Rheinische Post - Xanten and Moers
Scholz wirft Putin „Imperialismus und Großmachtwahn“vor
BERLIN (dpa/rtr) Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich nach Ansicht von Bundeskanzler Olaf Scholz mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine „fundamental“verrechnet. „Kein einziger von Putins Plänen ist aufgegangen“, sagte Scholz am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Bundestag. Der russische Präsident habe sowohl den Mut der Ukrainer als auch den Willen ihrer europäischen Verbündeten unterschätzt, gemeinsam gegen „Großmachtwahn und Imperialismus“einzustehen. „Das ist die wirkliche Geschichte dieses Jahres 2022“, sagte Scholz. Heute stehe Russland so isoliert da wie nie zuvor.
Der Kanzler warf Putin vor, nun mit einer „furchtbaren und zugleich völlig verzweifelten Strategie der verbrannten Erde“auf seine Erfolglosigkeit im Krieg zu reagieren, indem er die Infrastruktur des Landes angreife: „Aber auch damit kommt Putin nicht durch. Weil die Ukrainerinnen und Ukrainer zusammenstehen und standhalten.“
Der Kanzler sagte der Ukraine erneut weitere – auch militärische – Unterstützung zu, solange dies nötig sei. Die Lieferung neuer Waffensysteme versprach er aber nicht. Oppositionsführer Friedrich Merz hält das aber für dringend notwendig. Der CDU/CSU-Fraktionschef forderte von Scholz, der Ukraine die gewünschten
Leopard-2-Kampfpanzer und Marder-Schützenpanzer zur Verfügung zu stellen. „Auch fast zehn Monate nach Beginn dieses Krieges verstecken Sie sich immer noch hinter den Nato-Partnern, die angeblich auch nicht liefern wollen. Wir wissen mittlerweile, dass dies falsch ist“, sagte Merz: „Es liegt vor allem an Ihnen ganz persönlich, dass die Ukraine diese Hilfe nicht bekommt.“
Scholz hatte mehrfach betont, dass es bei den Waffenlieferungen in die Ukraine keine deutschen Alleingänge geben werde. Bisher hat kein Nato-Staat Kampfpanzer westlicher Bauart geliefert. Die USA haben allerdings erklärt, dass sie nichts dagegen hätten, wenn Deutschland die Panzer im Alleingang liefert. „Je mehr wir helfen, umso schneller ist dieser Krieg vorüber“, sagte Merz.
Die Union warf Scholz im Bundestag vor, sich in Europa zu isolieren und für die Störungen im deutschfranzösischen Verhältnis verantwortlich zu sein.
Merz sagte zur Europapolitik des Kanzlers: „Ihnen fehlt fast völlig der Blick auf die Statik dieses Hauses, auf das Fundament dieses Hauses, und Ihnen fehlt die Fantasie eines Architekten und der entschlossene Wille eines Baumeisters, dieses Haus in Europa jetzt wetterfest und zukunftsfähig zu machen.“CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ergänzte: „Sie bauen keine Brücken, Sie reißen sie ein.“
Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla forderte ein Ende der Russland-Sanktionen. Deutschland als ein Land ohne Rohstoffe und mit hoher Inflation könne es sich gar nicht erlauben, ständig wirtschaftliche Sanktionen zu erlassen.
Scholz kündigte in seiner Regierungserklärung eine Fortsetzung des Sanktionskurses an. Der Druck auf Russland werde so lange erhöht, so lange der Angriffskrieg gegen die Ukraine anhalte.
Scholz reiste am Mittag nach seiner Regierungserklärung zu einem zweitägigen EU-Gipfel nach Brüssel. Am Mittwoch stand dabei das Treffen mit den AseanLändern im Mittelpunkt, zu denen etwa Indonesien und Vietnam gehören. Am Donnerstag werden die 27 EU-Staats- und Regierungschefinnen und -chefs über weitere Ukraine-Hilfen, Erweiterungsfragen oder einen EU-Gaspreisdeckel sprechen.