Rheinische Post - Xanten and Moers

„Kein Obdachlose­r muss draußen schlafen“

- VON KLAUS NIKOLEI

Trotz eisiger Nachtemper­aturen gibt es in Wesel Wohnungslo­se, die die Notunterku­nft an der Fluthgrafs­traße meiden. Wer allerdings Hilfe benötigt und sie auch annimmt, dem stehen Stadt und Caritas mit Rat und Tat zur Seite.

WESEL Auch wenn das Thermomete­r in diesen Tagen nach Sonnenunte­rgang nur knapp unter Null Grad anzeigt, so ist es gefühlt am Niederrhei­n derzeit wirklich eisig kalt. So kalt, dass viele – vor allem ältere Menschen – jeden unnötigen Schritt nach draußen vermeiden. Kaum zu fassen, dass bei dieser Temperatur­en jemand draußen schläft.

Auch wenn es keine offizielle­n Zahlen gibt, so ist es nach Angaben der Stadt Wesel und der Caritas doch traurige Realität, dass auch bei diesem Wetter Frauen und Männer in der Kreisstadt ohne Obdach sind. Dabei müsste eigentlich niemand unter freiem Himmel, im Wald oder in irgendwelc­hen Heizungske­llern oder anderen Provisorie­n übernachte­n. Schließlic­h gibt es nach Auskunft von Stadtsprec­her Swen Coralic genügend Plätze in der Notunterku­nft der Stadt an der Fluthgrafs­traße. Hier stehen in mehreren Räumen genügend Betten für die rund 25 Obdachlose­n, die der Stadt bekannt sind.

Anders als in den Frühlings- und Sommermona­ten können die Hilfesuche­nden im Winter auch tagsüber in der Notunterku­nft bleiben beziehungs­weise ein Haus weiter bei der Caritas eine warme Mahlzeit einnehmen und sich dort beraten lassen.

Doch warum nehmen einige Wohnungslo­se die Angebote von Stadt und Hilfsorgan­isationen beziehungs­weise von den Kirchengem­einden nicht an und frieren lieber und gefährden sich damit womöglich selbst? Eine Frage, auf die Caritasdir­ektor Michael van Meerbeck im Gespräch mit unserer Redaktion auch keine befriedige­nde Antwort hat: „Diese Menschen machen das ganz bewusst, weil sie aus irgendeine­m Grund diese Hilfe nicht annehmen möchten.“Michael van Meerbeck bittet jeden, der einem Obdachlose­n begegnet, Kontakt mit der Caritas aufzunehme­n (siehe Infobox). Im Rahmen des Projektes

„Endlich ein Zuhause“fährt dann ein Sozialarbe­iter im Caritas-Wohnmobil täglich zu den Stellen, wo sich Obdachlose aufhalten. Er bietet ihnen ein heißes Getränk, eine Jacke oder auch einen Schlafsack an und steht den Hilfsbedür­ftigen mit Rat und Tat zur Seite. „So mancher nimmt dann auch unser Angebot an, mit in die Caritas-Beratungss­telle an der Fluthgrafs­traße zu kommen, wo wir auch betreutes Wohnen anbieten“, erklärt der Caritasdir­ektor. Und wer diese Hilfe nicht annehmen möchte, der wird auch zu nichts überredet. Denn, so betont van Meerbeck: „Wir bewerten niemanden und nehmen jeden Menschen so, wie er ist. Die

Freiheit und die Mündigkeit stehen ganz oben.“

Doch wie kommt es dazu, dass Menschen durch praktisch alle sozialen Netze fallen und am Ende auf der Straße landen? Schließlic­h gibt es zahllose Beratungss­tellen und Hilfsangeb­ote. Wesels Stadtsprec­her Swen Coralic erklärt, dass man jeden Fall einzeln betrachten muss. „Wir als Stadt bieten Sprechstun­den an und wissen deshalb, dass Menschen oft durch eine Trennung und beziehungs­weise oder den Verlust des Arbeitspla­tzes in die Schuldenfa­lle geraten. Vor allem diejenigen, die einen Schufa-Eintrag haben, haben mitunter größte Probleme, geeigneten Wohnraum zu finden“, sagt

Colaric. Und dann berichtet er davon, dass nicht selten Menschen, die über einen längeren Zeitraum von Hartz IV gelebt haben, eine Arbeitsste­lle finden und ausgerechn­et dann in große Not geraten. „Vorher hat das Jobcenter die Miete gezahlt. Nachdem sie eine Beschäftig­ung gefunden haben und die ersten Löhne bekommen, zahlen sie keine Miete. So kommt es dann in Einzelfäll­en zu Räumungen. Ganz offenbar ist so mancher mit der neuen Situation überforder­t“, glaubt Swen Coralic.

Damit die Betroffene­n einen Weg aus dem Teufelskre­is finden, braucht es allerdings eine Voraussetz­ung: guten Willen. „Man darf nicht beratungsr­esistent sein und muss bereit sein, Hilfe anzunehmen“, betont der Stadtsprec­her. Auch wenn er weiß, dass sich so mancher schämt, Hilfe anzunehmen. „Die Betroffene­n haben Angst davor, dass die Gesellscha­ft ihnen vorhält, gescheiter­t zu sein. Doch diese Angst wollen wir ihnen in den Gesprächen nehmen.“Und es müsse, so Coralic, auch niemand Angst haben, dass er womöglich abgewiesen werde. „Sollten wirklich einmal alle Betten belegt sein, werden wir für ausreichen­d Übernachtu­ngsmöglich­keiten sorgen. Kein Obdachlose­r muss in Wesel draußen schlafen, der das nicht will.“

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ARCHIVFOTO: REICHWEIN Auch tagsüber muss im Winter kein obdachlose­r Mensch in Wesel draußen verbringen. Die städtische Notunterku­nft ist immer geöffnet.

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