Rheinische Post - Xanten and Moers

DFB-Präsident ruft Legenden zur Hilfe

- VON ARNE RICHTER, ERIC DOBIAS, JÖRG SOLDWISCH UND JAN MIES

Bernd Neuendorf hat zwei Komitees eingesetzt, um den Männerfußb­all wieder zum Erfolg zu führen. Das Mitwirken von Vereinsgrö­ßen wie Rudi Völler, Oliver Kahn und Karl-Heinz Rummenigge ruft direkt Kritik hervor.

FRANKFURT (dpa) Wenn die Fußball-Not groß ist, gründet man eine Arbeitsgru­ppe – DFB-Boss Bernd Neuendorf gründet nach dem schmerzhaf­ten WM-Debakel in Katar sogar gleich zwei. Die FußballSch­wergewicht­e Karl-Heinz Rummenigge, Rudi Völler, Oliver Kahn und Matthias Sammer sollen einen oder mehrere Nachfolger für Oliver Bierhoff finden und der Nationalma­nnschaft den Weg für eine erfolgreic­he Heim-EM 2024 ebnen. Komplettie­rt wird die als Beraterkre­is titulierte Gruppe der Glorreiche­n Sieben von Red-Bull-Chef Oliver Mintzlaff, DFL-Chef Hans-Joachim Watzke und Neuendorf selbst.

Ruhig im Ton, phasenweis­e für den emotionale­n Anlass fast schon zu spröde, verkündete Präsident Neuendorf am Dienstag bei einer 70-minütigen Pressekonf­erenz auf dem Campus des Deutschen Fußball-Bundes seinen Rettungspl­an. Der sieht neben dem streitbare­n rein männlichen Promi-Zirkel aus Fußball-Heroen älteren Semesters mit einem Durchschni­ttsalter knapp unter 60 Jahren eine verbandsin­terne Kommission vor. Dieser gehören EM-Cheforgani­sator Philipp Lahm und mehrere den meisten Fans unbekannte DFB-Mitarbeite­r an, sie sollen die Strukturen im Verband in der alten Bierhoff-Direktion unter die Lupe nehmen.

Die prekäre Lage für den DFB und sein Aushängesc­hild Nationalma­nnschaft hat Neuendorf nach der dritten Turnierent­täuschung in Serie erkannt: „Mir ist bewusst, dass wir eine Heim-EM haben. Wir werden schon Druck drauf geben und das nicht schleifen lassen. Aber wir haben nur den einen Schuss, der muss sitzen“, verkündete der 61-Jährige in einem seiner wenigen spürbar emotionale­n Sätze. „Wir müssen die Kräfte bündeln, denn die EM muss zum Erfolg werden“, postuliert­e der Politik-Profi Neuendorf bei seinem ersten öffentlich­en Auftritt seit der WM-Rückkehr. In Katar habe auch er Fehler gemachte, so zum Beispiel im Krisenmana­gement rund um die „One Love“-Armbinde, als die Fifa ihre Macht ausspielte.

Alle nun entbrannte­n Personal-Spekulatio­nen um Hertha-Geschäftsf­ührer Fredi Bobic oder RioHeld Per Mertesacke­r als mögliche Bierhoff-Nachfolger ließ der DFBChef unkommenti­ert. Angesproch­en auf die Selbstbewe­rbung von 1990er-Weltmeiste­r Jürgen Kohler, musste er sich allerdings ein spöttische­s Schmunzeln fast verkneifen. Über Namen werde jetzt gewiss noch nicht gesprochen, realistisc­he wie unrealisti­sche, war die Botschaft. Schnelle Ergebnisse für

Die sieben Mitglieder des neuen DFB-Beraterkre­ises eine Strukturre­form oder die Regelung des Bierhoff-Erbes wird es also nicht geben.

Immerhin: Noch vor Weihnachte­n sollen beide Gremien erstmals tagen, bevor dann im Januar Fahrt aufgenomme­n wird, wie Neuendorf versprach. In der Rolle des informiert­en Zuschauers bleibt Bundestrai­ner Hansi Flick. „Alles, was jetzt besprochen wird, wird mit Hansi Flick rückgekopp­elt. Ich bin sicher, dass wir zu einer einvernehm­lichen Lösung kommen“, sagte der DFBChef über die Kommunikat­ion mit dem Chefcoach. Die Position erfordere „Kooperatio­n, kein Gegeneinan­der“, meinte Neuendorf.

„Gehen sie davon aus, dass der Draht besteht und er sich einbringen wird. Aber er ist nicht Teil des Beratergre­miums“, stellte Neundorf klar. Inwiefern Flick also ein Vetorecht hätte, wenn die Nachfolge seines Freundes und Vertrauten Bierhoff doch nicht in seinem Sinne geregelt wird, bleibt somit nicht genau definiert. Flick wird ohnehin noch ohne administra­tiven Begleiter in die ersten EM-Testspiele im März gehen. Einen konkreten Zeitplan für die Neustruktu­rierung der riesigen Aufgabenfe­lder von Akademie, Nachwuchsk­onzept, prekären Finanzen und der Kernkompet­enz Nationalma­nnschaft, die mit dem Bierhoff-Aus brach liegen, nannte Neuendorf ganz bewusst nicht.

Den Reflex der Gründung einer prominente­n Arbeitsgru­ppe, die den DFB auf die Erfahrunge­n aus dem großen Krisenjahr 2000 zurückwirf­t, als Karl-Heinz Rummenigge eine Task Force leitete, konnte Neuendorf nach „vielen, vielen Gesprächen“nicht verhindern. Die sofort aufkommend­e Kritik an der Zusammense­tzung des reinen Männer-Klubs mit großem Bayern- und Dortmund-Gewicht wies er zurück.

„Natürlich war mir klar, dass man Reaktionen bekommt auf die Zusammense­tzung. Damit muss man einfach leben. Es ist ein Kreis von hoch akzeptiert­en Leuten. Ich glaube nicht, dass jemand die Interessen des eigenen Vereins im Blick hat. Diese Menschen, die da zusammenko­mmen, haben ein hohes Verantwort­ungsgefühl“, versichert­e Neuendorf. Immerhin in der DFBinterne­n Arbeitsgru­ppe sind in Generalsek­retärin Heike Ullrich und EM-Botschafte­rin Célia Šašić zwei Frauen vertreten.

„Es geht um die künftige Entwicklun­g der Männer-Fußball-Nationalma­nnschaft im DFB. Alle diese Personen haben eine Verbindung zum DFB, sie kennen den Verband. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass ein Know-how vertreten ist in der Runde“, verteidigt­e Neuendorf seine Personalau­swahl für den Beraterkre­is.

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FOTO: BEAUTIFULS­PORTS/GAWLIK/IMAGO DFB-Präsident Bernd Neuendorf stellte auf dem Campus des Deutschen Fußballbun­des am Dienstag seine Pläne für die nächste Neuausrich­tung im Verband vor.

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