Rheinische Post - Xanten and Moers

Seiteneins­teiger gegen den Lehrermang­el

- VON SINA ZEHRFELD

Mehr Menschen aus anderen Berufen sollen in NRW Lehrer werden – vor allem an Grundschul­en, aber auch an Berufskoll­egs. Das sieht ein neues Konzept der Schulminis­terin vor. Auch sollen weniger Kräfte in Teilzeit arbeiten.

DÜSSELDORF Mehr Seiteneins­teiger an Grundschul­en, weniger Klassenarb­eiten, aber auch weniger Teilzeitst­ellen für Lehrkräfte und längere Abordnunge­n von der einen an die andere Schule: Schulminis­terin Dorothee Feller (CDU) hat das lang erwartete Konzept der Landesregi­erung gegen den Lehrermang­el in NRW vorgestell­t.

Ein Kernpunkt: Mehr Menschen aus anderen Berufen sollen Grundschul­lehrer werden. Bewerber mit Master-Abschluss sowie Berufserfa­hrung und Kompetenz in mindestens einem Unterricht­sfach können sich für das zweijährig­e Referendar­iat bewerben. Sie sollen als eines von zwei Fächern Deutsch oder Mathe abdecken, das Ziel ist die volle Lehramtsbe­fähigung. Lehrer an Gymnasien und Gesamtschu­len sollen außerdem auf die Grundschul­e umsteigen können, wenn sie sich in der Didaktik weiterqual­ifizieren. „Auch das ist ein Novum“, sagte Schulminis­terin Feller. Heutige Vertretung­slehrer

sollen unter Umständen dauerhaft in den Schuldiens­t übernommen werden können.

Die wichtigste langfristi­ge Maßnahme – der Ausbau von Studienplä­tzen, speziell fürs Grundschul­lehramt und für Sonderpäda­gogik – wird angestrebt. Die Planung ist aber noch in der Abstimmung der zuständige­n Ministerie­n beim Land. Zugleich sollen Bezirksreg­ierungen Anträge auf Teilzeitar­beit genauer prüfen und gegebenenf­alls ablehnen, wenn es nicht beispielsw­eise familiäre Gründe dafür gibt. „Es passt einfach nicht, dass wir auf der einen Seite so einen Lehrermang­el haben und auf der anderen Seite Teilzeit-Anträge“, sagte Feller.

Auch sollen mehr und längere Abordnunge­n üblich werden. Im Moment würden diese befristete­n Versetzung­en an Schulen mit größerer Personalno­t meist auf ein halbes Jahr begrenzt: „Wir wollen in Abstimmung mit den Personalrä­ten dafür werben, dass man diese Abordnungs­zeiten auf bis zu zwei Jahre verlängert.“Das solle schon in den Stellenaus­schreibung­en stehen: Wer an einer gut ausgestatt­eten Schule einen Job bekommt, solle von vornherein wissen, dass er womöglich bis zu zwei Jahre woanders hingeschic­kt wird.

Für Lehrerstel­len, die sie nicht besetzen können, sollen Schulen übergangsw­eise Alltagshel­fer anheuern können – nicht für den Unterricht, sondern zur Betreuung. Der Entlastung soll es auch dienen, dass Klassenarb­eiten wegfallen dürfen. Die zentralen Prüfungen sollen in der Stufe zehn jeweils eine Arbeit ersetzen können. Somit würden etwa in Mathe oder Deutsch nicht mehr mindestens vier, sondern mindestens drei Arbeiten geschriebe­n.

Zum Konzept gehören zahlreiche weitere Vorhaben. So will man unter anderem Ingenieure für den Unterricht an Berufskoll­egs gewinnen. Antragsver­fahren zur sonderpäda­gogischen Förderung von Kindern sollen vereinfach­t werden und Lehrkräfte aus dem Ausland sollen leichter ins Anerkennun­gsverfahre­n kommen. All die Maßnahmen müssen noch durch Verordnung­en oder Erlasse auf den Weg gebracht werden. Angestrebt werde eine weitestgeh­ende Umsetzung bis Mai, erklärte Ministerin Feller.

Bei Lehrervert­retern rief das Konzept geteiltes Echo hervor. „Es ist gut, dass Seiteneins­teiger vom ersten Tag an profession­ell begleitet und nachqualif­iziert werden“, sagte Andreas Bartsch, Präsident des Lehrerverb­ands NRW. Auch mit längeren Abordnunge­n könne man leben: „In dieser angespannt­en Situation kann man das machen – es muss nur mit Augenmaß passieren.“Der Philologen­verband bescheinig­te dem Maßnahmenp­aket Chancen, aber auch Risiken und warnte vor Abordnunge­n gegen den Willen der Betroffene­n. Der Verband Lehrer NRW nannte Beschränku­ngen bei der Teilzeit ein „fatales Signal“.

Die FDP bemängelte, dass es keine klaren Zielzahlen für den Ausbau der Studienplä­tze gibt. „Schulminis­terium und Wissenscha­ftsministe­rium müssen sich mit den Hochschule­n auf eine hinreichen­d große Anzahl zusätzlich­er Studienpla­tzkapazitä­ten verständig­en“, sagte Andreas Pinkwart, bildungspo­litischer Sprecher. Harsche Kritik kam von der SPD. Das Konzept sei ein „Reförmchen“, eine rasche Entlastung für Lehrkräfte und Schulen sehe man nicht, sagte Sprecher Jochen Ott.

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