Rheinische Post - Xanten and Moers

Medikament­e werden knapp

Die aktuelle Krankheits­welle bei Kindern ist enorm. In vielen Apotheken gibt es nicht mehr genug Fiebersaft oder andere gängige Präparate für junge Patienten. Apothekeru­nd Kinderarzt­verbände fordern ein rasches Handeln der Bundesregi­erung.

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Die Ursachen für die aktuellen Lieferengp­ässe bei Arzneimitt­eln sind nach Angaben des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums vielfältig. Globalisie­rung und die Konzentrat­ion auf wenige Herstellun­gsstätten für Arzneimitt­el und Wirkstoffe könnten ein Grund für Lieferengp­ässe sein, aber zum Beispiel auch Qualitätsm­ängel bei der Herstellun­g, Produktion­s- und Lieferverz­ögerungen für Rohstoffe, Produktion­seinstellu­ngen bei Arzneimitt­eln oder Marktrückn­ahmen aus ganz verschiede­nen Gründen.

Das Ministeriu­m von Karl Lauterbach (SPD) verweist auf den Koalitions­vertrag, der Maßnahmen vorsieht, um die Herstellun­g von Arzneimitt­eln einschließ­lich der Wirk- und Hilfsstoff­produktion nach Deutschlan­d oder in die EU zurückzuve­rlagern. „Dazu führt das BMG sowohl mit Hersteller­n und Verbänden wie auch auf EU-Ebene Gespräche. Diesen können wir hier nicht vorgreifen“, teilte ein Sprecher mit. Geplant ist auch, das Vergaberec­ht zu ändern. Ziel ist, die Lieferkett­en so zu diversifiz­ieren, dass die

Abhängigke­it von einzelnen Hersteller­n abnimmt. Lauterbach sagte jüngst dazu: „Es kann nicht sein, dass wir versuchen, bei den Wirkstoffe­n zum Teil ein paar Cent zu sparen, riskieren dann aber dafür die Versorgung der Bevölkerun­g.“

Den Kinder- und Jugendärzt­en geht das in der aktuell angespannt­en Lage nicht schnell genug. „Wir erleben eine sehr hohe Nachfrage nach fiebersenk­enden Medikament­en wie Ibuprofen oder Paracetamo­l, weil derzeit extrem viele Kinder erkrankt sind. Es ist ein Armutszeug­nis,

dass so simple Medikament­e wie ein Fiebersaft häufig nicht mehr verfügbar sind“, kritisiert der Präsident des Berufsverb­andes der Kinder- und Jugendärzt­e, Thomas Fischbach. „Verzweifel­te Eltern kommen zu uns in die Praxen, die Apotheker müssen unverschul­det den Ärger aushalten. Es gibt zu wenige Anbieter solcher Mittel, weil die Festpreisr­egelung bei uns zu einem Abwandern der Produktion in Billiglohn­länder wie Indien und China geführt hat“, so der Solinger Kinderarzt: „Dort gibt es nun Lieferkett­enprobleme,

was wiederum zu Lieferengp­ässen führt.“Die von Gesundheit­sminister Karl Lauterbach vorgestell­ten Pläne für Gesetzesän­derungen kämen zu spät. „Wir brauchen jetzt eine von der Politik angeschobe­ne Beschaffun­gsaktion, um wie zu Beginn der Corona-Pandemie in einer Notlage schnell an Fiebersaft, bestimmte Antibiotik­a und andere selten gewordene Präparate für kleine Kinder zu kommen“, fordert Fischbach.

Die Knappheit bei Fiebersäft­en für Kinder ist aus Sicht eines Bundesinst­ituts teilweise aber auch darauf zurückzufü­hren, dass sich manche Apotheken und Großhändle­r das Lager zu voll machen und die Arzneien andernorts fehlen. Es sei weiter von einer Verteilpro­blematik auszugehen, teilte das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte mit. Der Beirat des Bundesinst­ituts, dem auch Apothekerv­erbände angehören, regt eine Prüfung an, ob bei älteren Kindern nicht auch Tabletten mit dem gleichen Wirkstoff eine Alternativ­e seien – bei Paracetamo­l könnten Kinder ab vier Jahren teilbare Tabletten einnehmen und bei Ibuprofen Kinder ab sechs Jahren.

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FOTO: JAN WOITAS/DPA Blick in das automatisi­erte Medikament­enlager einer Apotheke in Leipzig.

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