Rheinische Post - Xanten and Moers
„Kein Obdachloser muss draußen schlafen“
Trotz eisiger Nachtemperaturen gibt es in Wesel Wohnungslose, die die Notunterkunft an der Fluthgrafstraße meiden. Wer allerdings Hilfe benötigt und sie auch annimmt, dem stehen Stadt und Caritas mit Rat und Tat zur Seite.
WESEL Auch wenn das Thermometer in diesen Tagen nach Sonnenuntergang nur knapp unter Null Grad anzeigt, so ist es gefühlt am Niederrhein derzeit wirklich eisig kalt. So kalt, dass viele – vor allem ältere Menschen – jeden unnötigen Schritt nach draußen vermeiden. Kaum zu fassen, dass bei dieser Temperaturen jemand draußen schläft.
Auch wenn es keine offiziellen Zahlen gibt, so ist es nach Angaben der Stadt Wesel und der Caritas doch traurige Realität, dass auch bei diesem Wetter Frauen und Männer in der Kreisstadt ohne Obdach sind. Dabei müsste eigentlich niemand unter freiem Himmel, im Wald oder in irgendwelchen Heizungskellern oder anderen Provisorien übernachten. Schließlich gibt es nach Auskunft von Stadtsprecher Swen Coralic genügend Plätze in der Notunterkunft der Stadt an der Fluthgrafstraße. Hier stehen in mehreren Räumen genügend Betten für die rund 25 Obdachlosen, die der Stadt bekannt sind.
Anders als in den Frühlings- und Sommermonaten können die Hilfesuchenden im Winter auch tagsüber in der Notunterkunft bleiben beziehungsweise ein Haus weiter bei der Caritas eine warme Mahlzeit einnehmen und sich dort beraten lassen.
Doch warum nehmen einige Wohnungslose die Angebote von Stadt und Hilfsorganisationen beziehungsweise von den Kirchengemeinden nicht an und frieren lieber und gefährden sich damit womöglich selbst? Eine Frage, auf die Caritasdirektor Michael van Meerbeck im Gespräch mit unserer Redaktion auch keine befriedigende Antwort hat: „Diese Menschen machen das ganz bewusst, weil sie aus irgendeinem Grund diese Hilfe nicht annehmen möchten.“Michael van Meerbeck bittet jeden, der einem Obdachlosen begegnet, Kontakt mit der Caritas aufzunehmen (siehe Infobox). Im Rahmen des Projektes
„Endlich ein Zuhause“fährt dann ein Sozialarbeiter im Caritas-Wohnmobil täglich zu den Stellen, wo sich Obdachlose aufhalten. Er bietet ihnen ein heißes Getränk, eine Jacke oder auch einen Schlafsack an und steht den Hilfsbedürftigen mit Rat und Tat zur Seite. „So mancher nimmt dann auch unser Angebot an, mit in die Caritas-Beratungsstelle an der Fluthgrafstraße zu kommen, wo wir auch betreutes Wohnen anbieten“, erklärt der Caritasdirektor. Und wer diese Hilfe nicht annehmen möchte, der wird auch zu nichts überredet. Denn, so betont van Meerbeck: „Wir bewerten niemanden und nehmen jeden Menschen so, wie er ist. Die
Freiheit und die Mündigkeit stehen ganz oben.“
Doch wie kommt es dazu, dass Menschen durch praktisch alle sozialen Netze fallen und am Ende auf der Straße landen? Schließlich gibt es zahllose Beratungsstellen und Hilfsangebote. Wesels Stadtsprecher Swen Coralic erklärt, dass man jeden Fall einzeln betrachten muss. „Wir als Stadt bieten Sprechstunden an und wissen deshalb, dass Menschen oft durch eine Trennung und beziehungsweise oder den Verlust des Arbeitsplatzes in die Schuldenfalle geraten. Vor allem diejenigen, die einen Schufa-Eintrag haben, haben mitunter größte Probleme, geeigneten Wohnraum zu finden“, sagt
Colaric. Und dann berichtet er davon, dass nicht selten Menschen, die über einen längeren Zeitraum von Hartz IV gelebt haben, eine Arbeitsstelle finden und ausgerechnet dann in große Not geraten. „Vorher hat das Jobcenter die Miete gezahlt. Nachdem sie eine Beschäftigung gefunden haben und die ersten Löhne bekommen, zahlen sie keine Miete. So kommt es dann in Einzelfällen zu Räumungen. Ganz offenbar ist so mancher mit der neuen Situation überfordert“, glaubt Swen Coralic.
Damit die Betroffenen einen Weg aus dem Teufelskreis finden, braucht es allerdings eine Voraussetzung: guten Willen. „Man darf nicht beratungsresistent sein und muss bereit sein, Hilfe anzunehmen“, betont der Stadtsprecher. Auch wenn er weiß, dass sich so mancher schämt, Hilfe anzunehmen. „Die Betroffenen haben Angst davor, dass die Gesellschaft ihnen vorhält, gescheitert zu sein. Doch diese Angst wollen wir ihnen in den Gesprächen nehmen.“Und es müsse, so Coralic, auch niemand Angst haben, dass er womöglich abgewiesen werde. „Sollten wirklich einmal alle Betten belegt sein, werden wir für ausreichend Übernachtungsmöglichkeiten sorgen. Kein Obdachloser muss in Wesel draußen schlafen, der das nicht will.“