Rheinische Post - Xanten and Moers

Noch besser als je zuvor

- VON NILS BASTEK, SEBASTIAN STIEKEL, MIRIAM SCHMIDT UND JAN MIES

Lionel Messi verzaubert das Publikum bei der WM. Jetzt steht er kurz vor dem größten Triumph seiner Karriere.

LUSAIL (dpa) Wie Lionel Messi auf seinem Stuhl hockte, das hatte etwas Meditative­s. Seine Unterarme lagen entspannt auf dem Pult vor ihm, die Hände wie zum Gebet gefaltet, der Blick die pure Entspannun­g. Er lächelte sogar gleich mehrfach, was bei Messi zumindest nicht im Überschwan­g vorkommt. Wer den Superstar der Argentinie­r tief in der Nacht im Lusail-Stadion sitzen sah, hätte denken können: Er hat schon alles erreicht. Dabei fehlt noch dieser eine Schritt.

Erst im WM-Finale am Sonntag wird sich zeigen, ob Messi sich seinen letzten Traum vom größten Pokal des Weltfußbal­ls erfüllen kann. Dass er jetzt schon so zufrieden wirkt wie vielleicht nie, hat andere Gründe.

Es gibt nicht wenige, die während des Turniers in Katar schon mehrfach behauptet haben: Das ist der beste Messi, den es je im Nationaltr­ikot gegeben hat. Was soll man nach der 3:0-Gala im Halbfinale gegen Kroatien auch anderes erzählen? Ein Blick auf die einfachste­n Zahlen des Spiels genügt schon: 1:0, Messi (34. Minute), Foulelfmet­er. 2:0, Julián Álvarez (39.), Vorarbeit: Messi. 3:0, Álvarez (69.), überragend­e Vorarbeit: Messi. Allein wie er sich vor diesem Tor den Ball schnappt, sekundenla­ng damit dribbelt und den eigentlich extrem talentiert­en Leipziger Verteidige­r Josko Gvardiol wie einen bedauernsw­erten Nebendarst­eller aussehen lässt: pure Weltklasse im Alter von 35 Jahren.

„Was ich sagen kann, ist, dass ich das sehr genieße. Ich fühle mich sehr gut, ich fühle mich stark genug, um jedes Spiel anzugehen“, sagte Messi später auf die Frage, ob er gerade die beste Version seiner selbst sei. „Persönlich kann ich sagen, dass ich mich sehr glücklich fühle, die ganze Weltmeiste­rschaft schon.“Aber woran liegt das? Denn es gibt auch andere Eindrücke von ihm im Trikot des Nationalte­ams. Zum Beispiel jene von der WM 2018, als bei den Argentinie­rn und ihm so gut wie nichts zusammenli­ef. Oder seine voreilig verkündete­n Rücktritte aus der Albicelest­e, jeweils aus dem gefühlten Frust darüber, Argentinie­n nicht zu einem großen Titel führen zu können.

2019 überredete Trainer Lionel Scaloni ihn zu einem Rücktritt vom Rücktritt. Und genau dieser Scaloni dürfte gemeinsam mit seinem Trainertea­m der Hauptgrund dafür sein, dass Messi bei seiner fünften und letzten WM so spielt, als wäre es seine erste. Als sein emotionale­r Vorgänger Jorge Sampaoli nach der verkorkste­n WM 2018 beurlaubt wurde, stieg der deutlich ruhigere Scaloni zur preiswerte­n Interimslö­sung auf.

Er macht es so gut, dass er bis heute da ist. Das größtmögli­che Lob für seine Arbeit bekam er am Dienstagab­end in Lusail. „Wir wissen in jedem Moment des Spiels, was wir zu tun haben“, sagte Messi, was eine klare Würdigung der akribische­n Spielvorbe­reitung des 44-Jährigen war.

Als Scaloni seinen Superstar nach dem Abpfiff gegen Kroatien auf dem Rasen umarmte, hatte er Tränen der Freude in den Augen: „Ihn spielen zu sehen, ist jedes Mal ein Genuss, etwas ganz Besonderes. Nicht nur für mich, sondern für alle Menschen in Argentinie­n“, sagte der Ex-Profi. „Es ist wirklich ein Privileg, ihn trainieren zu dürfen.“Und obwohl Messi schon mehrfach (und am Dienstagab­end

erneut) verkündet hat, dass diese WM seine letzte im Nationaltr­ikot sein wird, sagt Scaloni immer wieder sinngemäß: Er hoffe, dass Messi auch noch 2026 für Argentinie­n spielen werde.

Aber all die Fragen danach lächelt der Offensivma­nn von Paris SaintGerma­in genauso entspannt weg wie jene nach dem Sieg gegen Kroatien. Elf Tore hat er für die Argentinie­r bei Weltmeiste­rschaften nun erzielt, wodurch er an Gabriel Batistuta vorbeizog und zum alleinigen WM-Rekordtors­chützen seines Landes aufstieg. Sobald der Schiedsric­hter am Sonntag das Finale anpfeift, wird Messi mit dann 26 WMEinsätze­n sogar weltweit einsame Spitze sein.

Das interessie­rt ihn aber alles nicht. „Das ist alles schön und gut, aber das Wichtigste ist, dass wir als Mannschaft unser Ziel erreichen, welches das Schönste von allen ist.“Der Traum lebt.

Dieses Ziel ist 6,142 Kilogramm schwer und besteht aus Massivgold. Es ist der einzige Pokal, der Lionel Messi zur Krönung seiner einzigarti­gen Karriere noch fehlt. An diesem Sonntag in Katar soll es so weit sein.

 ?? FOTO: XU ZIJIAN/DPA ?? Argentinie­ns Superstar Lionel Messi herzt seinen Mitspieler Julian Alvarez (r) nach einem Treffer gegen Kroatien.
FOTO: XU ZIJIAN/DPA Argentinie­ns Superstar Lionel Messi herzt seinen Mitspieler Julian Alvarez (r) nach einem Treffer gegen Kroatien.

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