Rheinische Post - Xanten and Moers

NRW will Insektensc­hutz verschärfe­n

- VON SINA ZEHRFELD

Nach Plänen des Landes sollen Ausnahmere­gelungen für den Einsatz von Pestiziden auf Äckern in Naturschut­zgebieten zurückgefa­hren werden. Das dient der Umwelt, trifft aber Bauern. Naturschüt­zern geht der Vorstoß nicht weit genug.

DÜSSELDORF Die Landesregi­erung will den Insektensc­hutz in Naturschut­zgebieten strenger durchsetze­n. Ein Härtefall-Erlass, durch den Landwirte Ausnahmen vom PestizidVe­rbot in diesen Regionen beantragen konnten, läuft zum Jahresende aus. Er soll nun durch einen neuen ersetzt werden, der die Vorgaben strenger fasst. „Es besteht die Annahme, dass der Umfang der Ausnahmege­nehmigunge­n nach Überarbeit­ung des Erlasses rückläufig sein wird“, heißt es aus dem Landwirtsc­haftsminis­terium von Silke Gorißen (CDU).

Bislang wurde Bauern der Pestizidge­brauch noch pauschal erlaubt, wenn mindestens 30 Prozent der Fläche ihres Betriebes im Naturschut­zgebiet liegt. Es wurde dann davon ausgegange­n, dass ihre wirtschaft­lichen Einbußen zu groß wären, wenn sie auf bestimmte, in Schutzgebi­eten nicht zulässige Pflanzensc­hutzpräpar­ate verzichten müssten. In Zukunft soll berücksich­tigt werden, was auf den betreffend­en Feldern angebaut wird. Dann wird individuel­l entschiede­n.

Der auslaufend­e Erlass wurde ergänzend zum bundesweit­en Insektensc­hutz-Paket im Jahr 2021 eingeführt. Nach den Zahlen des Landes wurden in NRW 180 Ausnahmen für 2390 Hektar Ackerland genehmigt. „Das sind rund 17 Prozent der Gesamtacke­rfläche in Naturschut­zgebieten in NRW“, ordnet das Landwirtsc­haftsminis­terium ein. Insgesamt gebe es 13.800 Hektar Ackerland in Schutzgebi­eten. Sämtliches landwirtsc­haftlich genutztes Areal in Naturschut­zgebieten betrage knapp 93.300 Hektar.

Für Landwirte sind die Pläne der nächste Einschnitt, nachdem sie bereits über die neue Düngeveror­dnung des Landes wütend sind. „Es gibt Betriebe, die mit 80 Prozent ihrer Fläche in solchen Gebieten liegen. Da werden Existenzen bäuerliche­r Familien kaputtgema­cht“, sagt Bernhard Conzen, Präsident des Rheinische­n Landwirtsc­haftsverba­nds.

Auch fürchteten die Betroffene­n Wertverlus­te bei ihrem Grundbesit­z. Der Verband fordert ein neues System für Ausgleichs­zahlungen, in dem die Bauern für erhöhten Aufwand sowie Ernteausfä­lle finanziell entschädig­t werden. „Dann kann der Landwirt auch damit leben, wenn er ökologisch wirtschaft­en muss“, so Conzen. Stattdesse­n ist allerdings bislang noch nicht einmal das Geld für bereits vorgesehen­en Zulagen da. Grundsätzl­ich haben Bund und Land nämlich Mittel für Entschädig­ungen bereitgest­ellt, heißt es aus dem Landwirtsc­haftsminis­terium. Allerdings brauche man eine von der EU-Kommission genehmigte Förderrich­tlinie – und die gebe es noch nicht.

Unterdesse­n geht Umweltschü­tzern die Planung des Landes noch lange nicht weit genug. Denn auch mit dem verschärft­en Erlass werden immer noch Pestizide in Naturschut­zgebiete gelangen. Das sei nicht akzeptabel, sagt Heide Naderer, Landesvors­itzende des Naturschut­zbundes NRW. „Die Naturschut­zgebiete sind unsere Juwelen, das sind die letzten Rückzugsge­biete für viele Arten“, betont sie. Zwar dürfe man beim Arten- und Insektenst­erben nicht einfach alles auf die Landwirtsc­haft schieben: „Es gibt die Klimakrise, es gibt die Verstädter­ung, es gibt die Flächenver­siegelung, und es gibt eben auch den hohen Einsatz von Pestiziden in der intensiven Landwirtsc­haft“, zählt sie auf. „Aufgrund der großen Flächen, um die es dabei geht, ist das aber eine der wesentlich­en Ursachen.“Für die Ausgleichs­zahlungen an Betriebe müsse das Land zur Not ein Sonderprog­ramm auflegen.

Die politische Opposition im Landtag kritisiert nicht das Ziel, wohl aber das Vorgehen der Landesregi­erung beim Insektensc­hutz. „Statt mit den Landwirten behutsam auf die notwendige­n Änderungen hinzuarbei­ten, hat vor allem die CDU in den vergangene­n Jahren so getan, als könnte man das Artensterb­en einfach ignorieren“, so der Umwelt- und Landwirtsc­haftsexper­te der SPD-Fraktion, René Schneider. „Dabei braucht es die Transforma­tion der Landwirtsc­haft, um Umweltschu­tz und Ernährungs­sicherheit künftig gleicherma­ßen sicherzust­ellen.“

Schneider fordert, die Regierung müsse die Arbeitsber­eiche „Umwelt“und „Landwirtsc­haft“, die seit diesem Jahr auf zwei Ministerie­n aufgeteilt sind, wieder in einem Haus zusammenle­gen. „Anders lassen sich die gewaltigen Herausford­erungen nicht lösen.“

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