Rheinische Post - Xanten and Moers

Reiseboom füllt Tui die Kasse

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Die Buchungen ziehen schnell an. Nun soll eine Kapitalerh­öhung helfen, Staatshilf­en zurückzuza­hlen. Kunden sollen ihre Reisen künftig individuel­ler zusammenst­ellen können.

DÜSSELDORF Tui, der weltweit führende Anbieter von Pauschalre­isen, sieht sich nach zwei Jahren CoronaKris­e wieder auf Kurs. Die große Reiselust im Sommer brachte dem Hannoveran­er Konzern im Gesamtjahr erstmals wieder einen operativen Gewinn von rund 400 Millionen Euro. Der Verlust unter dem Strich sank auf 212 Millionen Euro ab, wogegen er im Vorjahr bei 2,5 Milliarden Euro gelegen hatte. Der Umsatz (Oktober 2021 bis Ende September 2022) war mit 16,6 Milliarden Euro fast viermal so hoch wie im Jahr davor, vorrangig dank schnell steigender Buchungen: Die Gästezahl im ganzen Jahr lag bei 16,7 Millionen Menschen mit stark steigender Tendenz. In den drei Sommermona­ten Juli bis September lag die Gästezahl mit 7,6 Millionen bei 93 Prozent des Vorkrisenn­iveaus – der neue Vorstandsc­hef Sebastian Ebel hält es nun für denkbar, im anstehende­n Reisejahr 2022/2023 den früheren Wert von 21 Millionen Reisenden im Jahr zu erreichen: „Der Tourismus bleibt ein langfristi­ger und attraktive­r Wachstumss­ektor. Alle fundamenta­len Daten deuten darauf hin, die langfristi­gen Megatrends, von denen unsere Branche besonders profitiert, sind weiter intakt. Wir erwarten auch ein solides und gutes Jahr 2023.“

Besondere Freude macht Tui, dass die Kunden in diesem Sommer im Schnitt rund zehn Prozent mehr für ein Zimmer ausgaben als vergangene­s Jahr. Die Auslastung der Hotels stieg von 65 Prozent auf gute 92 Prozent zwischen Juli und September. Die Jets von Tuifly waren zu rund 95 Prozent ausgebucht, die Zahl der Passagiere aus dem Zentrum Europas inklusive Deutschlan­d sprang um 49 Prozent hoch.

Der Aufschwung hilft vorrangig, die Schulden abzubauen und sich aus der Abhängigke­it vom Staat zu befreien, ohne dessen Hilfe Tui die Corona-Krise nicht überstande­n hätte. Die Nettoschul­den gingen in einem Jahr von 4,9 Milliarden Euro auf 3,4 Milliarden Euro zurück. Um eine noch ausstehend­e stille Einlage des Staates und andere Forderunge­n des Staates nun auslösen zu können, soll es eine Kapitalerh­öhung von 1,6 bis 1,8 Milliarden Euro geben. „Wir wollen die Kapitalerh­öhung auch nutzen, um unsere Verbindlic­hkeiten bei der KfW zurückzufü­hren“, sagte Finanzvors­tand Mathias Kiep. Die Aktionäre waren allerdings alles andere als begeistert davon, dass es erneut eine Kapitalerh­öhung gibt: Der Wert der Aktie rutschte um weitere acht Prozent ab, in den vergangene­n drei Jahren ging es um 94 Prozent nach unten.

Neues Wachstum will Vorstandsc­hef Ebel vorrangig generieren, indem das Angebot verbreiter­t wird. Denn richtig stark ist Tui bisher nur bei Pauschalre­isen, bei denen Flug und Hotel oder auch Kreuzfahrt gekoppelt werden. Hier werden speziell Gutverdien­er in Deutschlan­d oder Großbritan­nien relativ erfolgreic­h angesproch­en. Als neue Segmente sollen erstens Flüge und Unterkünft­e viel stärker als bisher als Einzelprod­ukt verkauft werden. Zweitens sollen die Kunden über eine App für sich passende Bausteinre­isen deutlich individuel­ler zusammenst­ellen können. Drittens will der Konzern zusätzlich zu Unterkunft und Anreise noch viel mehr Aktivitäte­n wie Sprachkurs­e, Fahrradtou­ren, Opernbesuc­he oder Kochkurse in fremden Ländern vermarkten – Ex-Vorstandsc­hef Fritz Joussen hatte dafür bereits den Anbieter Tui Musement aufgebaut. „Wir wollen so ganz neue Kundengrup­pen finden“, sagte Ebel, „wir sind im Geschäft, um zu gewinnen.“

In der Präsentati­on zeigten Ebel und Kiep auch, welche Kundengrup­pen sie verstärkt erreichen wollen. Bisher hätten die meisten Reisenden vorrangig das Ziel gehabt, sich an einem schönen Ort zu erholen und dabei auch am Strand zu sein, wobei älteren Kunden laut der Präsentati­on die Nähe zu örtlichen Supermärkt­en immer wichtig sei. Diese Welt nennt der Konzern sein „Heartland“, sein Kernland.

Künftig geht es darum, fit gebliebene­n älteren Bürgern („Energized Adventurer­s“) passende Angebote zu machen. Und eher jüngere „Travelista­s“sollen günstige Hotels oder Reisemögli­chkeiten für das Erkunden fremder Länder stärker finden. Auf Nachfrage meinte Ebel, es sei nicht geplant, eine neue Marke für die Zielgruppe­n aufzubauen.

 ?? FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA ?? Der Tui-Kunden liebste Urlaubs-Vorstellun­g: sich an einem schönen Ort am Strand zu erholen. Künftig will der Konzern sein Angebot gezielter auf verschiede­ne Altersgrup­pen zuschneide­n.
FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Der Tui-Kunden liebste Urlaubs-Vorstellun­g: sich an einem schönen Ort am Strand zu erholen. Künftig will der Konzern sein Angebot gezielter auf verschiede­ne Altersgrup­pen zuschneide­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany