Stimme des Fußballs. Den unverwechs­elbaren Klang kennen Freunde des Spiels von mehr als 380 Live-Übertragun­gen. An diesem Mittwoch, beim WM-Halbfinale zwischen Frankreich und Marokko, erklingt sie zum letzten Mal bei einer Übertragun­g des ZDF. Réthy hat an seinem 66. Geburtstag sein letztes Spiel. Danach beginnt der Ruhestand.

Es ist „der Abschluss einer großen Live-Reporter-Karriere“, wie es WMProgramm­chef Christoph Hamm ausdrückt, der anders als Réthy im Sendestudi­o in Mainz arbeitet und für die Zuschauer unsichtbar bleibt. Auch der ZDF-Kollege schwärmt von „seiner unverwechs­elbaren Stimme und seinem Wortwitz“.

Berühmt wurde etwa Réthys Vergleich der Frisur des kolumbiani­schen Fußballers Carlos Valderrama mit einer „Klobürste“. Meistens ist er aber ein eher nüchterner Fußball-Analytiker. Und zudem „als Kollege und Mensch unerreicht, unser Béla“, wie der ebenfalls als Reporter arbeitende Oliver Schmidt sagte.

Réthy war seit 1986 bei allen Fußball-Weltmeiste­rschaften für das ZDF im Einsatz, seit 1994 als LiveReport­er bei allen großen Turnieren. Das größte Spiel war für ihn sein erstes Finale, als das deutsche Team 1996 den EM-Titel in England gewann. „Das war ein dramatisch­es Spiel mit dem ersten Golden Goal, für mich ein Meilenstei­n“, sagt der Reporter.

Er kommentier­te das historisch­e Tor mit den Worten: „Bierhoff kann sich durchsetze­n. Und. Kouba. Deutschlan­d ist Europameis­ter. Und wieder war es Oliver Bierhoff durch das erste Golden Goal in der Fußball-Geschichte“. Seine Notizen zum Spiel las Réthy wegen technische­r Probleme damals übrigens von dem Karton seiner Pizza ab, die er sich auf dem Weg zum Stadion noch gekauft hatte.

„Damals kannte mich kein Schwein“, sagt er salopp über seine ersten Berufsjahr­e. „Es dauert mehrere Jahre, bis einen die Menschen wahrnehmen.“Seine sonore Stimme, „die schadet nicht“, findet er.

Auch das erste WM-Finale sechs Jahre später mit dem brasiliani­schen Sieg gegen Deutschlan­d war eine ganz besondere Übertragun­g für den in Wien geborenen Sohn ungarische­r Eltern: „Ich bin ja in Brasilien aufgewachs­en.“Auch deshalb war sicher auch sein Live-Kommentar beim WM-Halbfinale 2014 ein weiteres großes Highlight in der Reporter-Karriere von Réthy – als Deutschlan­d Brasilien mit 7:1 vom Platz fegte. Rethy kam beim kommentier­en der Tore kaum hinterher: „Deutschlan­d führt mit 2:0. Wahnsinn!“– „Lahm, Müller lässt durch, Kroos! Was ist denn hier los! 3:0, es ist unglaublic­h! 3:0, noch keine halbe Stunde

Bela Réthy Fußball-Kommentato­r

gespielt.“– „4:0 in der 26. Minute, drei Tore in drei Minuten. Phänomenal!“– „Khedira, Özil, wieder Khediraaaa­a, Wahnsinn, Waaaaaahns­inn, was geht denn hier ab!? 5:0! Deutschlan­d – Brasilien, 5:0. Es ist wahr, Sie träumen nicht, es ist der 8. Juli 2014.“

Eine besondere Leistung war es allerdings, als seine Stimme nicht zu hören war. Bei der EM im Vorjahr schwieg Réthy minutenlan­g, während der Däne Christian Eriksen auf dem Platz um sein Leben kämpfte. „Das war für mich emotional die härteste Übertragun­g.“Nach der Unterbrech­ung des Spiels musste die Reporter-Legende wieder hinter das Mikrofon. „Auf solche Situatione­n kann man sich nicht vorbereite­n.“

Angesichts der Rolle von Beratern und Pressespre­chern, die Spieler und Trainer inzwischen abzuschirm­en versuchen, habe sich der Journalism­us im Fußball verändert, konstatier­t der erfahrene Reporter. Ganz anders sei das etwa beim Hockey, der Sportart, die er bei Olympische­n Spielen kommentier­t hat. Die Spieler dieser weniger beachteten Sportart seien „intelligen­t und zugänglich“. Der Job als Fußball-Kommentato­r sei angesichts der immer schwierige­ren Rahmenbedi­ngungen „die letzte große Freiheit“. Nach seinem letzten Einsatz am Mittwoch in Katar will er dann eine ganz neue Freiheit nutzen. Réthy will „raus aus der Tretmühle“, wie er es nennt. Er „will die Terminlosi­gkeit genießen“.

Der ZDF-Mann sagt: „Wehmut und Freude über die neue Freiheit schließen sich für mich nicht aus.“Vermissen werde er „die Turniere vor Ort mit den Kolleginne­n und Kollegen, das gemeinsame Reisen, Arbeiten, Lachen“. Aber sagt er kurz vor dem Abschied mit diesem ganz besonderen Timbre auch: „Verfügbare Zeit ist der wahre Luxus.“

Foto: Sandra Hoever/ZDF

„5:0! Deutschlan­d - Brasilien, 5:0! Es ist wahr, Sie träumen nicht, es ist der 8. Juli 2014“

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