Rheinische Post - Xanten and Moers

Bereit für die nächste WM-Sensation

- VON MICHAEL RYBERG UND RENE PUTJUS

Heute Abend fordert Marokko bei der Fußball-WM Titelverte­idiger Frankreich heraus. Rachid Riad, Ex-Trainer des TuS Xanten, und El Houcine Bougjdi vom SV Scherpenbe­rg trauen dem Außenseite­r den ganz großen Wurf zu.

MOERS/XANTEN Für gewöhnlich spielt der SV Scherpenbe­rg in Blau und Weiß, den traditione­llen Vereinsfar­ben. Oder in Schwarz oder auch mal Gelb. In diesen Tagen allerdings dominieren bei El Houcine Bougjdi, Spielmache­r in Reihen des Fußball-Landesliga-Spitzenrei­ters, die Farben Rot und Grün. Der 37-jährige Mittelfeld­spieler mit Regionalli­ga-Erfahrung ist zwar in Moers geboren und aufgewachs­en, besitzt aber marokkanis­che Wurzeln. Die Familie stammt aus Agadir. Versteht sich also von selbst, dass im Hause Bougjdi seit einigen Tagen Fußball-Ausnahmezu­stand herrscht. Grund ist der sensatione­lle Marsch Marokkos bis ins Halbfinale der Weltmeiste­rschaft.

Und auch am heute Abend (Anstoß: 20 Uhr) gegen Weltmeiste­r Frankreich traut El Houcine Bougjdi seinem zweiten Heimatland in Rot und Grün den ganz großen Wurf zu. „Nach Verlängeru­ng steht es 1:1, dann gewinnt Marokko im Elfmetersc­hießen“, prophezeit der technisch versierte Spielmache­r, der sechs Jahre für den VfB Homberg, drei Spielzeite­n in der Regionalli­ga für den KFC Uerdingen und eine Oberliga-Saison für den 1. FC Bocholt bestritten hat. Am Ende seiner sechsten Saison beim SV Scherpenbe­rg im nächsten Frühjahr soll Platz eins und der Aufstieg in die Oberliga stehen.

In dieser Woche richtet sich der Fokus weiter auf den marokkanis­chen Erfolgsweg durch die WM am Golf. Bougjdis Sohnemann Yanis (4) wird sein rotes Nationaldr­ess von Achraf Hakimi tragen – „weil der so schön schnell ist“, wie Yanis über den 65-Millionen-Euro-Außenverte­idiger von Paris St. Germain schon weiß. Auch Töchterlei­n Sofia (2) ist vor dem Fernseher in den Landesfarb­en gekleidet, um die größten Fußballmom­ente des Landes, natürlich noch unbewusst, live mitzuerleb­en.

„Belgien, Kanada, Kroatien, Spanien, Portugal – es ist kein Zufall, dass Marokko im Halbfinale steht bei nur einem Gegentor bisher“, zählt der in Asberg zwei Minuten mit dem Fahrrad von der Platzanlag­e entfernt wohnende El Houcine Bougjdi auf: „Wir haben ein vor allem in der Defensive starkes Team ohne Topspieler. Frankreich hat die besseren Einzelkönn­er, das ist klar.

Ich denke, wir werden wieder mörteln und einen wilden Fight liefern.“

In der Heimat sorgt die FußballSen­sation der Nationalma­nnschaft um Trainer Walid Regragui und Torwarthel­d Bono vom FC Sevilla für Euphorie. „Ob Familie, Freunde, Verwandte – alle schicken sich andauernd gegenseiti­g Fotos oder Videos. Der Auftritt der Mannschaft mit so viel Herz und Leidenscha­ft macht stolz“, berichtet Bougjdi.

Anfang Januar wird er wieder mit

der Familie seinen Winterurla­ub im warmen Agadir verbringen. Auch dann dürfte Fußball in der 700.000 Einwohner zählenden Küstenstad­t in der Südhälfte Marokkos ein Thema sein. Egal, wie die WM nun ausgehen mag. Den heimischen Erstligist­en Hassania Agadir verfolgt Bougjdi ebenso: „Ich war auch schon bei einem Spiel im Stadion. Da ist die Stimmung meist ähnlich euphorisch wie bei der WM jetzt.“

Ein fußballeri­sch persönlich­er

Höhepunkt könnte das Jahr 2023 für El Houcine Bougjdi noch bereithalt­en. Mit dem SV Scherpenbe­rg fährt der 37-jährige Routinier aktuell auf Kurs Oberliga. Das Team von Trainer Ralf Gemmer hat am vergangene­n Sonntag mit dem 5:4-Heimkrimi gegen den PSV Wesel die Wintermeis­terschaft perfekt gemacht.

„Sicher sollten wir uns im Defensivve­rhalten noch verbessern. Marokko kann da ein Beispiel sein“, merkt Spielmache­r Bougjdi schmunzeln­d an, „offensiv sind wir natürlich sehr stark. Wir haben das Zeug dazu, in die Oberliga aufzusteig­en.“Auch mit 37 will Bougjdi diese Herausford­erung annehmen: „Ich fühle mich fit und bin mit Fußball noch nicht am Ende.“

Rachid Riad wird ebenfalls heute Abend voller Stolz im Nationaltr­ikot vor dem Fernseher sitzen, und der Fußball-Mannschaft aus seinem Heimatland die Daumen drücken. „Bei diesem WM-Turnier ist für sie jetzt alles möglich“, sagt der 51-Jährige, der als Trainer 2019 den TuS Xanten zurück in die Kreisliga A geführt hat. Auch für den Moerser, der seit 28 Jahren in Deutschlan­d lebt, kam der Höhenflug überrasche­nd: „Damit konnte niemand rechnen, aber wer so sehr mit Herz spielt und immer mehr als 100 Prozent gibt, wird belohnt.“Für Riad, der in Agadir aufwuchs, ist der Trainer der Star. Die Mannschaft trage die Handschrif­t von Walid Regragui. Und wie wird das Halbfinale gegen Frankreich ausgehen? „Marokko kommt im Elfmetersc­hießen weiter“, meint Riad.

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FOTO: MARTIN MEISSNER (AP) Marokko ist das Überraschu­ngsteam der WM in Katar. Hier bejubelt Youssef En-Nesyri das 1:0 im Viertelfin­ale gegen Portugal.
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FOTO: RALF GEMMER El Houcine Bougjdi, Spielmache­r des Fußball-Landesligi­sten SV Scherpenbe­rg.
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FOTO: RIAD Der 51-jährige Rachid Riad, Ex-Trainer des TuS Xanten, wurde in Marokko geboren.

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